Colorfoto ist eingestellt.

Es gab mal ne Fotozeitschrift in Deutschland, die war die Größte. Also die mit der größten verkauften Auflage. Liebevoll auch „Klofoto“ genannt. Die gehörte zur WEKA-Verlagsgruppe, zu der auch der Franzis-Verlag gehörte, der knapp drei Dutzend Bücher von mir gedruckt hat. Dadurch kam ich auch zu der zweifelhaften Ehre, dass Colorfoto ein Sonderheft zur E-M1 herausgebracht hat, bei dem über die Hälfte des Heftes von mir stammte. Lustigerweise habe ich davon erst erfahren, als mir jemand ne Mail schickte „Cool, ich hab Dein Heft in der Bahnhofsbuchhandlung gesehen.“ Natürlich habe ich für das Heft nie auch nur nen Cent gesehen. Zweitverwertung…. Immerhin habe ich nach ner bösen Mail ein paar Belegexemplare gekriegt.

Jetzt ist die Colorfoto am Kiosk Geschichte.

Im Netz gibt es noch sowas Ähnliches unter „connect-living“, da geht es nur noch um Hardware-„Tests“. Und man kriegt Gutscheine für Klamotten und Lieferando. Drei Ausgaben Colorfoto kosten fümf Euronen. Im „Digital-Abo“. Gerade Aktuell: OM-1-„Test“ vom September 2023.

Und ja, natürlich geht es nirgends um Fotografie.

Die Colorfoto ist/war ein typischer Vertreter der „leserorientierten“ Content-Strategie. Wenn eine Oly vorne auf dem Cover ist, sinkt die verkaufte Auflage, weil die Kunden nur Canon- und Nikon-Fanboys sind. Also kommt keine Oly auf das Cover. Und weil die alle zu doof sind, ihre Knipse zu bedienen, gab es dauernd „die zehn besten Tipps für ihre EOS“. Auf keinen Fall den Leser überfordern. Vollformat heißt Vollformat, weil die Leser bei „Kleinbildformat“ sonst der Meinung sind, der Sensor sei klein. (Originalaussage aus der Redaktion.)

Was passiert? Die Leserschaft, die dazulernt. wendet sich irgendwann mit Grausen, von unten kommt nichts Neues dazu weil die technikzentrierten Messorgien den Handyknipser abschrecken und die Leser, die nach mehreren Jahren immer gleicher „bester Profi-Tipps“ noch nicht gemerkt haben, dass sie verarscht werden, geraten irgendwann unter einen Zementmixer.

Was ist die Ursache der Misere? Solche Zeitschriften nehmen ihre Leser nicht ernst. Es geht darum, Anzeigenplatz möglichst teuer zu verkaufen. Der Inhalt muss möglichst billig zu produzieren sein. Eine Kamera in eine standardisierte Testvorrichtung zu schrauben und dann die Testergebnisse abzudrucken kostet kaum Zeit und Grips und ist völlig kreativitätsbefreit. Das kann der letzte Volontär. Dann noch die Specs des Herstellers in Textform bringen und fertig ist der „Test“. Selber losziehen und versuchen, rauszukriegen, was man mit der Kamera machen kann? Um Himmels Willen! Das kostet Geld! Und man bräuchte jemand, der das kann!

Die Krise von Print ist durch einen ganz simplen Umstand verursacht: In den Printprodukten steht so wenig echter Content drin, dass sich ein ganzes Heft nicht lohnt. Und den einen guten Artikel kriege ich im Internet. Was will ich mit einer Klofoto, die ich nach fünf Minuten durch habe? Es gab mal Zeitungen und Zeitschriften, die man mit Müh und Not durchgelesen hatte, bevor die nächste Ausgabe rauskam. Warum gibt’s das nicht mehr? Man hat die Autoren immer schlechter bezahlt, die kritischen und kreativen Autoren rausgeworfen und sich von der Anzeigenabteilung und vom Marketing den Inhalt diktieren lassen. Warum? Kurzfristige Profitmaximierung. Aber man kann Kunden auf Dauer nicht verscheissern. Und von den Volldeppen, die es nicht merken, kann man auf Dauer nicht leben. Ja, es gibt die berühmten Dummen, die jeden Tag aufstehen. Aber selbst die Auflage der Bildzeitung ist in den letzten 25 Jahren von 4,5 Millionen auf 1 Million eingebrochen. Sie haben jetzt 200 Leute rausgeschmissen und wollen ihre Artikel von KI schreiben lassen. Genau so gewinnt man Leser. Eine goldene Zukunft für die Bildzeitung.

