Essay: OM-1 oder G9II?

Ich habe ja vor ein paar Tagen im Auftrag eine Familienfeier mit der G9II fotografiert und hatte den bösen Fehler begangen, keine Oly mitzunehmen. Da saß die Familienpatriarchin und ich hatte eine Kamera in der Hand, die entweder unscharf (meistens) oder brutal überscharf macht. Keines von den beiden Ergebnissen ist vor Ort präsentabel. „Kuck ma Oma, der dolle Fotograf hat dich geknipst, willste ma sehen?“ Mit den Bildern aus der G9II gewinne ich da keinen Blumentopf. („Dat macht mein Händi aba bessa“)

Mit der OM-1 haue ich nen Weichzeichner drauf und dann kann ich die Bilder auch der Omi zeigen und die findet das gut. Es kuckt nicht so gebügelt wie aus dem Smartphone aus, aber es ist nicht so brutal, das man am liebsten gleich den Bestatter anrufen und den eigenen Sarg bestellen will. Also genau richtig.

Mama Joe, Sioux-Frau. und geniale Patchworkerin. Ein Jahr nach dem Foto gestorben.

Ich habe auf Seminaren immer mal wieder behauptet, ich würde nie wieder eine Kamera kaufen, die keinen ArtFilter „Softfokus“ drin hat. Das war immer so halb im Spaß gemeint. Mittlerweile ist mir das tödlich ernst. Junge Leute kann man damit jagen – die finden das voll kitschig (und wenn man dann sagt „kein Problem, löschen wir und machen es scharf“, dann sagen sie „ne lass ma, passt schon“ und schieben sich dann das Bild heimlich aufs Handy). Aber sobald man auf Leute auf der blöden Seite der 50 losgeht, muss der Softfokus in der Kamera sein.

Aber die G9II hat doch so tolle „LUT“s die man auf die Kamera laden kann? Ja. Das sind Farbersetzungstabellen. Abgesehen davon, dass Panasonic keine Tools liefert, um diese LUTs zu bauen, kann man damit Farben ersetzen und Helligkeiten generell anpassen. Aber zum Beispiel eben keinen Mikrokontrastausgleich. Die Artfilter sind da ne andere Nummer. Aber kann man doch hinterher, am PC….? Ja klar, aber wenn nun jemand vor Ort was sehen will? Die Leute sind es gewohnt, dass sie sofort Ergebnisse sehen können. Und zwar Ergebnisse die gut aussehen. Schließlich haben alle Smartphones.

Und ganz nebenher war ich die letzten Tage mit der OM-1 wieder unterwegs. Fehlfokus? Nö. C-AF auf den Punkt, Modellfliegerei bei Sturm – weia werden die Dinger schnell – alles kein Problem. Schlechtes Licht, Gegenlicht, brutaler Wind und lange Brennweiten, dunkle Umgebung, FTs, das ganze Programm. Die OM-1 hat geliefert. Einfach so. Und wenn ich Serienbilder gemacht habe, war der Puffer sofort wieder frei – kein Vergleich zur G9II, bei der man einfach nur wartet und betet, dass in der nächsten Minute nichts passiert, was man knipsen muss. (Wobei das auch egal wäre, weil man bei der G9II auch knipsen kann, während der Puffer noch weggeschrieben wird. Aber man kann halt die Bilder nicht kontrollieren, solange noch geschrieben wird.)

Hauke Fischer hat zwei Blogposts zum Thema Bildqualität geschrieben, (Hier und Hier) wo er behauptet, es mache doch keinen Unterschied, mit was man rumrennt, Hauptsache, man beherrscht sein Werkzeug. (Und ganz nebenbei erwähnt er auch Olympus als eine Kamerafirma, die es draufhat, praktische Funktionen wieder aus der Kamera zu entfernen.) Im Prinzip stimme ich ihm natürlich zu. Dieses ganze AI-Zeug ist im augenblicklichen Stand der Technik guten Bildern nicht zuträglich. Wenn ich mich um die Bildaussage kümmere und sorgfältig fotografiere brauche ich keinen AI-Autofokus, der mir ein Mädel auch von hinten erkennt und scharf stellt. (Übrigens ganz lustig in den Werbevideos (!!!) zur OM-1II, da erkennt die „KI“ zuverlässig ein Auge des Mädels, das sich umdreht, nur halt blöderweise irgendeines und nicht notwendigerweise das der Kamera nähere Auge. Was ein ziemlicher Fail ist. Denn entweder die Schärfentiefe reicht nicht durch das Gesicht – dann ist der Fokus auf das falsche Auge ein ruiniertes Bild – oder die Schärfentiefe reicht, dann ist die ganze Augenerkennung für die Füße….) Aber gerade in dem Bereich, in dem ich fotografiere, macht die OM-1 halt doch einen Unterschied.

