Urhebervergütungen

Das Bundesgericht der Schweiz hat ein krasses Urteil gefällt. Der Bieler Fotograf Alain D. wollte für die ungenehmigte Verwendung eines seiner Bilder 3920 Franken haben. Ein Unternehmen hatte das Bild ohne Rücksprache für eine Verkaufsdokumentation und für Werbung in den Asozialen Medien verwandt und keinen Rappen bezahlt.

Das Gericht hat ihm Recht gegeben. Und ihm einen Schadensersatz von 55 Franken zugestanden. Leider musste er Gerichtskosten und Anwaltskosten in Höhe von rund 3400 Franken zahlen.

Das Urteil stammt vom 21.4.2023 und ist auf den ersten Blick nichts anderes als ein Freifahrtschein für alle Schweizer Bilderklauer.

Wie kam nun das Gericht auf diesen lächerlichen Bilderwert?

Es handelte sich um eine Luftaufnahme. Und das beklagte Unternehmen legte mehrere ähnliche Luftaufnahmen vor, die für wenige Franken zu bekommen waren. Das Gericht ermittelte daraus einen Mittelwert von 55 Euro für die Verwendung und damit kuckte der Fotograf in die Röhre.

Nach mehreren Gesprächen mit einer deutschen Anwältin scheint diese Praxis auch in Deutschland langsam bei den Gerichten anzukommen. Die Vergütungen werden so weit nach unten korrigiert, dass es sich für Urheber nicht mehr rentiert, auch nur einen Anwalt anzurufen.

Man sollte sich also nicht mehr auf die kursierenden Listen verlassen (MFM in Deutschland beziehungsweise SAB in der Schweiz) sondern entsprechende Rechnungen aus der eigenen Buchhaltung vorweisen, die auch tatsächlich bezahlt wurden, um entsprechende Forderungen zu unterfüttern.

Für Hobbyisten ist damit der Zug abgefahren. Wenn einem Freitzeitfotografen die Bilder geklaut werden, hat er schlicht Pech gehabt.

Das Bild? Kletterfotografie in der Schweiz in der Nähe von Kandersteg.

16 Replies to “Urhebervergütungen”

  1. das bedeutet für die Profis, nur noch Auftragsarbeiten erledigen und sonst nichts, was einen kommerziellen Wert haben könnte, irgendwo hochladen.
    Die Amateure machen es dann wie früher: jede Menge Bilder erzeugen und ab damit in den Schuhkarton.
    Oder sehe ich das falsch?

  2. Ist es nicht so, dass jemand, der einen Prozess verliert, die Gerichtskosten und die gegnerischen Anwaltkosten übernehmen muss? So habe ich als Nichtjurist das in Erinnerung.

    1. er hat ja nicht verloren, nur halt nicht bekommen was er gefordert hat. Evtl. haben die Schweizer da andere Regelungen, was die Kosten angeht.

      1. Es gibt auch im deutschen Recht da höchst unterschiedliche Regelungen, die vom Richter festgelegt werden. Das Urteil und die Kostenverteilung sind immer zwei paar Stiefel. In dem Fall ist es eben so abgelaufen.

      2. Und da ist er beim Bundesgericht noch relativ günstig davongekommen. Aber ja, die neue Praxis des letzteren ist schon erschreckend. Andere Länder werden dem sicher folgen.

      3. Doch, er hat zu 98% verloren. Er 3920.- gefordert und 55.- erhalten, weshalb er die unterlegene Partei ist, die an die gewinnende Partei zahlungspflichtig wird. Hätte er 100.- verlangt, hätte er gewonnen und wäre entschädigt worden.

    2. Im Prinzip ist das so, nur ist das so eine Sache mit dem “Verlieren”. Zumindest in Deutschland regelt die Zivilprozessordnung (in §92), dass bei einem “Teilunterliegen” die Kosten verhältnismäßig geteilt werden müssen. Wenn zum Beispiel Alice Bob auf €10.000 verklagt, das Gericht ihr aber nur €2.000 zuspricht, dann hat Alice sozusagen zu 80% “verloren”, weil sie nur 20% von dem bekommt, was sie haben wollte. Entsprechend trägt Alice 4/5 der Prozesskosten und Bob 1/5.

