G9II, OM-1, 100-400 und Viecher.

Seit Ende letzten Jahres schreibe ich, dass die G9II irgendwie ein AF-Problem hat. Und immer wieder kriege ich Mails und Kommentare „Ja, aber mit Pana-Objektiven…“. Ich habe jetzt aus der Community ein Pana 100-400 bekommen. Das habe ich mit der OM-1 und der G9II am Rothsee auf Vögel losgelassen. Ich habe ein paar tausend Fotos gemacht, von allen möglichen Vögeln, fliegend, schwimmend, von der Seite, von vorne, von unten, von vorne.

Die Ergebnisse waren verblüffend:

Platz 1: OM-1 mit FT 70-300. Genau. Das uralte 70-300 4,0-5,6, das seinerzeit von Sigma gebaut wurde. Mit 300mm geringere Reichweite und natürlich langsamerer AF, aber die Augen wurden groß wie Suppenteller: wenn der Vogel mal erwischt war, wurde er nicht mehr losgelassen. Die Abbildungsqualität kann lässig mit dem Panasonic mithalten und die AF-Trefferquote ist um Meilen besser: 77%. Wem das 100-400 zu groß, zu schwer und zu teuer ist: Schaut euch mal die Uralt-Linse an, die kann nebenher auch noch richtig gutes Makro. (Nochmal: das Objektiv braucht erstmal bis es überhaupt in die Nähe des Vogels kommt. Erst dann, wenn es den Vogel erwischt hat, ist es schnell und zuverlässig. Kleine Vögel die in einer halben Sekunde vorbei sind, braucht man mit dem 70-300 nicht versuchen. Aber wenn es Zeit hat, den Vogel zu packen, dann klebt es.)

Platz 2: OM-1 mit Olympus 100-400. Blitzschnelle Vogelerkennung, auch von Vögeln, die 200 Meter weg sind. schneller Fokus, zuverlässiges Tracking, gute Schärfe. Der Score von eigentlich über 80% ist durch ein paar Serien mit unerklärlichen Aussetzern verhaut worden. Deshalb nur 67%. statt einem unangefochtenen Platz 1, was ich eigentlich vor Ort vermutet hatte. Aber man soll die Bewertungskriterien nicht im Nachhinein ändern. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass ich eine Serie eines Kormorans mit 78% gewertet habe, obwohl selbst die schlechtesten Bilder noch besser waren, als die meisten Bilder aus der G9II. Was wirklich reingehauen hat, war eine Serie einer Kohlmeise in einem Busch. 77% unscharf. Die Kamera hatte den Vogel die ganze Zeit „erkannt“ aber einen unerklärlichen Backfocus veranstaltet. Erst als der Vogel aufflog „wachte“ der AF wieder auf, erwischte noch das erste Bild vom Vogel in der Luft und dann war der Vogel einfach zu schnell.

Platz 3: OM-1 mit Panasonic 100-400. Erkennung und Fokus fühlbar langsamer. weit entfernte Vögel werden entweder nicht erkannt oder sofort wieder verloren, vor Ort fühlt sich der Fokus aber zuverlässig an. Die Schärfequote bei der Auswertung ist verblüffend gering: 42% Das liegt vor allem an ganz vielen leichten Backfokusaufnahmen, bei denen der Vogel zwar fast, aber nicht ganz scharf ist. Man sieht, die Erkennung hat gegriffen, aber das Objektiv hat beim C-AF nicht geliefert. Und was besonders heftig auffällt: Das Pana liefert an der Oly besser als an der G9II.

Platz 4: G9II mit Panasonic 100-400. Trotz höherer Auflösung des Sensors deutlich geringere Reichweite der Vogelerkennung. Vorbeifliegende Vögel werden dauernd aus der Erkennung verloren, die Zeit bis zur Erkennung des Vogels ist so lange, dass oft die Vögel bereits wieder weg sind, entsprechend habe ich davon gar keine Fotos, weil ich bei komplett unscharfen Bildern gar nicht erst auf den Auslöser drücke. Wenn der Vogel erkannt wird, hat die Kombi deutlichen Hang zum Backfokus – wenn die Schärfentiefe nicht ausreicht, ist der Piepmatz eben gerade unscharf. Das nervt ziemlich. 100% scharf hatte ich bei Serien von großen, statischen, kleinteiligen Objekten (Bäumen) und Vögeln sehr weit weg am blauen Himmel. (Da hat man dann einen schwarzen Fleck am blauen Himmel, aber der ist immerhin scharf.) Die haben den Schnitt etwas gehoben, so dass ich bei einer Trefferquote von 42% liege. Wenn ich die statischen Objekte und den Fliegenschiss im All weglasse, bin ich bei 36% Trefferquote. Und – leider – das Objektiv ist deutlich unschärfer als das m.Zuiko.

Platz 5: G9II mit Olympus 100-400. Noch schlechtere Erkennungsraten. Das Objektiv liefert zwar eine bessere Schärfe, wenn es mal getroffen hat, aber die Ansteuerung ist nochmal deutlich schlechter. 28% Trefferquote. Auch hier fühlt es sich vor Ort noch schlechter an, einfach weil die Objekterkennung gar nicht erst anspricht. Man zielt und flucht.

