Ich hab’s ja angekündigt. Wir sprechen heute mal über „Freistellung“. Das ist das, weswegen sich die Leute große Sensoren und lichtstarke Objektive kaufen. Wegen der „Freistellung“. Weil das ja nur damit geht. Angeblich.
Freistellung bedeutet nichts anderes als „Hauptmotiv vom Hintergrund trennen“. Die Standardmethode der Materialschlachter ist, einen Kleinbildsensor und ein möglichst lichtstarkes Objektiv. Damit sinkt die Schärfentiefe und damit wird auch der Hintergrund unschärfer – und über Unschärfe kann man den Hintergrund vom scharfen Vordergrund trennen:
Oben Blende 2,8 – unten Blende 6,3. Man sieht deutlich die verbesserte Freistellung. Oder nicht? Eben. Damit die Mädels im Hintergrund richtig unscharf werden, muss ich die Schärfentiefe so klein machen, dass der Hut im Vordergrund nicht mehr scharf wird. Suboptimal. Man kann aber nicht nur mit der Blende freistellen. Sondern auch mit der Brennweite. Das funktioniert aber nur dann, wenn der Hintergrund deutlich weiter weg ist. Bei dem Setup hier klappt das nicht, kuckst Du:
Oben 25mm, unten 150mm, jeweils f/2,0. Also Brennweite und Blende sind es zum Freistellen nicht so unbedingt. Was hilft dann?
Licht. Freistellen mit Licht ist ein Klassiker und geht mit allen Objektiven und Sensorformaten. Muss man ja nicht so krass machen, wie hier.
Kontraste. Ob man jetzt, wie hier, schwarz/weiß nimmt, oder irgendwelche Farbkontraste – wenn man die Kontrolle über das Motiv hat, ist das eine simple Möglichkeit.
Strukturen. Freistellung durch kontrastierende Strukturen. Wenn man ein kleinkariertes Sakko mit kleinkariertem Mann drin hat, machen sich Querstreifen dahinter gut. Olympus hat da am Playground mal wunderbares Anschuungsmaterial bereitgestellt:
Bei entsprechender Haltung und dem ArtFilter „Gemälde“ konnten die Personen nahezu im Bild verschwinden. Nun hat man aber nicht immer diagonal gestreiften Hintergrund parat. Deswegen ist die einfachste Möglichkeit, freizustellen, schlicht Abstand.
Hier habe ich Emma schlicht einen Meter hinter Elke gestellt. Der Rest ist identisch.
Ich sehe so oft Hochzeitsfotografen, die ihre Porträtopfer direkt vor einen Busch oder eine Wand stellen, obwohl ein oder zwei Meter Abstand locker möglich wären. Sie haben die dicken DSLR-Vollformater mit der großen Tüte – aber dass ein bisschen ganz billige Luft ihnen zu besseren Bildern verhelfen würde – das dringt irgendwie nicht durch….
Also: Freistellung ist kein technisches, sondern ein handwerkliches, ein fotografisches Thema. Hausaufgabe: Motive trennen. Zwei Tomaten voneinander, drei Äpfel und drei Bananen, ein Frotteehandtuch und ne Unterhose in gleicher Farbe. Wenn’s geht, bitte frisch gewaschen.
PS: Ein „Freisteller“ ist im grafischen Bereich ein Motiv vor weißem (oder seltener schwarzem) Hintergrund, das dann ohne großen Aufwand in ein Layout eingefügt werden kann. Das Motiv muss für einen Freisteller durchgehend scharf sein, weil man unscharfe Bildteile mangels Kontrastkante nicht sauber vom Hintergrund trennen kann. Hier gewinnt man mit „Freistellen“ mittels knapper Schärfentiefe keinen Blumentopf.
Habe meine Hausaufgabe gemacht: mit 4 Bananen und 4 Äpfeln (und mit handy… ;-),
jedoch wie bekomme ich das Bild hochgeladen?
Zitat:
„Ich sehe so oft Hochzeitsfotografen, die ihre Porträtopfer direkt vor einen Busch oder eine Wand stellen, obwohl ein oder zwei Meter Abstand locker möglich wären. Sie haben die dicken DSLR-Vollformater mit der großen Tüte – aber dass ein bisschen ganz billige Luft ihnen zu besseren Bildern verhelfen würde – das dringt irgendwie nicht durch….“
Der Fehler ist in sehr vielen Fällen hinter der Kamera zu suchen ;=)
Vielen Dank für die schöne Artikelserie – lerne immer etwas dazu!
LG + bleib gesund!
Wo dann wieder mehr Brennweite hilft ist der Effekt, dass bei engeren Bildwinkeln weiter entferntes weniger weit entfernt empfunden wird (weil vergleichsweise größer). Dann sieht der Hintergrund näher und unscharf aus. Das verdichtet den Effekt. Da sind wir aber schon beim nächsten Thema, Perspektive …
Wenn man sich die Definition von „DoF“ oder „Schärfentiefe“ ansieht, dann kommt der Parameter „Sensorgröße“ da nicht vor. Verantwortlich sind u.a. Brennweite, Blende und Abstand zum Motiv bzw. den freizustellenden Komponenten im Bild. Bei einer Brennweite von 50mm und Blende 2.8 ist die Schärfentiefe bei mFT genauso groß wie bei 35mm.
Erst wenn ich mit einem 35mm Objektiv den gleichen Bildausschnitt realisieren will, wie mit einem mFT Objektiv, muss ich die Brennweite verdoppeln, mit dem Effekt, dass die Schärfentiefe deutlich enger wird. Das liegt dann aber an der Brennweite des Objektivs!
Klar, das mag jetzt wie die Diskussion um des Kaisers Barthaare klingen, aber mir hat dieser Zusammenhang geholfen.