Ich weiß ja nicht, wer von euch fefe liest. Der hat vor kurzem einen Artikel von Corv Doctorow verlinkt. Ich hatte schon überlegt, den zu übersetzen und dann hier 1:1 zu posten. Aber ich denke, das kann jeder selbst machen. Der Artikel ist grandios, es lohnt sich jeder Satz. Seine Kernthese: Der Kapitalismus ist durch eine neue Form des Feudalismus ersetzt worden. Der heutige Fürst gestattet Dir, Dein Leben zu leben, aber Du hast Miete abzudrücken. Für die Sitzheizung in Deinem Auto, die Verwaltung Deiner Bilder. Und je größer der Fürst, desto weniger hat er noch mit Sitzheizungen und Software zu tun. Sein Beispiel ist Uber.

Fahren Sie kein Taxi, gründen Sie Uber und schöpfen Sie Wert aus jedem Fahrer und jedem Mitfahrer. Besser noch: gründen Sie Uber nicht, investieren Sie in Uber-Optionen und schöpfen Sie Wert aus den Menschen, die in Uber investieren. Noch besser: Investieren Sie in Derivate von Uber-Optionen und schöpfen Sie Wert aus den Menschen, die Wert aus den Menschen schöpfen, die in Uber investieren, die wiederum Wert aus Fahrern und Fahrern schöpfen.

Wie Königin Isabella. Die ist nicht selber gefahren um zu plündern, die hat Kolumbus geschickt. (Übrigens interessant: Kolumbus hat zuerst König Joseph um Geld angehauen. Und dem seine Experten haben nachgemessen und gesagt, das ist Dummfug. Der Weg über den Pazifik nach Indien ist länger als der Weg um Afrika rum und man ging nicht davon aus, dass es unterwegs irgendwo Süßwasser gab. Kolumbus hat aber die Zahlen „ein bisschen“ frisiert, behauptet, dass der Umfang der Erde, den die Wissenschaftler errechneten, bloß Propaganda vom Deep State ist und Isabella war so doof, auf diese „Verschwörungserzählung“ reinzufallen. Der Rest ist Geschichte.)

Ich bin seit den 80ern mit Computern zugange. Ich habe mit Applesoft angefangen, CP/M, MS-DOS, DR-DOS, GEM, die ersten LINUX-Distributionen. Windows 286 usw. Ich habe mein DTP mit Logitech Finesse gemacht, mit Xerox Publisher 1.0 unter GEM, mit PageMaker, mit GeoWorks. Ich habe meine Daten mit RW-File, mit Filemaker, mit dBase, Access, mit selbst geschriebenen Datenbanken und mit MySQL verwaltet. Ich habe in einem halben Dutzend Programmiersprachen programmiert. Alle mittlerweile längst eingestellt. Nein. Delphi gibt’s noch….

Ich arbeite mit Filemaker 6.0. Warum? Weil Apple beschlossen hat, beim Update auf 7.0 alte Funktionen abzuschalten auf die aber meine Anwendung angewiesen ist. Ich arbeite mit Ventura Publisher 10.0 Warum? Weil Corel beschlossen hat, den nicht weiter zu entwickeln. Und es bis heute keine Software gibt, die vergleichbare Leistung bringt. (Indesign ist eine Krankheit) Ich habe noch bis vor kurzem mit Picasa gearbeitet – weil es kein Programm gab, das ähnlich leistungsfähig war.

Wenn ich das alles mit Abo gekauft hätte, hätte ich allein für Ventura mittlerweile 6000 Euro Abogebühren abgedrückt. (Ausgehend vom Abopreis für Indesign, das weniger kann.) Über Corel Draw, Magix Video, Corel Photo Paint und Libre Office reden wir gar nicht. Immer vorausgesetzt, dass die Software nicht von heute auf morgen eingestellt und die Server abgeschaltet werden. Und das muss nicht mal böser Wille der Firma sein. Da braucht nur irgendein verrückter Politiker der Meinung sein, ab sofort steht Bildbearbeitungsssoftware auf der Sanktionsliste und Wupp – stellt Adobe kurzerhand allen zahlenden Kunden in dem Land alle Programme ab. Ist ein toller Marketing-Move.

Ich habe richtig Geld für Eye-Fi-SD-Karten ausgegeben. Abgesehen davon, dass die Karten rein technisch Murks waren, mittlerweile sind die alle teuerer Elektroschrott, weil die Server abgeschaltet sind.

