Trend: Kameras werden immer älter.

Wenn man sich auf dem Markt umsieht, wird es immer übersichtlicher. Die Absatzzahlen bleiben bestenfalls stabil. Die Händler erzählen die Geschichten, als die Hersteller die Kameras palettenweise in den Laden geliefert haben, wo man jetzt schon froh ist, wenn man in der Woche zwei Kameras an den Mann oder Frau bringt.

Was ist los? Fotografieren die Leute auf einmal nicht mehr?

Nein. Ich sehe es auch an den Mails, die mich erreichen, und an der Nachfrage nach Seminaren. Die vorhandenen Kameras reichen aus. Nicht die Smartphones sind der Tod der Kamerabranche. Es ist schlicht die Marktsättigung. Jeder hat schon ne DSLR oder Systemkamera zu Hause. Warum sollte er sich noch eine kaufen? Für die jährlichen Fotobücher des Urlaubs tun es die vorhandenen Megapixel dicke, „Rauschen“ ist schon seit 2008 für Otto Normalfotograf kein Thema mehr und für die Urlaubsfotografie oder ein Foto des Partners/Kindes/Enkels tut es der AF allemal.

2010: Ribe Foto. Verkauft keine Olympus mehr.

Neu gekauft wird, wenn die alte Waschmaschine ihren Geist aufgibt. Und dann ist es entweder die Billigste, die gibt, oder die Marke, mit der man bisher am Zufriedensten war. Wem zwei Bauknechte kurz nach der Garantie aufgegeben haben, der kauft keine Dritte. Und im Vergleich zu Kameras sind Waschmaschinen unschlagbar viel billiger und unschlagbar viel nützlicher.

Was machen nun die Kamerahersteller schlauerweise? Sie fangen an, alle paar Jahre alles umzumodeln so dass Gerätschaften, die vor ein paar Jahren mit neuem Gerät noch funktioniert haben, das nicht mehr tun. Im Zweifel gar nicht mehr anschließbar sind. Und sie hören auf, das „alte Zeug“ zu reparieren.

Plötzlich sitzt der Kunde mit einem Haufen Edelschrott zuhause, für den er sich die Waschmaschinen hätte im Dutzend kaufen können. Und noch zwei E-Bikes dazu.

2011: Photo Höhler Helgoland, liefert auf Bestellung noch OM-System

Nun gibt es mehrere Strategien, mit so einer Situation umzugehen.

Der Fanboy: stellt das Zeug in die Vitrine und kauft vom gleichen Hersteller alles Neu.

Der klassische Hobbyfotograf: Zuckt die Schultern und knipst mit dem Krempel weiter bis er auseinanderfällt. Ersatz gibt’s für kleines Geld am Gebrauchtmarkt.

Das GAS-Opfer: Wechselt das System, verkauft alles an den klassischen Hobbyfotografen und kauft von einem anderen Hersteller alles Neu.

Der Profi: Knirscht mit den Zähnen, knipst mit dem Kram weiter, bis er auseinanderfällt, leiht sich die Kameras und sieht sich nach einem Hersteller um, der eine langfristige Produktstrategie fährt. Warum hat Pentax im Profibereich so einen hohen Marktanteil? Darum.

Der Nerd, Vlogger, Blogger, Familienvater, Schüler…. Nimmt das Handy.

2012: Fotoladen in Clermont-Ferrand. Nicht mehr feststellbar.

Für die Hersteller bedeutet das, sie verkaufen nur noch an Fanboys und GAS-Opfer weil sich der Normalkunde schlicht verarscht fühlt. Ausgeplündert und auf der Straße zurückgelassen.

Wie kommt man an diese Kunden wieder ran? An all diese Leute, die die Kameras im Schrank stehen haben und sich weigern, weiterhin am Markt teilzunehmen, weil sie so dermaßen gründlich über den Tisch gezogen wurden, dass sie keine Lust mehr haben?

Man baut Vertrauen auf. Du hast ein Problem? Hier gibt’s jemanden, der Dir hilft. Deine Kamera braucht Streicheleinheiten? Wir streicheln. Du hast ne uralte Knipse, die wunderbar funktionieren würde, wenn da nicht diese eine Feder….? Ja. Wissen wir. Dauert ein bisschen, bis wir die Feder herkriegen, aber wir besorgen. Kostet ein bisschen was, weil wir die Feder extra für Dich biegen lassen, aber wir machen.