Ich weine der Colorfoto keine Träne nach.

24 Replies to “Colorfoto ist eingestellt.”

  1. Als 15-jähriger bekam ich von einem Klasskameraden, der ein Neffe des Herausgebers Joachim F Richter (Verlag Laterna Magica) war, das Heft 1/72 geschenkt. Als gerade eben Fotobegeisterter abbonnierte ich das Cofo, das damals richtig gut war: eine gute Mischung aus Technik, Bildstrecken und launischen Kommentaren von Kolummnisten (Alexander Spoerl, Alexander Borell und anderen). Ende dr 70er habe ich das Abbo gekündigt und nur noch sporadisch am Kiosk gekauft. Irgenwann habe ich auch das sein lassen, es war einfach zu uninteressant geworden. Kaum mehr Bildstrecken, nur noch Tests. Mich wunderts, dass sie sich so lange gehalten haben.
    Die Hefte 1-72 bis 12-72 habe ich noch, trotz mehrerer Umzüge … 🙂

    1. @ Reinhard Lehmann

      Da ich mich erst im 21. Jahrhundert begonnen habe für die Fotografie
      zu interessieren, wäre es interessant zu sehen, wie die damaligen
      Foto-Zeitschriften (inhaltlich) ausgesehen haben.

      Haben Sie eine Möglichkeit, diese zwölf Ausgaben einzuscannen und
      zu veröffentlichen?

      P.S.: Falls es bei der Veröffentlichung Copyright-Probleme geben
      sollte, dann kann man diese Zeitschriften erstmal einscannen (um
      die Daten zu sichern) und später (wenn das Urheberrecht abläuft)
      veröffentlichen.

    2. In den Siebzigern habe auch ich mir recht regelmäßig Color Foto gekauft. Auch für mich waren die Beiträge beispielsweise von Alexander Spoerl und Alexander Borell lesenswert.
      Eine zeitlang habe ich CF in der Stadtbücherei durchgblättert, aber das ist auch schon eine ganze Weile her. Lohnt nicht mehr.
      Lutz

  2. Ich hatte die Colorfoto seit 72 im Abo. Das war damals eine richtig gute Mischung aus Fotografie, Technik, Markt bis hin zu Tipps und Tutorien für viele Themen. Abbestellt habe ich sie dann nach ca. 30 Jahren, als ich gemerkt habe, dass die nur noch die Pressemappen der Hersteller abschreiben. Jetzt stolpere ich gelegentlich über CF in einem Onlineportal, das sehr viele Printmedien zur Verfügung stellt. Bin da tatsächlich auch in weniger als 5 Minuten durch.

  3. Als ich 1980 meine erste Spiegelreflex (Yashica FR I) gekauft habe, bot der Händler kostenlos Remitenden-Exemplare von ColorFoto und Fotomagazin an (Name und Erscheinungsdatum war entfernt worden, das brauchte der Zeitschriftenhändler für die Rückvergütung). So kam ich als Schüler sehr „kostengünstig“ an die teuren Fotozeitschriften.

    Von Jamari Lior, die mal Mitredakteurin von „Pictures“ war und der man dann einen Externen als Redakteur vor die Nase gesetzt hat, worauf sie den Laden verließ, habe ich erfahren, dass die Autoren für die Artikel in der „Pictures“ überhaupt kein Honorar bekommen, sondern nur für die Ehre und die Publicity ihre Artikel zur Verfügung stellen.

  4. Nur eine weitere Begleiterscheinung des stetig schrumpfenden Kameramarktes. Und alles wirklich wissenswerte kann man sich heutzutage eh gratis im Netz ansehen, via Blogs, YouTube etc.