Was kann man da als Fazit sagen? Panasonic bremst das Oly-Objektiv aus. Ob bewusst, oder weil sie die Ansteuerung von OMDS nicht verwenden dürfen – ist Spekulatius. Es ist auf jeden Fall klar: Wenn man die G9II hat, das Panaleica, wenn man die OM-1 hat, das Oly-Glas.

Und ja, rein von der Schärfequote ist das Sigma vorne dran. Aber es trifft halt öfter mal gar nichts – und vor allem nicht schnell. Wenn man zumindest eine Fokuschance innerhalb von Bruchteilen von Sekunden haben will, dann das m.Zuiko 100-400. Das trifft auch nicht immer, aber man hat wenigstens die Chance.

(Und wieder: der schnarchnasige SD-Kartenkanal der G9II ist ein buchstäblicher Showstopper. Das geht gar nicht. Nicht bei einer Kamera in dieser Preisklasse.) Was man nicht vergessen sollte: Die G9II hat einen heftigen Rolling Shutter. Schnelle Mitzieher mit Vögeln vor Bäumen machen im Ergebnis keinen Spaß. Selbst wenn man Dusel hatte, und ein paar scharfe Bilder dabei sind.

Spannend: Ganz viele der seinerzeitigen Tests OM-1 vs G9II sind mit dem Panasonic 100-400 gemacht worden. Wenn ich mir meine jetzigen Ergebnisse, mit der sehr deutlich verbesserten FW 1.6 ansehe, dann verstehe ich, wie die Influencer seinerzeit daraufgekommen sind, dass die OM-1 unterlegen ist. Denn selbst jetzt kommt die OM-1 mit dem Pana-Objektiv nicht sehr weit an der G9II vorbei. Hut ab vor dem Pana-Marketing. Ihr kennt eure Produkte und euer Business.

Ergänzung:

Beim ersten Artikel zum AF – treuen Lesern wird das aufgefallen sein – hatte ich bei C-AF und Serienbild eine Trefferquote von 84%. Und jetzt so viel schlechter? Es kommt halt aufs Licht an, auf die Luftunruhe und auf die Tiere – und auf die Menge an Volk, das sich am Rothsee rumtreibt. Sonntag Vormittag um elf sind andere Verhältnisse, als Dienstag früh um sieben. Auf einmal fliegen die Vögel direkt über Dich hinweg – das senkt den Schnitt, macht aber geile Fotos….

12 Replies to “G9II, OM-1, 100-400 und Viecher.”

  1. Platz 3: OM-1 mit Panasonic 150-400

    Ist mir da was entgangen oder doch nur ein Tippfehler?
    Da sollte ich mal mein olles 70-300 entstauben.

  2. Wieder ein toller Artikel mit wertvollen Informationen. Vielen Dank dafür!
    Da können die Besitzer anderer Systeme nur neidisch sein, weil es dort bestimmt niemanden gibt, der sich auch nur halb so viel Arbeit macht, um den Nutzern die Stärken und Schwächen ihres Systems aufzuzeigen.

  3. Es verblüfft mich so sehr das Panasonic so wenig backlash für diese krasse Influencer Kampagne zum Start der g9ii bekommt.

    Die Kamera ist ja so offensichtlich und aggressiv von den ganzen Influencern beworben worden das man sofort bemerkt hat irgendwas stimmt hier nicht.

    Dann kommen immer mehr wirkliche Testberichte wie dieser hier und die reale Welt sieht plötzlich ganz anders aus.

    Wie immer vielen Dank für die Klasse Arbeit!

  4. Ich bin heute schon an einem auf dem Rasen stehenden Fahrrad gescheitert. So viel Ausschuss hatte ich lange nicht.
    Habe mit kleinem AF-Feld auf das Tretlagergehäuse bzw. den vorderen Zahnkranz gezielt und scharf sind die Gänseblümchen dahinter.
    Ich probiere es morgen nochmal mit dem „Motorcycle“-AF – vielleicht taugt der ja auch für Fahrräder.

    Vielleicht ist die Trefferquote höher, wenn man auf etwas vor dem Objekt fokussiert, das man scharf haben möchte.
    Das Objektiv war das 2.8-4.0/12-60mm.

    1. …oder hätte ich auf AF-ON Near stellen sollen?
      Bei der G9II gibt es AF-ON, AF-ON Near und AF-ON-Far … habe mich damit noch nicht beschäftigt.