Man kann mit Service Geld machen und Kunden binden. Wenn man ihn nicht als notwendiges Übel betrachtet, sondern als Markenkern. Ja klar, „Wir reparieren alles, was wir in diesem Jahrtausend verkauft haben“ – das kostet an Schulung und Ersatzteilen einmal Millionen. Aber der langfristige Marketingeffekt ist unschätzbar. Das Verschenken von Objektiven hat allein OMDS Europa nach meinen Informationen mehrere Millionen Euro gekostet. Der Marketingeffekt war negativ. Man hat zwar Kameras unter die Leute gebracht, aber dafür die Marke ruiniert.

2013: Photodose. Verkauft keine Kameras mehr.

Die Verlagerung des Service von Prag nach Portugal hat bei Olympus kurzfristig Personalkosten gespart, den einzelnen Servicefall um etwa 5% verbilligt und bei OMDS einen siebenstelligen Markenschaden verursacht.

Wenn ich mich im Netz in den Kommentarspalten oder in meiner Mailbox umsehe: Der Tenor ist eindeutig: derzeit keine Anschaffung von OM-System-Hardware. OMDS kriegt das Zeug nur noch los, wenn sie es neu unter Gebrauchtpreis anbieten und der Rabatt das Hirn ausschaltet. Der Grund? Niemand weiß, wie es weitergeht. Den Beteuerungen des Managements wird nicht mehr geglaubt, weil man schon zu oft verarscht wurde. Man rechnet damit, dass die Firma über die Wupper geht und dann gar nichts mehr repariert wird .

Die Info, dass OMDS in Wirklichkeit eine Rüstungsfirma ist, wird dankbar aufgenommen, weil man nun zumindest an ein Überleben der japanischen Firma glaubt. Geht’s noch absurder?

Ich bekomme Mails von Leuten, die mit E-M1 fotografieren, mit PEN-F, mit E-PL7, mit TG-4, die an ihren Kameras noch 14-54 und 50-200 einsetzen. Weil das Zeug gut ist, weil es seinen Dienst tut, weil es keinen stichhaltigen Grund gibt, eine neue Kamera oder neue Objektive zu kaufen. Wer mit seiner E-M1 ein 12-40 f/2,8 gekauft hat- warum sollte er ein 12-45 f/4 kaufen?

2015: Regal im Service im Prag. Hier standen alle technischen Geräte , die Olympus in den letzten 20 Jahren auf den Markt gebracht hatte, mit geladenen Akkus und betriebsbereit, damit die Hotlinemitarbeiter einfach ins Regal greifen und mit dem Kunden das Problem nachvollziehen konnten.

Wie komme ich an diese Kunden ran? Durch ruinöse Rabatte? Durch tägliche Newsletter, die die Leute nerven und keinen Mehrwert bieten? Durch Kameras, die sie nicht brauchen? Nein, Service. Und spannende Usertreffen – keine kostenpflichtige Werbeverkaufsveranstaltungen. Ich brauche jemandem, der seit zehn Jahren mit einer E-M1 unterwegs ist, nicht sagen, wie er seine Knipse bedient oder wie toll das doch wäre, nach Amerika zu fahren um Alligatoren abzulichten. Wer eine Kamera so lange hat, weiß, was er fotografieren will – der braucht da keine Nachhilfe mehr.

Ja, aber man kann ihm doch eine neue Kamera verkaufen! Klar – wenn die Kamera besser ist. Der Kunde hat ein Unterwassergehäuse für die E-M1 – zusammen mit Blitz und so kostet das ein Vielfaches der Kamera. Warum sollte er sich ne neue Kamera kaufen? Für die es kein Gehäuse gibt? Er baut auf die E-M1 den elektronischen Aufstecksucher drauf. Zum Hochklappen. Der passt auf die neueren Kameras nicht, einen Winkelsucher gibt’s nicht. Ich habe also drei Möglichkeiten: Eine Kamera oder ein Objektiv entwickeln, die seine Bedürfnisse befriedigt, seine Kamera mit Streicheleinheiten zu versehen, oder den Kunden an den großen Pool derjenigen zu verlieren, die ihre Bedürfnisse auf dem Gebrauchtmarkt befriedigen.