    1. Das ist einer der größten Irrtümer überhaupt. Im Netz ist nichts gratis. Ich denke, ich sollte da mal ne längere Abhandlung dazu schreiben – aus Sicht eines „Content Creators“.

      1. Oh ja, gerne.
        Und dann gratis zur Verfügung stellen 😛

        Spaß bei Seite – ich freue mich auf deine Abhandlung.

        Ich denke „gratis“ steht hier eher als Synonym für „frei zugänglich“.
        Das große Problem aus meiner Sicht ist, dass die guten frei zugänglichen Informationen in der Masse von als Information getarnter Werbung untergehen.

      2. Seltsamerweise habe ich gerade hier das Gefühl, tatsächlich etwas gratis zu bekommen – und ich frage mich manchmal, wie sich das für dich rentiert. Gut, ich hab ein paar PDFs gekauft, aber die waren ja selbst Arbeit und sind jetzt nicht so teuer, dass da noch „Daily Content“ mit drin sein muss.

  5. Ja, die Colorfoto. Kenn ich auch noch aus den ganz alten Zeiten. Aber: Seit vielen Jahren nur noch ein Werbeblatt mit vielen bunten Bildchen. Taugte nur noch, um gelegentlich im Supermarkt an der Zeitschriftenmeile mal reinzuspechten (die Hoffnung stirbt zuletzt). Das ging so schnell, daß niemals eine Kauflaune aufkam. An mir lags nicht. R.I.P.

  6. Es betrifft nicht nur Special Interest Zeitschriften (Foto, HiFi, Computerkrempel, …) es betrifft auch Tageszeitungen (FAZ, SZ, NZZ, …) und politische Magazine (Focus, Spiegel, Stern, …) Die Inhalte werden immer seichter, belangloser, die Auflagen immer kleiner, auch die PageImpressions im Web immer fragwürdiger. Das blättere ich höchstens in eben diesen 5 Minuten durch, Online via Stadtbibliothek für lau.

    Es gibt ein paar Medien, die gegen den Strom schwimmen, manche mit ungewöhnlichen Finanzierungsformen, manche mit gutem Inhalt, manche mit beidem. Ich nenne da – nur beispielhaft – Guardian, taz, Muh, Katapult, c’t,

    Es gibt inzwischen jede Menge gute Inhalte, die „ehrenamtlich“ erstellt werden. Entweder nebenher von Journalist*innen (Katharina Nocun, Ann-Katrin Büüsker, …) oder von Freaks und Liebhaber*innen (fahrradzukunft, …).

    Dann gibt es natürlich noch den ÖRR (Deutschlandfunk, SWR, MDR, NDR, …)

    Es gibt immer noch mehr interessantes zu lesen/hören als ich Zeit habe.

    1. @OhWeh
      Dieser Meinung schließe ich mich an.
      Als nach der politischen Wende 1989 die westlichen Fotozeitschriften die hier im Osten bekannten Zeitschriften vom Fotokinoverlag Leipzig verdrängten habe ich auch einige Exemplare ColorFoto konsumiert, sie sehr bald aber wieder zur Seite gelegt.
      Beruflich bin ich ohne Umwege bei der Computerzeitschrift c´t vom Heise-Verlag gelandet, der mein Sohn und ich über all die Jahre treu geblieben sind.
      Die erwähnten Journalistinnen und Journalisten (ich mag das Gendern nicht) haben auch bei mir einen guten Ruf. Ihren Beiträgen im Radio oder in Podcast folge ich gern!
      Gruß aus Sachsen-Anhalt
      Wolfram

    2. @ OhWeh

      Bei Katapult kann ich es bestätigen:
      Katapult ist eine der Zeitschriften, die beweisen, dass
      Printmedien auch im 21. Jahrhundert überleben können.

