Ich war ja letzte Woche in Krems auf Recherche und dabei bin ich auf eine Initiative aufmerksam gemacht worden, von der ich noch nie gehört habe, obwohl sie eigentlich genau in „mein Ding“ reinfällt.
Da geht es darum, Bild- und Tondokumente zu bestimmten Örtlichkeiten aus den letzten 150 Jahren zu sammeln. Und dann natürlich aufbereitet anzuzeigen. Das geht so weit, dass jemand 2022 noch ein Tondokument erstellt hat, wie man in einer Telefonzelle in Österreich damals einen Anruf getätigt hat. Mit 50 Cent kam man damals nur ein paar Sekunden weit. Mittlerweile sind auch die Telefonzellen in Österreich verschwunden.
Die Topothek ist in Österreich erfunden worden und verbreitet sich langsam über Europa. Es gibt bereits eine englische, eine ungarische und eine finnische Version der Website. „Toptheken“ gibt es von Spanien über den Irak bis in die Ukraine, wo es eine Ansiedlung von Estnischen Schweden gab, die 1780 den Ort „Gammalsvenskby“ gegründet hatten und im zweiten Weltkrieg freiwillig auf Seiten der Waffen-SS in den Krieg zogen. In der Topothek gibt es eine Bildergalerie der Bevölkerung bis 1980.
Überhaupt sind Personenabbildungen stark überrepräsentiert. Gerade von ländlichen Gemeinden sind Bilder der Lokalpolitiker oft wichtiger als Bilder der Landschaft bevor das Industriegebiet gebaut wurde. Der Grund ist simpel: Die einzelnen Topotheken müssen von den Gemeinden beantragt und bezahlt werden. Das kostet zwar nicht die Welt – so ab 600 Euro für eine Gemeinde unter 1000 Einwohnern ist man dabei, bis 50.000 Einwohnern kostet es 1600 Euro. Aber auch solche Kosten müssen natürlich durch den Gemeinderat – und der ist natürlich eher an der Darstellung der erfolgreichen, eigenen Politik interessiert. Entsprechend gibt es – spare, spare – in Baden Württemberg genau eine Topothek -für Isny – und in Bayern gerade mal zehn – alles kleine Gemeinden.
Die Topotheken sind natürlich – da eben einerseits von den Gemeinden bezahlt und andererseits von Freiwilligen befüllt – eher nicht so die Quelle für kritische Geschichtsaufarbeitung. Da wird der Nazi-Bürgermeister auch mal für die Eröffnung des Freibades gefeiert. War ja nicht alles schlecht.
Wer also denkt, er habe hier so eine Art bebilderte Wikipedia – oder gar ein valides Geschichtswerk – weit gefehlt. Es sind mehr oder weniger korrekt verschlagwortete Bilder in mehr oder weniger guter Qualität. Aber das allein ist schon was wert. Und ab und zu findet man auch Schätze, wie beispielsweise Bilder vom „Skijöring“ in den 70ern in St. Radegund. (Das man kurz danach mangels Schnee wieder eingestellt und stattdessen ein Stock-Car-Rennen veranstaltet hat.)
Fotografen dürfen natürlich jederzeit zur Topothek beitragen. Bilder hochladen und verschlagworten.
Die Fotos? Oben die Schwebebahn in Dresden 1956, Unten: Auswanderer auf einem Schiff nach Argentinien 1923.
Danke Reinhard,
das ist wirklich ein interessantes Projekt. Bemerkenswert auch, dass es anscheinend nicht ausschließlich um Gemeinden geht. Auch Vereine oder Unternehmen können angelegt werden. Also vielleicht eine ehemalige Werft oder ein Bergwerk, wenn es vor Ort noch jemanden gibt, der deren Geschichte aufbereitet hat und dann durch Dritt Dokumente zutage treten, die bisher für Museen oder Vereine gar nicht erreichbar waren. Klingt spannend, tolle Sache! Nicht selten scheuen sich ja die Hinterbliebenen die wenigen Fotos von Oma und Opa am Arbeitsplatz den entsprechenden Interessengruppen zukommen zu lassen, weil sie diese für historisch unbedeutend halten. Oft sind es ja auch nur Bildteile, Maschine im Hintergrund einer Personengruppe von der es vermeintlich keine Bildbelege mehr gab.
Beste Grüße
Frank
Frage: Sind das Monats- oder Jahresgebühren?
Das sind Jahresgebühren. Dazu kommen noch etwa 400 Euro für die Einrichtung einmalig.