Karfreitagsphilosophie

Kurt war Gärtner. Er besorgte für andere den Garten, bekam dafür Geld und schaffte sich damit neues Werkzeug und neue Pflanzen an, damit er den Garten für den nächsten Kunden pflegen konnte. Und nebenbei lebte er von seinem Gärtnern.

Irgendwann hatte er ein Stück Land übrig und begann, dort selbst einen Garten anzulegen. Zuerst nur für seine eigene Familie, aber dann kamen die Nachbarskinder zum Spielen und hatten Freude. Und mit der Zeit kaufte er, immer, wenn er etwas Geld übrig hatte, ein paar Quadratmeter Land dazu und entwickelte seinen Garten weiter. Er setze kleine Schildchen an die Beete, damit die Leute lesen konnten, was da wuchs. Und er baute Spielplätze. Kleine Spielplätze und große Spielplätze. Und gelegentlich, wenn ihn jemand im Garten traf, erzählte er dem Besucher etwas über eine Pflanze, die ihm besonders gut gefiel, oder über den Ärger, den er mit Unkraut oder mit einem Lieferanten von Stiefmütterchen hatte.

Nach über einem Jahrzehnt war der Garten so groß, dass man Tage darin verbringen konnte, und immer wieder etwas Neues entdeckte. Nach wie vor konnte jeder in diesen Garten kommen, der wollte. Wenn jemand Müll hinterließ, wurde der weggeräumt und der Schmutzfink durfte zwar noch in den Garten, aber eben erst nach Taschenkontrolle. Im ganzen Garten gab es keine Werbeplakate, keine Eiscremeautomaten und keine Pommesbude. Es war einfach nur der Garten von Kurt.

Gelegentlich kamen Leute vorbei, die schlechte Laune hatten. Oder einfach nur eine unglückliche Kindheit. Die gingen in den Garten und beschwerten sich laut, dass da nicht vor jeder Pflanze ein großes Schild stand, auf dem genau stand, wie Photosynthese ging und wie groß diese Pflanze im Vergleich zu anderen Pflanzen war. Wenn ihnen dann gesagt wurde, dass man dann vor lauter Schilder den Garten gar nicht mehr sehen könne, und an irgendeiner solchen Pflanze so ein Schild schon steht. dann beschwerten Sie sich noch lauter. Man habe schließlich keine Zeit, tagelang durch Kurts Garten zu wandern, um dieses andere Schild zu finden.

Kurt zuckte mit den Achseln, setzte diese netten Leute auf die Liste derjenigen, deren Taschen kontrolliert werden müssten und dachte sich ein neues Eck in seinem Garten aus, wo er etwas Schönes hinpflanzen könnte.

5 Replies to “Karfreitagsphilosophie”

  1. Hallo Reinhard,
    ein sehr schöner Beitrag zum Karfreitag.
    Allen hier Frohe Ostern und genießt die Tage.
    Herzliche Grüße
    Thomas

  2. Wunderbarer Sidestep zu allem (Foto)Technischen, solche Texte brauchen wir dieser Tage. Das Imperfekt als Zeitform deiner Erzählung bringt ein bißchen Wehmut. Hoffe, es geht gut weiter mit diesem Garten und allen, die darin träumen möchten.

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