Ich habe meinen Webshop von meinem Strato-Server zum Hersteller der ShopSoftware (Gambio) verlagert, weil er dort weit schneller läuft und ich mich um die Administration nicht kümmern muss. Kleiner aber feiner Nachteil: Früher konnte ich in den mySQL-Tabellen rumpfuschen und mal eben die Downloadzähler zurücksetzen, so dass jemand, der seine Downloads ausgeschöpft hatte, nochmal ein paar hatte. Seitdem der Shop in der Cloud ist, komme ich an die Tabellen nicht mehr ran. Wenn Gambio beschließt, den Laden zuzumachen habe ich ein Problem.

Abomodelle sind toll, wenn man jederzeit auch ohne auskommt. Wenn BMW die Server für die Sitzheizung abschaltet, naja, dann bleibt der Hintern halt kalt. Die Frage ist: Wenn man den Mist nicht braucht, warum sollte man dann überhaupt ein Abo abschließen?

Und wenn man ihn braucht – ist das ein kluger Schachzug, sich von wem abhängig zu machen, der erwiesenermaßen seine Kunden als Leibeigene betrachtet, die man ausnimmt und fallen lässt, wenn sie keinen Spaß mehr machen?

13 Replies to “Mietsklaven”

  1. Das mit dem Abo für die Sitzheizung haben sie, Quelle ist mir entfallen, wieder zu den Akten gelegt. Waren wohl die Hacker zu schnell, an Vernunft glaube ich weniger.

    1. Man kriegt diese Optionen im „Connected Drive Store“ bei BMW nicht mehr so ohne weiteres angezeigt. Da muss man sich registrieren. (Die Registrierung ist was für Fortgeschrittene, die Website von BMW ist eine Schande.) und sein Fahrzeug angeben. Nur dann, wenn man ein Auto ohne aktivierte Sitzheizung gekauft hat, bekommt man die entsprechende Option angezeigt.
      Laut Merkur ist das aber immer noch so:
      https://www.merkur.de/wirtschaft/dacia-bmw-abomodell-funktionen-sitzheizung-kostenlos-grossbritannien-zr-92056946.html
      Was definitiv so ist: die automatische Steuerung der Sitzheizung ist eine Abo-Leistung. (Das Paket heißt „Connected Booster“, da ist dann auch Amazon Alexa mit drin. Sprich: In den BMWs ist automatisch Alexa mit verbaut – nur halt „nicht aktiviert“.)

      Automate My Habits
      Sie aktivieren die Sitzheizung, wenn es kalt ist, stets auf der dritten Stufe? Automate My Habits erlernt Ihre bevorzugten Einstellungen und automatisiert sie auf Wunsch. So können Sie entspannt die Fahrt genießen, während sich Ihr BMW um Ihr Wohlbefinden kümmert.

      1. schön versteckt und dann auch noch Alexa. Nein Danke. Meine Sitzheizung hat nen Schalter, das reicht mir und mein Hintern muß nicht Bezos telefonieren wenn es ihm kalt ist.
        Die Website war wohl immer ein Vorbild für OMDS. Viele bunte Bilder, keine klare Struktur.

  2. Ich musste beim Lesen an den insolventen e-bike Hersteller VanMoof denken.
    Das Fahrrad (!) kommuniziert über Server mit der App auf dem Smartphone. Wenn es die Server aufgrund der Insolvenz nicht mehr gibt, ist die Funktionalität des Rades stark eingeschränkt.

    Abo-Modelle, Abhängigkeit von anderer Leute Servern – nein danke. Wesentliche Dinge müssen auch ohne Internetverbindung funktionieren.

  3. Das ist ja nun wirklich keine neue Erkenntnis. Schon zur Goldgräberzeit haben nicht die Goldgräber das große Geld gemacht – jedenfalls nicht im Durchschnitt, Ausnahmen bestätigen die Regel –, sondern diejenigen, die den Goldgräbern Siebe und Schaufeln verkauft haben. Und bei fefe (und Cory) muss man auch immer fein differenzieren zwischen Fakten und Verschwörungstheorien. Aber naja.