      Falls dies in der Schweiz so ähnlich gehandhabt wird, dann ist es zumindest größenordnungsmäßig erklärlich, warum Alain D. bei einem Streitwert von 3920 Franken und einem tatsächlichen Schadenersatz von 55 Franken auf 3400 Franken Prozesskosten sitzenbleibt. Immerhin hat er den Prozess zu 3865/3920, oder ca. 98,6%, “verloren”. Das beklagte Unternehmen dürfte dann übrigens mit rund 50 Franken an der Sache beteiligt sein, d.h., hätte es von Anfang an eines der um 55 Franken erhältlichen Bilder gekauft, wären ihm eine Menge Scherereien erspart geblieben (zumal der Prozess ja auch hätte ganz anders ausgehen können).

  3. Für Berufsfotografen sicher eine verheerende Entwicklung, aber auch für uns Konsumenten unschön.

    Wenn ich mir mal in einem internationalen Presseshop / Bahnhofsbuchhandlung die Printmedien anschaue, dann fällt – besonders bei den großen Modemagazinen auf – wie Aufwand-, Umfang- und auch Qualität der redaktionellen Bilderstrecken nach meinem Empfinden innerhalb der letzten 20 Jahre deutlich zurückgegangen sind. Ebenso bei den Magazinen die mir die Welt erklären (anspruchsvolle Bildreportagen).

    Auf der anderen Seite haben Hobby und Naturzeitschriften in den letzten Jahren einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, weil die sich eher bei den Hobbyisten bedienen und diese wenigstens technisch in größerer Auswahl deutlich besser abliefern können, als noch vor einigen Jahren.

    Das Angebot an Bildmaterial was für mich – auch jenseits meines Hobbys – prägend war, geht immer mehr zurück. Zumindest habe ich Sorge um die qualitative Vielfalt, denn nur die wenigsten Fotos oder Fotografen haben es ja in einen Bildband geschafft oder sind auf diese Art und Weise für ein großes Publikum überhaupt erschwinglich.

    Ja, das Papier als Bildträger wird immer teurer und teilweise ist es auch unsere Geiz ist Geil Haltung, denn als preisbewusster Kunde drücke ich ja zum Beispiel auch den Werbeetat. Die Vorstellung, dass das Web hier den Kostendruck auffangen kann, hat ja leider die Klaumentalität längst widerlegt.

    1. Es ist nicht die „Geiz ist geil“-Mentalität der Endkunden. Die Endkunden hätten nur gerne für ihre Kohle Gegenwert.
      Ich war ja genau im Printmarkt drin. Bücher, Zeitungen. Bis etwa 1998 war der Buchmarkt in Deutschland noch halbwegs „heile“. Dann hatte Amazon eine Marktmacht, die die Barsortimenter (KNO, Libri) in den Buchhandlungen abgelöst hat. Die Buchhändler haben nicht mehr bei KNO oder Libri nachgekuckt, ob was lieferbar ist, sondern bei Amazon. Und was Amazon als „nicht lieferbar“ gelistet hat, war vom Markt. Die ganzen kleinen Verlage, die selbst ausgeliefert haben, waren mit einem Schlag abgeschnitten. Die ISBN war irrelevant. Dann hat Amazon den üblichen Buchhandelsrabatt von 25% auf bis zu 60% gesteigert. Da die Autoren vom Nettohandelsverkaufspreis ihre Tantiemen kriegen, sind die Autorenhonorare auf einmal von wenig auf so gut wie nichts geschrumpft. Bildbände mit geringen Auflagen sind aufgrund hoher Vorkosten überhaupt nicht mehr zu finanzieren. das OM-5-Buch kostet im Einkauf netto fast 30 Euro. Wenn das über Amazon vertrieben werden sollte, müsste ich, festhalten, 150 Euro verlangen.
      Wir haben also Bezos, der die Autoren beraubt und die Verlage werden auch zunehmend von Multinationalen Medienkonzernen geschluckt – und die senken zusätzlich die „Kosten“ – also die Autorenhonorare. Um ihren Profit zu steigern. Gleiches läuft bei den Zeitungen. Die Leute werden immer schlechter bezahlt oder müssen schneller arbeiten. Da wird nicht mehr recherchiert, da wird frei erfunden oder einfach abgeschrieben. Und die Kunden lesen das und stellen fest „Verarschen kann ich mich auch billiger selber“. Und deshalb gehen die Abos in die Knie. Dadurch geraten die Zeitungen in Abhängigkeit von Sponsoren und Werbekunden, die in die Personalien und Artikel hineinregieren. Was den Lesern sauer aufstößt – noch weniger Abokunden.