      1. Hätte Dir nichts geholfen. Der „AF Nahbereich“ für die AF-ON-Taste sorgt dafür, dass Du beispielsweise eine Blume vor einem weit entfernten Wald scharf stellen kannst, ohne dass der Wald scharf wird. Das funktioniert. Aber sobald die Abstände nicht so krass sind, also Blume vor Gras oder eben Fahrradteile vor Gras ist der AF ein Glücksspiel. Der kennt nämlich kein sauberes Nearest is best. Der nimmt, was er als bessere Kontrastkante findet. (Olympus wurstelt jetzt seit zehn Jahren rum, um die Kombi Phasen-AF/Kontrast-AF mit mFT und FT-Objektiven zum Laufen zu bringen. Langsam kriegen sie es gut hin. Panasonic fängt damit erst an. Weil sie es nicht können, haben sie ein Dutzend Parameter ins Menü gepackt und sich gesagt „Soll sich der Fotograf raussuchen, was er braucht.“ Und Motiverkennung. Bei Motiverkennung muss man sich nicht um die Abstimmung eines Hybrid-AF kümmern. Eventuell ist das der Grund, warum die anderen Hersteller alle so auf Motiverkennung abfahren. Ist natürlich auch ein Ansatz, Optionen in die Kamera zu packen, deren Funktion nirgends zu beschreiben und wenn der Fotograf dann unscharfe Bilder hat, „Mann bist Du doof, Du musst ganz einfach die Option blabla einschalten.“ Die AF-On-Nahbereich-Nummer ist auf Seite 157 erwähnt und dort findet sich ein Hinweis „Siehe Seite 534“. Und dort steht, man solle auf Seite 154 nachkucken, wo nur eben die Existenz der Taste erwähnt wird. Was die Funktion genau macht – Tschooooo…. Dass alle über das Menü der Olys schimpfen, aber niemand über die Unbedienbarkeit der Panas – ich sach ja, das Marketing von Panasonic ist genial.)

        1. Danke für die Info.

          Ja genau, es passiert, wenn die Abstände nicht so krass sind, d.h. der Schärfe-Unschärfe-Unterschied auch nicht so groß ist. Am Kamerabildschirm erkennt man es nicht gleich (sonst würde man die Aufnahme direkt wiederholen) und das große Staunen und die Suche nach dem, was jetzt eigentlich scharf ist, beginnt dann am Monitor.
          Da der Schärfeunterschied nicht so groß ist, kann man die Fotos für banale Dinge wie Kleinanzeigen in geringer Auflösung sogar noch verwenden.
          Bei einer einmaligen Angelegenheit wie einer Hochzeit ist das fatal; Brautpaar unscharf, Trauzeugen im Hintergrund scharf.

          Im Handbuch der G9II gibt es ein Kapitel „Verwenden von AF“. Auf 43 Seiten wird das Grundsätzliche erklärt – oder besser: erwähnt. „Motivbewegungs-Prognose“ finde ich vom Wort her schon gelungen.
          Diese Motiverkennungen habe ich bisher nie benutzt – vielleicht sollte ich mir das angewöhnen. Am Besten, wenn es eine smarte „AI-Motiverkennung“ ist, die aufgrund der Informationen meiner Google-Datenspur sowieso besser weiß was ich fotografieren möchte, als ich selbst.

          Ich suche noch einen Weg damit umzugehen. Und vielleicht gibt es ja nochmal ein FW-Update, was diese merkwürdige Eigenschaften etwas reduziert.

          Irgendwie ist das ein allgemeiner Techniktrend: Die Implementierung von softwarebasiertem Firlefanz und bei den Grundfunktionen wird es dann holprig.

  5. Ich hatte jetzt endlich auch mal Zeit mit FW 1.6 und dem Oly 100-400 in der Natur zu fotografieren. Unterschied wie Tag und Nacht zu vorher. Vogelerkennung top und schnell. Auch Tendenz zum Backfocus, wenn der Piepmatz regungslos sitzt, mit etwas Gestrüpp drumrum.

  6. moin,
    Ich bevorzuge eigentlich BOP ( bird on plate) statt bif, aber im Urlaub versuche ich es auch gelegentlich mit vogelfotografie, meist raubvögel am Himmel oder vor Wald. Ich verwende dann das 75-300, bisher ohne motiverkennung, nur afc.
    Wie schneidet das eurer Erfahrung nach in bezug auf die Ausbeute an scharfen Bildern im Vergleich zum 100-400 oder dem neuen 150-600 ab ?

    danke und Grüße
    Tom

  7. Zum Thema Augenautofokus: Auch die Lumix S5-II, die ja weitgehend identisch zur G9-II ist, fokussiert auf das falsche (hintere) Auge. Man hat auch keine Chance, ihr das andere Auge anzubieten. Daher muss man auf den Punktfokus gehen.

    1. Habe mir die Bilder nochmal angesehen, es ist in zwei Fällen passiert: Einmal hatte das Mädchen tatsächlich unterschiedlich große Augen, und zufällig war das hintere dann etwas größer als das vordere. Und bei der anderen war das vordere Auge durch eine Haarsträhne leicht überdeckt, allerdings nur in der Ecke, die Iris ist frei.

      Der Algorithmus scheint also stur nach Größe und Erkennbarkeit zu gehen, der Abstand zur Kamera wird nicht beachtet.

      Das kannte ich von den Olympus M1-II und III anders. Wenn man da die Automatik „vorderes Auge“ eingestellt hatte, hat die Kamera das vordere Auge genommen.

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