    Was die Abos angeht: Wie hieß es doch in einem klassischen Film aus den 1980er Jahren, “A strange game … the only winning move is not to play.” Wenn man möchte, kann man solche Abhängigkeiten – jedenfalls bisher noch – ganz gut vermeiden. Das ist allerdings mitunter mit etwas Arbeit verbunden. Ich verlasse mich zum Beispiel nicht darauf, dass Google mir kostenlose E-Mail zur Verfügung stellt, auch wenn das schön bequem ist, sondern hoste meinen E-Mail-Server selber (zusammen mit ein paar gleichgesinnten Kumpels, damit im Fall des Falles sich immer jemand kümmern kann). Ich lade meine Fotos auch nicht zu Flickr oder Instagram oder … hoch, sondern habe dafür meinen eigenen Web-Server – in der “Cloud”, aber wenn mein Cloud-Anbieter sich daneben benimmt (was er seit 20+ Jahren nicht getan hat), Cloud-Anbieter gibt es viele. Auf meinen Rechnern läuft kein gemietetes Windows oder MacOS, Microsoft Office 365 und Adobe Creative Suite, sondern frei verfügbares Linux, LaTeX, Python und The GIMP. Klar, damit gehöre ich nicht zu den coolen Kids. Aber auf der anderen Seite mache ich Upgrades, wenn es *mir* passt, und nicht wenn Satya Nadella sagt, dass ich es soll.

    Wer sich auf den Miet-Kram einlässt, ist zumindest zum Teil selber schuld. Da beißt die Maus keinen Faden ab – aber man kann es den Leuten kaum vorwerfen, die Versuchung ist ja groß. Wenn mir daran liegt, ein ikonisches Lifestyle-Produkt mit Apfel-Logo mit mir rumzutragen, dann nehme ich halt hin, dass Tim Cook & Co. kontrollieren, welche Apps ich laufen lassen darf und wann, und mich heftigst schröpfen, falls das Teil mal kaputt ist. Aber im Großen und Ganzen funktionieren die Dinger halt auch nicht schlecht, und man hat was, womit man in seinem Umfeld protzen kann (jedenfalls solange das Nachfolgemodell noch nicht herausgekommen ist). Dass das vielen Leuten wichtiger ist als mit Arbeit verbundene persönliche Freiheit (Alternativen existieren ja auch hier), ist jetzt nicht wirklich überraschend.

    Der “Techno-Feudalismus” ist genau dann ein Problem, wenn man sich drauf einläßt. Solange es immer noch andere Wege gibt (auch wenn die möglicherweise unbequemer sind), ist alles in Ordnung – wenn ich meine Brötchen beim Bäcker noch bar bezahlen kann, macht es nichts, wenn ich kein Smartphone mit dem neuesten “XYZ Pay” habe. Und es gibt sicher auch noch Autohersteller, bei denen die Sitzheizung keine monatliche Miete kostet. Aber wenn diese Alternativen irgendwann verschwinden, dann liegt das daran, dass wir uns nicht rechtzeitig und nicht genug gesträubt haben und – fefe und Cory zum Trotz – nicht daran, dass irgendwer im Silicon Valley verfügt hat, dass das jetzt so sein muss, damit er mehr Geld scheffeln kann.

    1. Tja, und dann gäbe es auch noch die Entscheidung, einfach mal zu verzichten!
      Wenn alle KFZ-Hersteller plötzlich meinten, mir die Sitzheizung nur noch per Abo anzubieten, ziehe ich mir halt im Winter ne lange Unterhose an. Haben wir in grauer Vorzeit, als die Autos noch Käfer genannt wurden, auch so gemacht.
      Verzicht (wieder) zu lernen wäre generell etwas, was uns und unserem Planeten gut täte…
      jm2c

    2. Du hast nicht verstanden, wie heutzutage Wirtschaft funktioniert. Es geht nicht mehr darum, dass ein Kunde etwas haben will, oder nicht. Es wird schon lange nicht mehr auf den Kunden gehört sondern es wird vom Marketing eine Zielgruppe definiert, die dann bedient wird. Diese Zielgruppe und deren Umfang wird frei erfunden bzw über „Marktöffnungsstrategien“ überhaupt erst geschaffen. Die ganzen Kamerahersteller bringen „Vlogging-Kameras“ auf den Markt, obwohl Vlogger schon seit Jahren zum Vloggen ihr Smartphone nehmen. Sie erreichen damit keine Vlogger, sondern Leute, die glauben, wenn sie eine Vlogger-Kamera kaufen, seien sie Vlogger und nur noch einen Schritt vom unermesslichen Reichtum entfernt. Aber Produkte an Volltrottel verkaufen ist kein nachhaltiges Geschäftskonzept. Das spielt aber im Management keine Rolle. Wenn’s nicht läuft, ist nicht das Produkt schlecht, sondern die Kommunikation. Und wenn die Kommunikation Mist ist, wird die externe Firma gewechselt.