      Papier ist nach wie vor billig. Das ist Quatsch, dass die Druck- und Papierkosten ernsthaft Endpreise beeinflussen. Ich mache seit mittlerweile 30 Jahren Buchkalkulationen und noch nie waren Farbbücher so billig wie heute. Da wird euch ein Film erzählt. Es ist einfach die blanke Gier der Konzerne, die versuchen, die Preise hochzujubeln, weil ihnen die Auflagen wegbrechen. Denn einfach die Qualität steigern und auf steigende Auflagen hoffen, das geht gaaaar nicht. Qualität sind Kosten. Und Kosten müssen gesenkt werden. Vorstandsgehälter sind natürlich keine Kosten. Die sind Alternativlos.

      1. > Papier ist nach wie vor billig. Das ist Quatsch, dass die Druck- und Papierkosten ernsthaft Endpreise beeinflussen.
        Ich habe mich schon immer gefragt, warum die Preise für ein E-Book dann nicht deutlich günstiger sind.

        1. Damit die Druckauflage verkauft wird. bei vielen Verlagen kriegt der Autor vom E-Book nur Centbeträge. Und E-Books werden teilweise verschenkt. (natürlich ohne dass die Autoren da ein Wörtchen mitzureden haben.) E-Books sind für Verlage eine Lizenz zum Gelddrucken.

        2. Weil der Markt es hergibt. Wenn ein gedrucktes Buch €30 kostet, warum sollte ein Verlag das entsprechende E-Book für €5 verkaufen, wenn die Leute auch bereit sind, €25 dafür auszugeben? Solange die Leute lieber das E-Book haben als €25, sind doch alle Beteiligten glücklich. (Die höheren Preise schrecken natürlich manche Leute vom Kauf ab, aber 10 verkaufte E-Books à €25 sind am Ende immer noch mehr Geld als 45 verkaufte E-Books à €5.)

          Die Kalkulation für das gedruckte Buch ist übrigens prinzipiell genauso. Druck- und Papierkosten sind dafür weitgehend irrelevant, bis darauf, dass das Buch pro Stück in der Herstellung natürlich nicht mehr kosten sollte, als es dem Verlag einbringt, aber das ist nicht so das Problem. Reinhards prächtige bunt bebilderte Bücher sind vergleichsweise aufwendig zu machen, aber einen 400-Seiten-Roman (ohne schwarzweiße oder gar farbige Bilder und aufwendige Typografie wie Tabellen oder Formeln) zu setzen, zu drucken und zu binden kostet pro Exemplar deutlich weniger als die €18 oder so, die übrigbleiben, wenn man vom €30-Ladenpreis Märchensteuer und Marge des Buchhändlers abzieht – und wird günstiger, je höher die Auflage ist. Dafür greift der Verlag dann mit der gebundenen Ausgabe erst mal die Leser:innen ab, die das Buch lesen möchten, wenn es neu ist und alle drüber reden, und denen dieses Vergnügen €30 wert ist; irgendwann später gibt es dasselbe dann als (noch billiger zu produzierendes) Taschenbuch um €10 und dann kaufen diejenigen, die sich für das Buch interessieren, aber denen die gebundene Ausgabe zu teuer war. (Dann wird wahrscheinlich auch das E-Book billiger.)

  4. Ein Teil des Problems ist, dass man vor einem deutschen Gericht nur Schadenersatz bekommen kann für Schaden, der einem auch belegbar entstanden ist. Die Idee des “Strafschadenersatzes”, bekannt aus den Vereinigten Staaten, wo jemand z.B. nach einer Verbrühung durch heißen Kaffee $500.000 zugesprochen bekommt, auch wenn die tatsächlichen Behandlungskosten “nur” $20.000 betragen haben, ist in der deutschen Rechtsprechung unbekannt (auch weil wir sauberer zwischen Straf- und Zivilprozess trennen als die Amis). Statt dessen geht es um “Nachteilsausgleich”: Wenn – in Abwesenheit anderer Belege – eine Markterhebung zu dem Schluss kommt, dass vergleichbare Fotos desselben Motivs für 55 Franken/Euro/… zu haben sind, dann ist es aber schwierig, glaubhaft zu verargumentieren, dass der eigene Nachteil das Sechzigfache betragen soll. (Dass es empörend ist, wenn das beklagte Unternehmen das Foto von Alain D. einfach mopst, statt von Anfang an ein paar Franken für ein ähnliches, mutmaßlich problemlos rechtmäßig erhältliches Foto in die Hand zu nehmen – wenn 55 Franken/Euro/… der “Mittelwert” waren, dann muss es ja vermutlich auch noch günstigere Angebote gegeben haben –, steht auf einem anderen Blatt. Das zu ahnden ist aber nicht Sache des Zivilgerichts.)

