Fototipps vom Hersteller

So ziemlich alle Fotohersteller überbieten sich derzeit damit, grandiose Fototipps unter ihren Kunden zu verbreiten. Der Blitzhersteller Jinbei ist da fett dabei. Ähnlich wie viele andere Hersteller hat der einen „Blog“ auf seiner Website. Und genauso wie viele andere Hersteller hat er „Blog“ nicht verstanden. Ein „Blog“ ist ein Webtagebuch. Ein „Web-Log“. Und kein zusätzlicher „Content-Kanal“ für Werbebotschaften.

Jinbei hat eine ganze Latte Blogbeiträge:

Zu Architektur

Zu Tilt/Shift

Zu Autofotografie.

Und zu HDR und Südostasien und LostPlaces und Winterlandschaften und und und.

Keine Ahnung, ob die entsprechenden Artikel auch von ChatGPT erstellt wurden oder ob sie einen menschlichen Deppen gefunden haben, der den Quark verzapft hat. Ganz offensichtlich haben sie aber niemanden in der Firma, der nen groben Plan von Fotografie hat und dem das aufgefallen wäre.

Die Dolomiten. Verträumte Almwiesen…

Bei den Winterlandschaften empfiehlt Jinbei die „verträumten Almwiesen“ der Dolomiten. Bei der Architektur ist alles prima – Linien, Details, Umfeld, Tilt/Shift dient dazu, reale Szenen aussehen zu lassen wie Miniaturlandschaften (ich dachte immer, man kauft sich ein Tilt/Shift um die Schärfeebene so zu legen, dass sie durch das ganze Motiv geht und stürzende Linien zu beseitigen. Aber was weiß denn ein Fremder…) Und für die Autofotografie braucht man „Eine hochwertige Kamera mit einem Objektiv, das für die Aufnahme von Fahrzeugen optimiert ist….“ Wenn das Licht für das Auto nicht ausreicht, nimmt man einen Jinbei Aufsteckblitz.

Autofotografie mit einem Tilt-Shift-Objektiv – einem Lensbaby 2.0

Bei solchen Blogbeiträgen fragt man sich, wer die Zielgruppe solchen Blödsinns ist.

Ganz offensichtlich haben die Jungs bei dieser Firma keine Ahnung von ihren Produkten und der Branche in der sie tätig sind. Sollte man demzufolge dort was kaufen? Selbstverständlich. Nur.

Wenn ich einen Blog auf einer Herstellerseite sehe, dann will ich Infos über die Firma sehen. Details über Produkte, die ich nicht schon hundertmal irgendwo vorgekaut bekommen habe. Hintergrund. „Gestern kam das Muster der neuen Verpackung, das haben wir zurückschicken müssen, weil schief und in der falschen Farbe bedruckt. Die Auslieferung unserer neuen Bratpfanne verzögert sich also wieder um zwei Wochen.“ Ich will die Leute kennenlernen, mit denen ich zu tun habe. Solches Zeug. Dann nehme ich auch hin und wieder ne Werbebotschaft mit. „Ach ja, heute haben wir endlich die erste Lieferung unseres neuen Toasters auf den Hof bekommen. Die Jungs im Lager sind jetzt schwer im Stress, das Zeug zu kommissionieren, aber wir bekommen die ersten 15 Paletten morgen in die Spedition, dann sollten die Geräte am Dienstag in den Läden sein.“ Spannung aufbauen. Suspense. Den Kunden teilhaben lassen. Was ist daran schlecht?

7 Replies to “Fototipps vom Hersteller”

  1. >> Was ist daran schlecht? <<
    Schlecht nichts. Es spricht nur keinen Amateur (Fotografen, ToastbrotToaster) an und bringt keinen zusätzlichen Umsatz.
    Im Gegensatz zu Aufsteckblitz bei der Automobilefotografie.
    "Wie Du hast einen Hotspot Reflex auf dem Wagen? Dann brauchst Du noch eine Softbox. Und ein Stativ. Wie ist zu dunkel? Dann noch einen Blitz und größere Softbox. Immer noch zu dunkel? Probiere es doch einmal mit unseren großen mobilen Blitzgeräten … Hast Du auch ein Stativ für Deine Kamera verwendet? Und Transporttaschen fehlen Dir doch bestimmt auch … was ist mit Fernbedienung, Akkupack … "