      1. Katapult stand im letzten Jahr nach eigener Aussage kurz vor der Pleite. Wenn man die Zahlen prüft, fällt auf, dass Sie keinerlei Transparenz über ihre Finanzierung herstellen, im Gegenteil musste ein Geschäftsführer wegen seltsamer Vorwürfe zurücktreten. In Greifswald bauen sie gerade eine neue Lagerhalle – ein ziemliches Ding. Obwohl sie gerade erst der Insolvenz entronnen sind. Sie arbeiten mit der Amadeu-Antonio-Stiftung zusammen, die im Jahr über 2 Mio Euro von der Bundesregierung erhält.
        Im Jahr vor der Fastpleite hatten sie 72 Mitarbeiter mit einem Einheitsgehalt von 3300 Euro und einem Umsatz von ca 2,5 Mio. Und sie haben nebenher noch eine Immobilie gebaut.
        Der letzte veröffentlichte Geschäftsbericht (eine Seite) betrifft das Jahr 2021 vom 7.6.2023. Ältere Berichte wurden im November 2023 „berichtigt“. Auch der Geschäftsbericht legt die Finanzierungen und Einnahmen nicht offen sondern beschränkt sich auf eine grobe Darstellung von Aktiva und Passiva.
        Katapult ist eine gemeinnützige GmbH. Eine gewisse Transparenz sollte man erwarten können.

        1. Katapult scheiterte fast an Fredrich. Nicht weil das Magazin nicht erfolgreich ist, sondern weil der ehemalige Chefredakteur tausend Ideen und viel zu viel Energie hat: Journalistenschule, Ukraine-Katapult, Tageszeitung in/für MeckPom, Buchverlag, usw. usf. Einige von den Sachen klappen halt nicht.

          Näheres hier: https://katapult-magazin.de/de/artikel/wie-geht-es-katapult

          Hier ging es mir eigentlich um die Qualität und den Erfolg des Magazins. Ob die Transparenz etc. für eine gGmbH reicht entscheidet das Finanzamt.

          1. Es geht hier darum, ob man mit Magazinjournalismus heute langfristig existieren kann. Die Frage ist, ob Katapult sich durch ihre Geschäftstätigkeit finanziert, oder durch Spenden – von wem auch immer. Und genau dies ist unklar und deshalb ist gerade Katapult eher nicht so das Musterbeispiel, dass Journalismus heute noch funktioniert. Das hat mit der Qualität des Magazins nichts zu tun.

  7. Hmmm, es war die ColorFoto die mich zu MicroFourThirds brachte. Damals war ich grad auf der Suche nach etwas besseren als das was ich zu der Zeit nutzte, eine der ersten Digi-Bridge. Und da hatten sie grad die GF1 gezeigt. Ich also in den nächsten Laden und war hin und weg ;).
    Abonniert hab ich die Zeitschrift nicht und wohl nur wenige Ausgaben gelesen.

  8. Jaja, die KloFoto…
    Die eine Ausgabe vom obigen Titelbild hab ich mir damals gekauft – als Belegexemplar!
    Weil da ein paar mir gut bekannte Pinguin- und Eis-Bilder drin waren…
    *lol*
    lg, Martin

  9. Vor so 10- 15 Jahren war für Fotozeitschriften mindestens eine Regalreihe in den Kiosken und den Zeitschrifftenhändler der Welt reserviert. Heute kann man froh sein wenn da mal ein oder zwei Hefte zu sehen sind, wenn überhaupt.
    Von der Color Foto hatte ich auch mal ein paar gekauft, aber das ist lange her.

  10. Vor langer Zeit hatte ich mir auch mal ein par Ausgaben der Color Foto gekauft. Habe es schnell wieder sein gelassen. Die Zeitschrift kam mir vor, wie ein Werbemagazin für Nikon und Canon.

  11. In den 70zigern war Sie für 2-3 Jahre meine Zeitschrift, aus der ich meine Grundkenntnisse erwarb, den Rest erarbeitete ich mir selbst.
    2018 kontaktierten Sie mich für ein Portfolio und das in zwei aufeinander folgenden Ausgaben zum Thema Makro und Musikinstrumente, mit jeweils 10 Seiten, natürlich gratis, das war für mich eine nette Erfahrung.

  12. Schon vor vielen Jahren habe ich mein langjähriges Abo gekündigt, nachdem der Verleger auf meinen Vorschlag, das Heft in Tabellenfoto umzubenennen, nicht eingehen wollte. 🙂 🙂

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