Wie ich Bücher schreibe

„Der Wagner verwendet Textbausteine“ lese ich gelegentlich. Nein. Tue ich nicht. In Wirklichkeit nehme ich das vorherige Buch, ersetze „E-M1II“ durch „E-M1III“ und fertig.

Und jeder, der das glaubt, hat nie ein Buch von mir gesehen.

In Wirklichkeit läuft das anders. Ich erhalte irgendwann von Olympus die Kamera, um die es geht und fange an, damit zu fotografieren. Das dauert bis zu acht Wochen, in denen ich versuche, die Kamera in meine Art, Bilder zu machen, zu integrieren. Da schreibe ich meistens kaum eine Zeile, sondern versuche, einfach herauszufinden, wie sich die Kamera verhält, was die Kamera kann, was sie nicht kann und für wen die Kamera überhaupt was wäre. Da arbeite ich damit im Studio, fahre in der Gegend herum, mache touristische Aufnahmen und Familienbilder. Alles, was halt so anfällt.

Dann wird das Vorwort geschrieben. Und dann das erste Kapitel, das bei Franzis „Kameraporn“ hieß, also eine Beschreibung der Kamera um dem Kunden das Gefühl zu geben, seine Kamera sei das affengeilste Gerät unter der Sonne und er sei der Held, sie gekauft zu haben und er müsse nun unbedingt auch dieses Buch kaufen. Nachdem bei meinen PDFs die Leute erst zahlen und dann lesen ist die „Porn“-Komponente in dem Kapitel mittlerweile zurückgegangen.

Bislang gab es dann immer das Kapitel „Crashkurs“, das, da sich die Grundlagen ja nicht wirklich ändern, aus den Vorgängern übernommen und noch mal durchgeackert wurde. Tippfehler beseitigen, Unklarheiten aufklären, neue Fotos, kleinere Ergänzungen. Der „Crashkurs“ ist jetzt in mein Praxisbuch ausgegliedert worden, an dem ich gerade schreibe. Der Anteil kameraspezifischer Teile ist da so gering, dass das kein Problem sein sollte.

Die Grundeinstellungen sind natürlich immer wieder ähnlich, aber trotzdem bei jeder Kamera anders. Olympus gefällt sich darin, Defaulteinstellungen zu ändern, so dass man einen bestimmten Parameter nicht mehr ändern muss – dafür führen sie einen anderen Parameter ein, den man dringend ändern sollte. Und hier ist dann auch klar, warum ich erst mit der Kamera fotografiere und dann das Buch schreibe – denn im Verlauf des Schreibens muss ich alle paar Seiten die Kamera auf Werkseinstellungen zurücksetzen – und es nervt, anschließend dann die Kamera jedes mal wieder auf „benutzbar“ zu konfigurieren.

Das Kapitel „Autofokus“ kostet mich jedes Mal ein paar meiner spärlichen Haare, denn natürlich sagt mir Olympus nicht, wie ihr AF funktioniert. Und in jeder Kamera ist der AF geändert. Selbst wenn Olympus behauptet „Da ist nichts geändert“ – es ist. Immer. (Und selbst die Whitepaper von Olympus sind teilweise schlicht falsch.) Und jetzt schreibe man eine Beschreibung, mit der irgendjemand was anfangen kann. Angesichts der Tatsache, dass jeder seine Kamera anders hält und beispielsweise beim C-AF unterschiedlich genau das Motiv im Ziel halten kann. Mit unterschiedlichen Objektiven in unterschiedlichen Lichtverhältnissen bei unterschiedlichen Motiven. Ich kann also nur versuchen, die Funktionsweise des AF zu erklären, damit jemand versuchen kann zu verstehen, wie die Knipse tickt. Klar, auch hier gibt es Sätze, die exakt so aus dem Vorgängertext übernommen werden. Geht gar nicht anders. Ich habe jetzt etwa 30 Kamerabücher geschrieben – wenn ich Schärfentiefe jedes Mal anders erklären würde, dann wäre garantiert die Hälfte der Erklärungen falsch oder unverständlich oder beides.

Ähnliches trifft im Endeffekt auf alle Kapitel zu. Video, Blitz, Crashkurs und den Praxisteil gliedere ich im Augenblick aus, gerade weil sich da bei den Kameras nicht wirklich groß was ändert – und wenn, dann kann man das mit einem Halbsatz erschlagen. Die Sonderfunktionen der Kameras, das Menü, technische Erklärungen zur Kamera – all das muss Zeile für Zeile überarbeitet werden. Manches bleibt – eben weil es sich nicht verändert hat – manches fliegt raus, anderes muss neu geschrieben werden. Wenn dann schließlich der Text fertig ist, wird noch mal zwei Wochen fotografiert um die restlichen Bilder zu haben. Denn gerade beim Durchforsten des Kameramenüs fallen Dinge auf, die man beim achtwöchigen Testen nicht gesehen hat. Denn es geht ja nicht nur darum, eine Kopie des Olympus-Handbuchs zu schreiben, sondern zu jeder Funktion auch zu erklären, was man damit machen kann. Und gelegentlich braucht man da dann halt auch ein Foto dazu – bzw. man muss Fotos machen um auszuprobieren, ob diese Funktion auch das macht, was man sich so vorstellt. Ein Musterbeispiel ist der AF-Begrenzer in der Kamera, den ich einmal zum Libellen fotografieren genutzt hatte – da hat es zufälligerweise geklappt und ich war schwer begeistert. Erst als ich dann ein halbes Jahr später die Funktion mit anderen Objektiven benutzen wollte, habe ich festgestellt, dass das nicht funktioniert – da waren die Bücher aber schon draußen. Also teste ich mittlerweile jede Funktion mehrfach.