  2. „Es spricht nur keinen Amateur […] an und bringt keinen zusätzlichen Umsatz.“

    Ein ordentlich und mit Liebe und Hingabe gemachter Blog spricht durchaus Fotografen (das sind ja ein paar mehr, als ’nur‘ Amateure und Kamerabesitzer … ) an, das Hauptproblem ist diese Gier mit dem Umsatz.
    Und dabei ‚vergessen‘ die nur zu gerne, dass ein zuvorkommender Service einen Kunden zu einer wandelnden Werbung macht.
    Wenn ich voraussetze, dass das fachliche Wissen vorhanden ist, dass diese netten kleinen ‚Interna‘ auch mal an die Öffentlichkeit dürfen ohne den Stahlmantel der Geheimniskrämerei, dann klappt das völlig ohne Generve und Getröte und Unsinn. Aber das scheinen die in den Marketing- und oder PR-Abteilungen entweder mit mangelnder Kommunikation oder – was meine heimliche Vermutung ist – fehlendem ‚Wissen‘ auf Teufel komm raus zu negieren. Negieren zu wollen. Kriegste halt mit Zahlen nur schwer gefasst, was Mund-zu-Mund für eine (immense) Wirkung entfalten kann und das auch tut. Dann lieber Schwachsinn erzählen, mit einstreuen, dass das mit dem allerneuesten Modell geht und like hier klicken, auf dem ‚Laufenden‘ bleiben hier und vor allem den SHOP HIER HIER HIER blink blink klingel wetter bolz aufpopp nochmal aufpopp cmd+option+esc …

    Es könnten so viele hübsche Sachen gemacht werden, die du aber im realen Dasein umgehend in die Tonne kloppen kannst, solange von den entscheidungsbefugten Zahlenheinis keiner dabei ist, der noch für eine Sache, nämlich das, was eigentlich verkauft werden soll, brennt. Oder auch nur mal einer die Eier hat, sowas gegen die üblich zu erwartenden Widerstände durchzuziehen.

  3. Wer es noch nicht wusste, schaue sich mal das Impressum und jenes von Rollei.de an. Dann fällt etwas auf. Und natürlich ist Rollei nur noch eine China-Basierte Handelsfirma. Da sind eine Menge Kistenschieber am Werk, aber vermutlich kein Foto-Fachpersonal.

  4. Ich denke bei sowas immer an David Graebers „Bullshit-Jobs“. Alles was mit Marketing zu tun hat, sind für mich Bullshit-Jobs. Wenn auf einen Schlag niemand mehr diese Jobs machen würde, würde niemandem etwas fehlen. Und die Welt wäre besser. Marketing und Information sind Gegensätze. Da die Menschen an Marketing-Pseudo-Informationen gewöhnt sind, sind sie kaum mehr in der Lage sich (aktiv) zu informieren – sie kennen das Prinzip nicht. Und wenn sie es versuchen, dann scheitern sie, weil sie auf marketing-getriebene Texte stoßen, deren intendierte Botschaft eine ganz andere ist, als das worum es im Text scheinbar geht. Deshalb ist sachliche Korrektheit auch absolut zweitrangig.
    my 2 ¢

    1. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich nicht nur bei PAT & Co Leute tummeln, die das erkennen.

      Vieles ist doch „Zwangskonsum“ oder wenigstens mit einem „Mehrwert“ verbunden. Newsletter, wie der von OMDS, werden per Posteingangsregel in den SPAM-Ordner verschoben. Deaktivieren geht ja nicht, wegen der Zusatzgarantie oder etwaigen Rabatt-Codes – von denen man dann wieder durch Foren erfährt und den Newsletter bei Bedarf aus der Versenkung holt.

      Die Werbeeinnahmen der Rumors-Seiten müssten eigentlich auch zusammenbrechen, denn ohne handfeste Gerüchteküche gibt es doch gar keinen Bedarf mehr an diesen Seiten. Da spart mir PAT echte Lebenszeit.

      Und die Influencer? Okay, die jeweiligen Zielgruppen tuen sich mit dem Englischen generationsbedingt immer leichter. Trotzdem ist es schlichtweg eine Zumutung sich das – ohne Bewertung des Inhaltes – reinzuziehen. Man meint bei der Präsentation gehe es um Leben oder Tod. Zumindest der Vergleich mit einer verschlossenen Zugtoilette kommt nicht selten auf.

      Werbeunterbrechungen im Fernsehen dürften auch durch die Mediatheken, Netflix und Co kaum noch lukrative Zielgruppen erreichen. Jetzt wechselt man zu Social-Media – aber mit dem gleichen Prinzip. Hier gibt es immer mehr Plattformen auf denen man als Werbetreibender vertreten sein muß. Ist nicht zu schaffen, überlässt man den Influencern – das zerfasert sich und läuft dann zeitnah ins Leere.

      Aber ja, stellt sich nun die Frage warum da noch immer nicht unerhebliches Kapital versenkt wird. Das Problem scheint mir aber nicht mehr der Konsument zu sein, sondern Leute die einfach keine echte Identifikation mehr zu ihrem Unternehmen, ihrem Job, den Produkten haben.

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