OMDS Europa hat sich derzeit für die letztere Strategie entschieden.

Strategien kann man ändern.

15 Replies to “Trend: Kameras werden immer älter.”

  1. Wunderbar – auf den Punkt gebracht!
    Meine beiden E-M1 (I) – Gehäuse werden solange genutzt, bis sie nicht mehr funktionieren.
    Danach – mal sehen.
    Neuanschaffungen von OMDS – nein, eher nicht, andere Mütter haben auch schöne Töchter.
    Beste Grüße + bleibt alle gesund!

  2. 2 Gedanken:
    Richtig tolle und verlockende Kameras gibt es von fast allen Herstellern. Leider sind die Olympus-Knipsen aber um so vieles geiler als alle anderen Geräte am Markt. Die Ergonomie. Der Staubrüttler. Der IBIS. Die Wetterfestigkeit. Die LiveXYZ-Funktionen. Eigentlich müsste man OMDS mit einem Systemwechsel abstrafen. Geht aber nicht, weil 1. wie beschrieben leider (immer noch) geil und 2. die emotionale Bindung mit der Marke Olympus (nicht OMDS!). Beides wird aber nicht ewig so bleiben.

    Angesichts dessen, dass OlyMDS eigentlich eine Rüstungsfirma ist, verstehe ich aber den Verkauf der Kamerasparte nicht. Wenn das in Summe dann doch rentabel ist, hätte Oly die Sparte doch selber sanieren anstatt verkaufen können. Oder sie hätten die Sparte zurückkaufen können, falls das Gerücht dieser Option gestimmt haben sollte?

  3. Wie Rudolf oben schon schrieb – kann ich zu 100% bestätigen, ist hier nicht anders (und die E-M1 II war auch schon vom Gebrauchtmarkt)..
    Kommt noch hinzu, dass das Geld bei mir/uns und in der Bevölkerung (nicht nur was den Fotosektor betrifft – auch Autos werden z.B. immer älter) seit CORONA nicht mehr so „locker sitzt“. Man hält sich zurück, spart, Neuanschaffung(en) nur, wenn’s nicht mehr anders geht. Und: Eine Kamera ist da nicht mal so wichtig! Vielleicht ist da noch ein zweites Gehäuse – oder man nimmt das Handy.

  4. Es ist schade, daß man so detailliert auf die Misere hinweisen muß. Ich gehöre zu den „Fanboys“ da ich seit der Ära Camedia 2000 und Camedia XL1400 (Spiegelreflex) schon dabei bin. Nun, ich hatte einen „Vorteil“ da wir bei Olympus-Mikroskopie die diversen Knipsen an die Mikroskope angepaßt haben und per Software fernsteuern konnten. Mit diesem Wissen der Fernsteuerung von Olympus-Digitalkameras habe ich mir dann eine E-PL1 gekauft….und bin hinsichtlich der Fernsteuerung herb enttäuscht worden, geht nicht!
    Dann kam eine EM5, eine EM10II und viel später eine gebrauchte EM1 und viele gute Optiken.

    Nun ja, ich gehöre wahrscheinlich auch zur Generation „Nachhaltigkeit“ und werde das Equipment „runterrödeln“ bis es auseinanderfällt – das kann bei meiner Pflege aber lange dauern!!

    …und auch ich sehe keinerlei Notwendigkeit neues Equipment zu kaufen….da ich beim Ausreizen des alten Equipments noch nicht am Ende bin.

    Die liebste Kamera ist mit die EM10II wegen Focus-bracketing – emotional bin ich aber mehr verliebt in die EM5, die hat die große Qualitätsverbesserung in einem Fotoschaffen gebracht.

    Die Werbungen von OMDS finde ich interessant aber nervig – wie gesagt vier gut funktionierende Kameras reichen…und da steht auch noch das für mich wichtige Logo drauf!

    Und Systemwechsel – kommt gar nicht in Frage, siehe einen Satz weiter oben.