Natürlich gibt es Leute, denen das nicht genug ist. Die wollen von mir genau wissen, wie sie die Kamera einstellen sollen, und mit welcher Blende und Belichtungszeit und Autofokusmodus sie ihr nächstes Motiv fotografieren sollen. Und wie lange ihr Akku hält. Das sei das Mindeste, was man von einem Kamerabuchautor erwarten könne.

Ich schreibe unter jedes Bild die EXIFs drunter. Ich erkläre, wie die Kamera funktioniert, was nicht funktioniert und was man tunlichst bleiben lassen sollte. Aber ich gebe bewusst keine Vorgaben, wie man die Kamera einstellen soll. Ich weiß, dass es Leute gibt, die ihre Konfiguration als Download verfügbar machen. Aber, Leute, wenn es für euch zu kompliziert ist, die Parameter selber einzustellen und euch zu überlegen, was genau ihr wie fotografieren wollt – was wollt ihr dann mit meinem Studioweißabgleich auf WB-Speicherplatz 2? Oder meine Videokonfig mit Lautstärke -10 – weil ich halt meistens an der Bühne filme?

Stefan Münz hat 1995 eine Website und einen Verein aufgebaut, SelfHTML. Das Motto dieses Vereins ist „Die Energie des Verstehens“. SelfHTML hat mir damals unendlich beim Einstieg ins Web geholfen und genau dieses Prinzip versuche ich auch bei meinen Kamerabüchern umzusetzen. Ich versuche, dazu beizutragen, dass der Fotograf sein Handwerkszeug versteht.

Lest also die Bücher. Und wenn was nicht verständlich ist, sagt Bescheid. Ich habe hier ein par Mails mit Fehlerkorrekturen (meistens Typos) die dann jeweils bei der nächsten Version korrigiert werden. Denn wer arbeitet, macht Fehler. Dazu muss man stehen. Solange es nur Typos sind, kann ich damit leben. Denn natürlich könnte ich solche Fehler durch eine Zweitkorrektur minimieren. Die dauert drei Wochen und kostet Geld. Also gibt’s die Bücher nen Monat später für mehr Geld. Dafür, dass alle zehn Seiten ein Tippfehler weniger ist? War’s mir bisher nicht wert. Gerade weil ich bei Franzis die Erfahrung gemacht habe, dass die Textkorrektur in etwa so viele Fehler rein- wie rauskorrigiert hat.

Ach ja: die Fotos sind mit dem 100-400 entstanden – und der E-M1II. Ne geile Kombi.

12 Replies to “Wie ich Bücher schreibe”

  1. Ich habe nur wenige Autoren kennen gelernt, die so wie Du arbeiten.
    Meist handelt es sich nur um aufgeblähte Bedienungsanleitungen, die einem hier verkauft werden – leider sieht man dies selten beim ersten Durchblättern. Teilweise hat man das Gefühl, dass der Autor die Kamera (oder das Objektiv) nie in der Hand hatte.
    Freue mich schon auf weitere Veröffentlichungen von Dir!

    Aus meiner analogen Vergangenheit fallen mir spontan zwei Autoren ein: Alfons Scholz -„Leica M6 – Geschichte und System“ und Günter Richter – „Canon F-1“ (beide Bücher schon lange vergriffen) ein, die so oder ähnlich wie Du gearbeitet haben.

    Beste Grüße + bleibt alle gesund!

    1. Ich vermute, das die üblichen „Jammerlappen“ falsche Ansprüche haben.
      Die picken sich ein Kapitell raus und erwarten durch das Buch perfekte Bilder mit welchen sie den Nobelpreis erhalten…
      Den Ratschlag zuerst einmal von vorne bis hinten zu lesen und etwas zu verstehen passt nicht in deren „Jammerlappengehabe“.
      Aktuell habe ich noch ein paar hundert Seiten vom E-M1X Buch vor mir.
      Jammer ich deshalb? Nö! Ich habe einen Riesen Spaß am Lesen.