    Daraus jetzt abzuleiten, dass der unberechtigten Verwendung von Fotos nunmehr Tür und Tor geöffnet sind, greift eventuell aber doch etwas zu weit. Wie so oft dürfte es im Einzelfall auf den Kontext ankommen: Was ist auf dem Foto zu sehen, wie “kreativ” ist es dargestellt (d.h., wie sehr hebt es sich von der günstigen “Massenware” ab, mit der das Internet geflutet ist), und in welchem Zusammenhang wurde das Foto (unberechtigt) verwendet? Den Gerichten wird die Arbeit also nicht so schnell ausgehen. Man darf schließlich auch nicht vergessen, dass zumindest die vorsätzliche Urheberrechtsverletzung eine Straftat darstellt, die mit Geld- oder gar Freiheitsstrafe bewehrt ist. Auch wenn die meisten Urheberrechtsverletzungen eher zivilrechtlich verfolgt werden (wo Vorsatz nicht bewiesen werden muss), steht diese Möglichkeit – jedenfalls bei krassen Fällen – im Raum.

  5. Die Klage scheint nicht sorgfältig geschrieben worden zu sein. Das Bundesgericht kann nur würdigen, was drin steht und was auch belegt wird. Der Kläger hat offenbar keine verwertbaren Beweise geliefert, weshalb das Bild CHF 3’920 wert sein soll. Er hat auf Branchenüblichkeit verwiesen ohne Belege. Das Foto wurde auch nicht neu angefertigt, es wurde kopiert. (Warum der Fotograf das Foto in verwertbarer Auflösung eingestellt hat, ist sein Geheimnis.)

    Die Klage basiert nicht auf dem Urheberrecht, sondern auf dem Obligationenrecht (Schadenersatz). Hier muss man zwingend nachweisen, welcher Schaden entstanden ist. Das hat der Kläger nicht getan. Er hat nur geltend gemacht, dass er für einen solchen Auftrag CHF 3’900 verlangen würde. Das Luftbild wurde schon vorher für jemand anderen erstellt, das heisst, der Aufwand ist früher entstanden und ist schon abgegolten. Durch die weitere (illegale) Nutzung des Bildes ist kein Schaden in solcher Höhe entstanden. Das Bild wurde von der Homepage des Fotogragen heruntergeladen und nach einer Beanstandung sofort entfernt. Das Herunterladen war eine Verletzung des Urheberrechts, was aber mit Schadenersatz nichts zu tun hat.

    In Amerika sind die Anwälte prozentual an der gewonnen Klagesumme beteiligt. Das ist sicher ein Grund für die absurden Beträge, die gefordert werden. Für 30% der 500 000 für den Kaffee kann man schon mal eine Klage verfassen.

    Das Fotografen-Urteil ist das eine. Was aber auffällig ist, dass in den 49 Kommentaren bei „digitec Meinung“ und bei sehr vielen bei „Tagesanzeiger“ dazu fast alle schreiben, welche Sauerei das Urteil sei, das sei der Beweis, dass man den staatlichen Institutionen nicht mehr trauen könne und dass man keine Fotos mehr für den Verkauf anfertigen könne oder man nun alles verwenden dürfe und sich mit 55.- aus Klagen befreien könne. Ganz viel Meinung und sehr wenig Ahnung. Kaum jemand der Schreiber hat das Urteil gelesen. Die sogenannte Volksseele soll kochen, mit der gesetzlichen Realität muss es nichts zu tun haben. Der Weg wäre, dass man den politischen Weg gehen müsste, wenn man ein Gesetz ungerecht oder unvollständig findet. Alles andere ist Betroffenheitsverurteilung und hat nichts zu tun mit demokratischen Prozessen. Entsprechende Energien laufen auch bei der Rammsteinthematik ab. Es müsste eine Klage geben mit Beweisen, dann eine gerichtliche Beurteilung und schliesslich ein Urteil, ev. über mehrere Instanzen. Es gibt aber viele aufgeregte Stimmen, die aufgrund eines Twitterbeitrags ein Verbot der Konzerte verlangen. Man mag vom Sänger wie auch immer denken, wir leben nun mal nicht mehr mit Lynchverfahren oder unbewiesenen Vorverurteilungen. Wer sich für solche Gesellschaftsformen begeistert, macht mir mehr Angst als Übergriffigkeit, die in Songtexten angekündigt ist und in Videos demonstriert wird.