    So, daß sind meine 5 Cent zum Thema

  5. Ich ringe noch mit meinem GAS, ob ich nich doch noch den Cashback für die OM-1 nutzen soll…
    Das Wollen ist manchmal stärker als das (Nicht)Brauchen.

  6. … leider sehr wahr und einfach nur traurig!

    Bzgl. langer Nutzung seiner Gerätschaften muss man sich sicher am meisten Sorgen um die Akkus machen. . Gerade hat sich nämlich einer der Akkus meiner EP-3 verabschiedet.

    1. Ein kleiner Tip: Schmeiß die defekten Akkus nicht weg. Da kann man immer noch eine elektrische Überbrückung reinbasteln und die Kamera mit einer Powerbank betreiben.
      Zum Hauptthema: Nicht nur Kameras werden immer älter. Die übernächsten Usertreffen finden in den Altersheimen statt…

      LG Panomatic

  7. Man könnte auch aus technischen Gründen das Bayonett wechseln und dadurch Kunden die Akut unter GAS leiden dazu zwingen alle Objektive neu zu kaufen… das Geld wird eh vorallem mit den Objektiven verdient…

    Dafür muss die Stammkundschaft halt blöd genügend sein sonst kann man die Kamera Sparte danach dicht machen. Also eher etwas für Marken die 150€ für Firmware Updates mit Custom Raster im Viewfinder bezahlen…

    Ich befürchte das einige Hersteller aus der Not noch sehr kreativ im abkassieren werden in Zukunft.

  8. Da kann ich nur zustimmen: Service und Kundenbetreuung sind das Fundament für einen langfristigen Unternehmenserfolg.
    Als Systemwechsler, seit heute weiß ich, dass ich ein GAS-Opfer bin, haben mich die ganzen Cashbacks so geärgert, dass ich jetzt auf den Gebrauchtmarkt gekommen bin.
    Technisch und von der Usability bin ich aber noch hellauf begeistert. Ich nehme mal an, dass der gesamte Krempel noch mindestens 10 Jahre funktioniert. Dann komme ich eh nicht mehr vom Sessel hoch.

  9. Meine private Statistik sagt, dass alte Objektive nicht nur in Verwendung sind sondern auch repariert werden. Sonst würde keiner Fokus- und Zoomringe nachkaufen.
    Auch bei den Akkus lässt sich noch einige Zeit lang was machen. Zur Not wie oben beschrieben einen externen Akku über Adapter anflanschen.
    Meine Kameras werden auf jeden Fall genutzt, solange es geht. Im UW-Gehäuse hab ich noch die E-5. Warum? Weil sie nach knapp 15 Jahren immer noch gut funktioniert.
    Es lebe die Nachhaltigkeit!

  10. Hallo,
    kann Helge nur beipflichten. Bei mir laufen alle Oly-Kameras noch. Lediglich ein (Sigma-)Objektiv hat Defizite in der Funktion. Alles andere läuft noch. FT wie mFT.
    Kamera-Neuware ist mir inzwischen zu teuer geworden. Seit einiger Zeit kaufe ich nur noch gebraucht. Und auch nur, wenn sich wirklich was Gutes tut und bezahlbar wird. Wie z. B. die gebrauchte E-M1II heuer. Das gebraucht gekaufte 12-40 war schon ein Anfall von GAS ^^. Denn eigentlich bin ich mit dem 14-54 sehr zufrieden. Das Backup Arrangement hat sich halt etwas verschoben.
    Aktuell nehme ich wieder mehr das größere Equipment mit. Die letzten Jahre war ich nur mit kleinem Aufwand unterwegs.

    Schönen Gruß
    Werner

  11. neben meiner E-M1.2 und 1.3 habe ich noch eine funktionstüchtige E-3 und dazu passend 5 FT Objektive. Leider hält der Akku nicht mehr solange durch

  12. Dito !
    Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Bei mir wird die E-M1X und die M1 Mark II auch noch verwendet bis zum technischen exitus (oder meinem).

    lg
    Wolfgang

  13. Ich hätte tatsächlich Lust von der M1 II auf die OM1 upzugraden, aber das kommt nicht infrage solange man permanent das dumpfe Gefühl hat, dass die Firma evtl. noch vor Ablauf der Garantie in die Binsen gehen könnte…

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