Klar, kann sein, dass die Sonys das alles besser können. Ich hatte ein paar Sonys in der Hand und sollte mal ein Buch drüber schreiben. Was dabei rausgekommen ist, hat man hier gesehen. Die Sonys sind hässlich, die neuen Versionen vor allem Firmwareupdates und das „Global Shutter Trumm“ ein reines Marketingding. (Und auch die Marketingleute von Sony sind zu doof, ihre eigenen Texte zu verstehen: “ erreicht die Alpha 9 III eine maximale Verschlusszeit von 1/80.000 Sek.“ Wenn das die maximale Verschlusszeit ist, dann frage ich mich, was man mit der Knipse fotografieren will – außer der Sonnenoberfläche) Und nur um mal den Mythos der „idealen Sportkamera“ zu killen. Eine Sportkamera ballert die Bilder direkt auf den Server. Dort sitzt ein Dispatcher und schiebt die Bilder sofort zum Verkauf. Wenn da nun einer daherkommt und jede Szene beim Länderspiel mit 120fps macht, dann kommt in der Halbzeitpause der Dispatcher an den Spielfeldrand und macht den Fotografen nen Kopf kürzer. Wenn man nicht knipsen kann, dann soll man es tunlichst bleiben lassen oder zumindest nicht anderen Leuten damit auf den Wecker gehen. Die OM-1 macht auch 120fps. Schon seit Jahren. Ich knipse Sport mit maximal 25fps. Meistens weniger. Irgendwer muss das sichten und rechtzeitig in die Redaktion schicken. (Interessant auch hier wieder die Lobeshymnen der „Fachpresse“, die Angst haben, dass sie von den Herstellern nicht mehr mit Vorabexemplaren beliefert werden.)

Photography Playground 2014 in Köln

Der Versuch, die „Feature-Krise“ durch KI zu bekämpfen, ist Blödsinn. Weiß die Kamera, was ich fotografieren will? Nein. Der ganze KI-Ansatz ist bei innovativer Fotografie von vornherein zum scheitern verurteilt. KI in der Fotografie ist vom Massengeschmack trainiert. Man kann Fotos machen, die zigtausend andere auch schon gemacht haben. Niemand hat Hühner fotografiert, also scheitern die Kameras an Hühnern. (Die G9II ist das keine Ausnahme.) Man hat Millionen von Fotos analysiert um einen stets passenden automatischen Weißabgleich zu bauen. Nur passt er halt nicht bei Fotos, die nicht in Millionen vorkommen.

Das Problem: wenn ne Million Fotografen schon Seeadler mit nem Fisch im Maul geknipst haben – wo ist der Punkt, da der Millionundeinste zu sein? Mit Pinguin-Fotos kann man die Straßen pflastern und der CO2-Ausstoß der Flotte an Pinguin-Fotografen-Luxus-Expeditionsdampfern erreicht mittlerweile den von 5 Millionen Autos.

Es ist alles schon fotografiert? Nein. Es gibt Häuser, die nie jemand anständig fotografiert hat, bevor sie abgerissen wurden. Es gibt Menschen, die wurden nicht fotografiert, weil man dachte, man spart sich das Geld für nen anständigen Fotografen und dann sind die Menschen tot. Es gibt Millionen von Dingen, die Bedeutung haben. Und von denen die KI keine Ahnung hat.

Deshalb sind wir Menschen. Und wenn wir machen, was die KI will, dann kann uns die KI ersetzen.

