Ich kriege hin und wieder Mails des Inhalts “XY hat behauptet dass – was hältst Du davon.” Diesmal ging es um einen YouTube-Video von Robin, der die Tatsache, dass er ein mieses Stativ hat, das ohne Stabi unscharfe Bilder liefert, als bahnbrechende Neuigkeit verkauft.

Fakt ist:

Zu Zeiten von “festen Stabis”, also Stabis, bei denen der Sensor rein mechanisch bewegt wurde, war ein eingeschalteter Stabi am Stativ keine gute Idee. Gerade bei Metallstativen mit Mittelsäule konnte sich die Vibration des Stabis auf das Stativ übertragen und das System kam in Resonanz, so dass die Kamera/Stativkombi bei Langzeitbelichtungen brummte wie ein Trafo bei dem Bleche lose sind. Und natürlich die resultierenden Bilder grob unscharf waren.

Als Beispiel, wie das hinterher aussieht, hier zwei Nachtaufnahmen des Senders Dillberg. Wie der bei Tag aussieht, sieht man oben, bei Nacht mit der E-3 (!) und Stativ ohne Stabi mit 130mm Brennweite und 30s Belichtungszeit sieht das so aus:

Das ist nicht wirklich scharf, was vor allem daran lag, dass es etwas gewindet hat und sich der Sender bewegt hat. Und diese Plattform etwa auf hundert Meter Höhe ist. Mit eingeschaltetem Stabi sah das so aus:

Während der Belichtungszeit von 60s dachte ich schon, die Kamera zerlegt sich, so hat das gebrummt. Im 100%-Crop erkennt man deutlich Dreifachkonturen.

Olympus kam dann auf die glorreiche Idee, für die E-M5 einen freischwebenden Stabi zu bauen. Da übertrug sich nichts mehr auf das Stativ und siehe da, von Stund an konnte der Stabi immer an bleiben.

Wenn man ein stabiles Stativ verwendete, dann gab es eigentlich keinen Unterschied mehr zwischen den Aufnahmen mit und ohne Stabi.

Nimmt man nun so eine “Haltehilfe”, wie sie gerne als “Reisestativ” angeboten wird, mit so Teilen, die als “professioneller Kugelkopf mit mindestens einer halben Tonne Tragkraft auch für die größten Spiegelreflexkameras” versehen sind, dann sollte man natürlich tunlichst den Stabi einschalten. Die Köpfe sinken nach, die Stative schwanken schon vom Hinpusten und wenn man neben dem Stativ mit kalten Füßen von einem Bein auf das andere tritt, wackelt oben die Knipse. Stabi an.

Oder ein anständiges Stativ und guten Kopf kaufen und schleppen. Dann ist es egal, ob Stabi an oder aus. Zumindest bei den aktuelleren Oly-Kameras der letzten zehn Jahre.

In meinen älteren Büchern zu den Spiegelreflexen habe ich immer geschrieben: Stabi aus! Ich habe das mit jeder Kamera getestet und entsprechend dann im Text auch geschrieben. Als dann die E-M5 rauskam, war kein Unterschied mehr sichtbar – und seitdem schreibe ich, der IS-Auto kann eigentlich immer an bleiben. Außer man will irgendwelche speziellen Effekte erzielen, die der IS-Auto nicht zulässt. Halb verwischte Bilder zum Beispiel.

Bei sowas wird eben einfach die Kamera verrissen. Am Anfang kann der Stabi noch mithalten, dann gibt er auf und es kommt zu diesem Wischeffekt. Geht ohne Stabi oder mit Auto-IS nicht, weil der Auto-IS erkennt, dass die Kamera geschwenkt wird, und den Stabi in der Schwenkrichtung abschaltet.

7 Replies to “Stativ und IS”

  1. Vielen Dank für diese Erklärung! Weil das war bei mir eine schon lange herumlungernde Frage, für die ich bisher noch keine guten Antworten gefunden hatte.

    Aber hatte die erste M10er dann auch schon die freischwebende Variante?

  2. Vor den Schwingungen ist man am besten mit einem (oder mehreren) Stativ(en) aus Eschenholz geschützt. Metall und Carbon dämpfen nicht so gut.
    Die Reverenz dafür ist und bleibt Berlebach…

    LG Andreas

    1. Das war auch meine Einschätzung. Ich nutze selbst zwei Stative von Berlebach und bin sehr zufrieden. Reinhard kann aber von anderen Ergebnissen berichten:
      “Ergebnis: Bei beiden Stativen sind deutliche Schwingungen zu sehen, beim Sachtler etwas weniger als beim Berlebach. Nun haben wir den ACE runtergenommen und das 300er direkt auf den Stativen befestigt. Die Schwingungen wurden etwa auf 20% reduziert, aber auch hier war das Sachtler besser. Fazit: Solide (!) Carbonstative sind eine Macht. Sie sind nicht wesentlich leichter als Holzstative, doppelt so teuer, aber besser.”
      Nachzulesen auf https://pen-and-tell.de/2016/10/das-treffen-der-langen-tueten/
      Fraglich ist, ob man mit einem nochmals teureren Berlebach Uni statt eines Report wieder gleichgezogen hätte. Bei der Masse allerdings sicher nicht.
      Ich bin mit dem Report sehr zufrieden und würde es vorbehaltlos weiterempfehlen.

      1. Es geht hier um Grenzbereiche, die im Normalfall nie erreicht werden. Hier wurden die Stative auf einen schwingenden Holzboden gestellt und dieser absichtlich zum Schwingen gebracht. Und das Ganze mit einem 300mm f/2,8 (!) um überhaupt irgendwas messen zu können. Bei solchen Aufbauten macht selbst die Länge der Stativschelle was aus. Masse ist durch nichts zu ersetzen. Carbon hat bei gleicher Masse eine bessere Dämpfung als Esche, aber der Punkt ist halt “gleiche Masse”. Ums Schleppen kommt man nicht rum.

  3. Ich halt es nach wie vor so, dass ich den Stabilisator dem jeweiligen Zweck anpasse. Ist ja schnell gemacht.
    Aber gut zu wissen, das die Automatik meist zuverlässig funktioniert, wenn man vergisst 😉

    Also am Stativ aus und bei Langzeitbelichtung (Sternenhimmel) Auslöseverzögerung 4sec nehmen ich da üblicherweise weil es bislang auch bei meinen wackeligen Stativen reichte.

    Da verlass ich mich einfach nicht auf die Automatik, dass sie mir rein spucken kann. Will da nicht eine der seltenen Nächte wo alles passt, verlieren. Es gibt ja noch jede Menge andere Sachen, die sie trotzdem zu Nichte machen.

    Siegfried

  4. Seit der ersten E-M1 lasse ich den Auto-IS quasi permanent eingeschaltet. Ausnahme: Mitzieher. Selbst bei Makros vom Stativ bleibt Auto-IS auf on. Bei mir ist die Gefahr der Verwacklung weil ich vergesse den Stabi wieder einzuschalten um ein Vielfaches größer…
    Gruß aus HH
    Achim

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