    Direktlink zum Urteil: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza://21-04-2023-4A_168-2023&lang=de&zoom=&type=show_document

    1. Das mit der Branchenüblichkeit war lange Zeit Usus in Deutschland/Schweiz. Eben die berühmte MFM-Liste. Die galt als Richtschnur, denn mit der Argumentation „Der Aufwand war ja schon entstanden“ ist jeglicher Bilderklau billig. Hobbyisten können grundsätzlich keinen Schaden geltend machen, weil sie ihre Bilder ja normalerweise gar nicht verkaufen.
      Dass eben ein Gericht diese Listen über Bord wirft und auf den Einzelfall abstellt, ist neu. Bei den Raubkopierprozessen der Major Label wurden noch problemlos astronomische Schadensersatzforderungen akzeptiert. (Auch dort war ja der Aufwand bereits entstanden.)
      Im Nachhinein ist es natürlich einfach, dem Fotografen anwaltliche Fehler vorzuwerfen. Wenn man gewusst hätte, hätte, Fahrradkette.

      Bezüglich der demokratischen Prozesse: gerade in der BRD gab es bei den diversen Reformen des Urheberrechts immer wieder Bürgerinitiativen, Petitionen und Kampagnen. Also sehr demokratische Prozesse. Leider haben sich die Lobbyisten der Majors durchgesetzt. Sämtliche Petitionen und Initiativen sind nicht mal zur Kenntnis genommen worden. Es gibt ein Gesetz, das die „angemessene Vergütung“ der Urheber vorschreibt. Geile Wurst. Die Verlage haben dann einen kleinen Absatz reingeschrieben „außer die geringere Vergütung ist branchenüblich“. Damit ist jeder Verleger, der freiwillig mehr zahlt, Feind. Weil er die „Branchenüblichkeit“ der Hungerlöhne gefährdet. Das Urteil in der Schweiz ist genau die Nummer. „Branchenüblichkeit“ vor „Angemessen“.

      1. “Bei den Raubkopierprozessen der Major Label wurden noch problemlos astronomische Schadensersatzforderungen akzeptiert. (Auch dort war ja der Aufwand bereits entstanden.)”

        An der Stelle sollte man sich dran erinnern, dass die “Raubkopierer” zivilrechtlich in der Regel nicht dafür belangt werden, dass sie etwas runtergeladen haben, sondern dafür, dass sie das Heruntergeladene per Peer-to-Peer-Tauschbörse an Dritte weitergereicht haben (mitunter ohne sich dessen bewusst zu sein). Ersteres ist nicht leicht gerichtsfest zu beweisen, letzteres schon eher.

        Mit dem “entstandenen Aufwand” hat das nichts zu tun und damit kann man vor dem Kadi auch keinen Blumentopf gewinnen. Der “Schaden”, um den es letztendlich vor Gericht geht, ergibt sich vielmehr aus dem x-fachen Verkaufserlös für den Track, der dem Label angeblich entgangen ist, weil der Raubkopierer den Track ja x-fach weiterkopiert hat. Der Wert von x ist dabei mehr oder weniger fiktional, da schwer definitiv zu bestimmen, aber die betreffenden Anwälte wissen schon so ungefähr, womit sie durchkommen können.

        Was “angemessen” vs. “branchenüblich” angeht: Wer entscheidet, was “angemessen” ist? Der höchste Preis, den ein Käufer zu bezahlen bereit ist, muss mindestens so hoch sein wie der niedrigste Preis, den ein Anbieter akzeptieren kann. Innerhalb der resultierenden Bandbreite kann man sich einigen. Wenn ein Anbieter konsistent immer nur weniger geboten bekommt, als er einnehmen muss, um über die Runden zu kommen, dann ist das auf Dauer nicht nachhaltig und er wird sich wohl oder übel ein anderes Auskommen suchen müssen. Das funktioniert für das Verhältnis zwischen Autor und Buchverlag ganz genauso wie für das Verhältnis zwischen Buchverlag und Leser. Man kann jetzt darüber lamentieren, wie die Buchverlage die Autoren knechten und kurz halten, aber ohne Autoren steht auch ein Buchverlag dumm da. Wenn den Autoren die “branchenübliche” Vergütung nicht “angemessen” vorkommt, dann liegt das also vielleicht nicht ausschließlich an den Verlagen.

        (Ich bin für meine Bücher immer am oberen Ende der “Branchenüblichkeit” bezahlt worden, was ich jetzt nicht unbedingt “unangemessen” fand. Auf der anderen Seite habe ich die Bücher geschrieben, um dem Publikum was Interessantes zu erzählen und mein Ego zu streicheln – wer sieht sich schon nicht gerne als Autor genannt? –, nicht weil ich davon leben muss. Deswegen ist meine Wahrnehmung da möglicherweise nicht repräsentativ.)

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