      1. Womit wir da wieder bei den Goldgräbern wären: Früher sind die Leute halt nach Kalifornien oder Alaska gezogen, weil sie dachten, da das schnelle Geld machen zu können. Für einen von hundert hat sich das vielleicht gelohnt. Heute glauben die Leute, Vlogging ist der heiße Scheiß, aber auch da schaffen es wohl die allerwenigsten, mehr Geld einzuspielen, als ihre Vlogging-Kamera gekostet hat. Richtig Geld verdienen tun dagegen wieder mal die, die den Möchtegerne-Vloggern ihre Vlogging-Kameras (bzw. eher die Smartphones, Ringlichter, Green-Screens usw.) verkaufen, selbst wenn der Kram dann nach zwei Monaten in der Ecke liegt.

        Auch hier kann man es den Leuten kaum übelnehmen: Sie sehen auf YouTube, TikTok & Co. die “Influencer”, die anscheined irgendwann mal auch nur Durchschnittsmenschen waren, aber trotzdem groß rausgekommen sind. Warum sollen sie es selber nicht auch schaffen? Es gibt ja inzwischen eine ganze Hüttenindustrie von ‘Meta-Influencern”, die davon leben, die Sehnsüchte der Möchtegerne-Influencer zu befeuern: Ich schicke Dir eine kostenlose E-Mail, in der steht, wie Du nebenher 10.000 Euro im Monat verdienen kannst. Die sagt nämlich, dass Du nur mein Buch für €29,95 bestellen musst, wo alles erklärt ist. Oh, und das Ganze wird noch viel besser klappen, wenn Du in mein Video-Seminar kommst, wo ich noch ein paar ganz geheime Tricks verrate. Kostet auch nur €499. Und so weiter … Goldgräberzeit halt.

        Man kann sich als Firma seine Zielgruppe natürlich definieren, wie man will, aber letzten Endes hängt der Erfolg dann doch davon ab, dass Leute den Krempel kaufen, den man zu verkaufen hat. Wenn die Möchtegerne-Vlogger lieber das Smartphone benutzen, das sie schon haben, statt Geld für eine Vlogger-Kamera auszugeben, dann ist das halt doof, wenn man Vlogger-Kameras verscherbeln will. Und egal ob man es auf die Kommunikationsagentur schiebt oder auf die renitente Zielgruppe, durch die Bank dauerhaft schlechte Zahlen hält ein Management auch nur so lange aus.

        Im Kamera-Bereich viel nachhaltiger ist entsprechend der Trend zum “Profi-Equipment”. Wer “arbeitet” nicht gerne mit demselben Material wie die Großen des Geschäfts? Die Dickschiffe im “Vollformat”-Bereich verkaufen sich – relativ gesehen – ja offenbar prächtig, nicht bloß an “professionelle” Fotografen, trotz Größe, Gewicht, exorbitanter Preisschilder und teurem Zubehör. Die dahinterstehende Logik ist anscheinend, dass ich nur dieselben Fußballschuhe tragen muss wie Ronaldo oder Messi, um zum genialen Fußballer zu werden.

        Mit dem Thema “Techno-Feudalismus” hat das alles aber nur peripher zu tun.

        1. Du hast perfekt mein Geschäftskonzept beschrieben. Ich biete kostenlosen Daily Content an und wenn die Leute angefüttert sind, sollen Sie meine Bücher kaufen und dann unbedingt meine Seminare buch. (Mist, ich mache ja gar keine Seminare mehr…)

          1. „Mist, ich mache ja gar keine Seminare mehr…“
            Schande!

            Ich bin mir nicht sicher wohin es in dieser Welt in Zukunft wirklich geht.
            Mit Nachhaltigkeit, authentischem Verhalten, Kooperation, Vertrauen, Liebe und dergleichen, hat das aber wohl nichts mehr zu tun!

            Tja, solange es noch Pen-And-Tel gibt…

  4. Bisher habe ich Cloud Software immer gemieden. Abo-Software (Finanzmanager) habe ich, kann aber jederzeit aussteigen und Updates auslassen. Ist eine andere Art von Abo.
    War heuer am Überlegen wegen Outlook. Legal aber nur noch als Abo zu haben, also lasse ich die Finger davon.
    Ältere Software ohne Support macht dann Probleme, wenn der Rechner getauscht oder das OS neu aufgesetzt werden muss/sollte. Meist läuft dann der Registrierungsserver nicht mehr. Also Rechner ohne Platte kaufen oder besser die alte klonen. Mit dem ganzen anderen Schrott, den man mal installiert hatte und Reste hinterlassen hat… Nachfolger Software kostet statt 700 aber 1700 EUR… und kann nichts besser, zumindest von dem, was ich brauche. Dafür braucht sie min. die 3 fachen Rechnerressourcen.
    Manchmal frage ich mich, wie ein Programm mit 640kb Hauptspeicher laufen konnte, wo bei gleichwertiger Software heute min. 16GB HS empfohlen ist…

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