Titelbild: Sensorreinigung bei der G9II nach Handbuchanweisung. Man nehme einen handelsüblichen Fön…

12 Replies to “Essay: OM-1 oder G9II?”

  1. Die E-M1 II bekam per Update nachgereicht, dass die Tasten beim Wegspeichern des Puffers funktionieren. Bei der E-M1 viel mir das nicht negativ auf, erst bei der E-M1 II. Vielleicht konnte die Ur-E-M1 das aber auch. Die OM-1 II soll angeblich auch das Speichern in einen nur teilentleerten Puffer ernöglichen. Habe ich leider nicht bei der Vorstellung in Berlin am 01.02. getestet.

    Viele Grüße
    Frank

      1. Beruhigend 😉
        Bei der E-M1X kann ich den Vorgang der Speicherkartenzugriffsanzeige (Symbol rote Speicherkarte mit Pfeil) einfach durch einen Durck auf den Auslöser unterbrechen. Bei der E-M1 II hatte das ja anfangs leider nicht geklappt und man durfte warten, bis das Symbol von allein verschwand. Mich hat daher erstaunt, dass das an anderer Stelle nun erneut für die OM-1 II diskutiert wurde. Dachte daher, auch nach der Beschreibung dieses Vorgangs von Dir hier in Bezug auf die G9II, dass die OM-1 da ebenfalls zickig war.
        Dankeschön für die Klarstellung
        Frank

  2. Hallo Reinhard, Du hast mir etwas zum Schmunzeln an einem regnerischen, grauen Tag beschert.
    Mit Kopfschütteln und Grinsen verfolge ich, ohne dort Mitglied zu sein, die „Diskussionen“ im sog. Werksforum, in denen es darum geht, dass immer noch nicht endlich die Erkennungsmechanismen für alle möglichen Piepmätze, Flauschtiere, Fahrräder, Tennisbälle etc. in die OM-1 und das Nachfolgemodell implementiert sind und wie sehr dieser Zustand bejammert wird. Wenn dann alles nichts mehr hilft, wird auch schnell noch einmal eine Äquivalenzdiskussion Version 35.2 angezettelt. Bis auf sehr wenige Ausnahmen ist das Lesen der Beiträge verschwendete Zeit, aber man kann ja nicht nur im Regen draußen rumlaufen und fotografieren. Manchmal braucht man auch eine Pause beim Lesen eines Buches und dann schaut man halt ins Werksforum, um den Kreislauf etwas in Schwung zu bringen.
    Aber mal ernsthaft, ich frage mich, habe mir gerade noch mal ein paar Bilder angesehen, wie ich es beispielsweise 2018 auf Island geschaftt habe, scharfe Aufnahmen von Eissturmvögeln im Flug mit meiner damaligen E-M1.1 und dem 75-300 zu machen. Sicher geht das inzwischen mit der OM-1 und dem 300er komfortabler, wäre ja auch rausgeschmissenes Geld , wenn nicht, aber das Genöle über nicht implementierte Features löst nur Bedauern für die armen Kamerabesitzer aus.
    Wenn ich übrigens mal für Freunde auf privaten Feiern fotografiere, dann ist angesichts des Alters der Gäste, mich eingeschlossen, schon öfter mal der Einsatz von Weichzeichnerfiltern, spätestens in der Nachbearbeitung, angesagt, sonst sinkt die Akzeptanz der Bilder „Das bin ich aber doch nicht wirklich, oder?“
    Hier regnet es nach dem nächtlichen Schneefall immer noch und ich warte auf Wetterbesserung, sonst muss ich weiter Piepmätze an der Fütterung fotografieren, geht auch durch das m.o.w. verschmutzte Fenster (Sand und Salz hinterm Deich).
    Beste Grüße von der Nordseeküste und nochmals Dank für den gute Stimmung bei mir erzeugenden Essay.

    H.

    1. Ich kannte das Video noch nicht, aber leider hat er einen ganzen Schwung Fehler gemacht. Er hat ein 35mm-Objektiv mit einem 600mm Objektiv verglichen. Er hat nicht berücksichtigt, dass das, was er aus der E-M5III rausbekommen hat, ebenso wie das aus der Sony kein optisches Ergebnis ist, sondern eines aus einer Rechenvorschrift, die gerade bei Siemenssternen gerne digital optimiert. Die „1000MP“-Kamera ist blanker Clickbait- die kommt überhaupt nicht zum Einsatz. Der HighRes-Shot wird nicht mit vier Bildern, sondern mit acht Bildern gemacht. Auch hier sind die Ergebnisse mit späteren Generationen deutlich besser. Der HighRes-Shot der E-M1X ist lange nicht so gut wie der HighRes-Shot der OM-1. Der Zerstreuungskreisdurchmesser, ab dem Unschärfen auftreten, ist nicht der Pixelpitch, sondern der doppelte Pixelpitch. Also 0,0066mm bei mFT. Dass er von den Beugungseffekten überrascht war – erstaunlich, wo er doch genau weiß, welchen minimalen Zerstreuungskreisdurchmesser ein Objektiv liefert, von dem er keinerlei Daten hat. Kein Wort zu beugungsbegrenzten Objektiven oder so.
      Seine prinzipielle Aussage: Das Objektiv ist bezüglich der Bildqualität allein wichtig, ist auch „schwierig“. Durch die heutige großflächige digitale Optimierung der optischen Leistung der Objektive ist leider auch die Signalverarbeitung in der Kamera extrem wichtig – ich habe das beim Vergleich G9II und OLy festgestellt. Und ja, natürlich sind gute Objektive besser – warum fotografiere ich mit den FTs? – aber die Unterschiede betreffen längst nicht mehr die schiere Linienauflösung – das wird längst digital gepusht – sondern Farbauflösungen. Und das Problem hat er eben gar nicht angesprochen.

      1. Danke für deinen Kommentar. Für mich mit meinem eingeschränktem technischen Verständnis klangen seine Kommentare durchauf seriös.
        Liebe Grüße,
        Manfred

  3. Also, ich hab die OM1 wegen der (KI-)Vogelerkennung (da funktioniert dss Tracking dann nämlich) und wegen der 120fps gekauft. Außerdem wegen Pro Capture, das gabs lange Zeit ja überhaupt nur bei den Olys.
    Wildlife ist für einige Fotografen ein Broterwerb (wenn auch bei mir nur Hobby) das ist durchaus ernst zu nehmen.
    Bei den Hobbyisten gehts nicht nur um das millionste Eisvogelfoto, sondern ums Draußen sein, beobachten und dann eben auch ums Foto.

  4. a) The AI AF modes are here for ppl, who dont want to learn proper shooting technique. Just turn on the AI AF mode and point it to a bird/animal/human… And you have it.
    b) If you are a clever photog, use it when neccessary and learn when it works.
    c) On a consumer camera market you have to deliver these functions, because competition has them already. To lose a customer, or not? That is the question. It is like saying, that manual focus is good enough and there is no need for AF. AI is the future and as ppl get dumber, they will appreciate it.

    1. Ja, aber!

      Dies ist Reinhard und da muss man auch den hinterlegten Sarkasmus kennen und einfach mal lachen und loslassen.
      Wenn ich in den anderen Foren lese, wie viele die Kameras bashen, weil das gewünschte Ergebnis nicht automatisch erscheint und wie wenig wir Amateure die Kamera beherrschen, dann ist doch klar: Entweder lerne ich zu fotografieren und verstehe möglicherweise wann eine Kameras was hinbekommen kann und nutze das für meine Zwecke. Ganz klassisch also.
      Andererseits kann ich auch die speziellen Kameraeigenschaften ausnutzen mit dem, was geht. Dann muss ich aber die Funktionen alle genau kennen und wissen in welcher Situation welche Funktion wie wirkt und welche technischen Möglichkeiten bestehen. Wenn ich dann die Bilder am PC durchsehe, werde ich merken, dass das eben nicht immer der Fall ist / sein kann. Vor lauter Gewurstel vergesse ich dann den Modus zu wechseln und die nächsten Bilder unter anderen Bedingungen misslingen natürlich – so geht es mir, und wahrscheinlich nicht nur mir.
      Smartphones können das natürlich alles von allein? Ja, mit dermaßen kurzen Brennweiten und quasi Fixfokus und fast unendlicher Schärfentiefe gelingt fast jedes Bild, ist aber auch dem „Einerlei“ ausgesetzt sofern es aus der Hüfte geschossen wird und die Bildwirkung nichts außergewöhnliches bietet.
      Also Kamera hin, Kamera her, OM System oder anderer Hersteller der Fotograf dahinter macht das Kunstwerk.

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