      LG Andreas

  2. Ich vermisse ein wenig das gedruckte Buch. Weil ich oft mit der Kamera in der Hand auf dem Sofa saß, das Buch neben dran lag und ich Sachen daraus ausprobierte, vor- und zurückgeblättert habe um wiederholt etwas nachzulesen, wie man es gerade benötigt. Es war ein Arbeitsbuch, wie die Kamera ein Arbeitsgerät ist.
    Das schöne an Büchern ist, dass sie da sind wenn man sie braucht. Es ist niemals der Akku alle und es fährt auch nicht in einen Schlaf- oder Energiesparmodus – und man hat es in der Regel für sich alleine, z.B. weil die Wetter App darauf nicht funktioniert…

    1. Also das mit dem vor-und zurückblättern funktioniert aber auch gut beim Ebook. Habe ich letztes Jahr im Urlaub ausgiebig gemacht- mit dem Kameras (E_M1.1 und E-M1.2) nebendran. Und im Urlaub haben die PDFs echte Gewichtsvorteile. Ich habe die erste Version vom E-M1 Buch vom Franzis Verlag hier. Ganz ehrlich, das hätte ich nicht mitgenommen. Und da zwei Kameramodelle, hätte ich ja zwei Bücher gebraucht. Im selben Tablett waren auch noch die Bedienungansleitungen untergebracht, d.h. ich konnte mir wirklich gut neue Funktionen erarbeiten.

      Klar, der Akku vom Tablett kann leer sein- aber der von der Kamera auch. Und bei jedem Kamera-update das gebundene Buch neukaufen- auch nicht gerade umweltfreundlich.

      Gruß Christine

      1. Ja klar, und ein pdf lässt sich besser updaten. Das mit dem Drucken ist eine gute Idee, vielleicht lasse ich das auch machen.
        Ich bin mir nicht sicher ob die Ökobilanz eines Buches so schlecht ist. Kommt wahrscheinlich auch darauf an, wo es gedruckt wird. Nur der Ressourcenbedarf der ganzen Tablets, Laptops etc. in Summe ist auch nicht gering und das fachgerechte Recycling der Produkte an deren Lebensende, z.B. in Agbogbloshie, Accra ist auch nicht überzeugend.

        Viele Grüße, Rafael

        1. Für die PEN-F z.B. besitze ich beide Varianten – gefühlt nehme ich das gedruckte Buch aber viel öfter (und lieber) in die Hand. Klar ist das PDF aktueller – aber die Haptik….
          Vielleicht liegt es am Alter 😉

          Beste Grüße + bleibt alle gesund!

  3. Bücher sind so genau richtig, wie sie von dir gemacht werden, deshalb habe ich auch ziemlich einige davon. Ob auf Papier oder digital, ist halt der Lauf der Zeit. Es ist wie beim Kochen: die Ingredienzien (das Handbuch) allein macht noch kein Spitzengericht, die Art der Anwendung ist entscheidend. Dass Kamerabauer das immer noch nicht kapieren und ihre Kunden mit teilweise kryptischen Kochbüchern alleine lassen, halte ich für den größten Marketinggau.
    Zum Thema Autofokus. Ich kann nachvollziehen, dass das Tool Haare kostet, auch bei mir. Speziell dem Oly C-AF im Nah-und Mittelbereich (noch dazu vor unruhigen Hintergrund) Manieren beizubringen, geht nur mit dem
    Fokus-Limiter (danke nochmal für die diesbezüglichen Tips). Du hast das zwar in deinen Büchern beschrieben, aber stelle das bitte noch ein bischen ausführlicher dar. Ich z.B. habe das ursprünglich überlesen und dann auch nicht bis ins letzte verstanden. Ich denke, das würde vielen Lesern helfen, die so wie ich keine Profis sind. Auch
    Auch der Umstand, dass der native Objektiv-Limiter (wie beim 300er Pro) den Kamera-Limiter (wie ich ihn beim 40-150er programmiert habe) immer überschreibt, hat mich einige Nerven gekostet.
    Und noch was (Hamburg bitte mitlesen): ich möchte verdammt nochmal endlich eine dedizierte Nearest is best-FN-Taste, und diese so groß wie einen Sektkorken!!! damit ich endlich den Kopf des Seeadlers scharf kriege und nicht den Schwanz.

    1. Das liegt schlicht und alleine an deiner Reaktionszeit!
      Wenn der Seeadler fliegt kommt erst der Kopf und dann der Schwanz. Ergo schneller auslösen.
      Duck und weg…

      1. Hast recht. Bin sportmotorisch so langsam, dass ich immer nur den Schwanz draufhabe, während der Restvogel schon wieder im Horst sitzt. Kann deine Satire (sofern so gemeint) gut mittragen, das Problem ist aber ganz konkret: beim anfliegenden Seeadler ist die beste Kontrastkante oft der weiße Schwanz. Das gilt leider auch für Smaragdlibellen, Mehlschwalben und anderes bodengebundenes zulaufendes Getier.
        Deswegen würde ich für einen verbindlichen nearest is best den Jakobsweg auf Knien pilgern, um vielleicht in Spanien den Kaiseradler (ohne Weißschwanz) scharf zu kriegen.

        1. Probiere mal mit „Pro Cap L“ und als Belichtungszeit 1/5.000s.
          Dann lies mal was zur „Cluster“-Darstellung, was damit möglich ist.
          Deinen selbst fotografierten Kaiseradler wirst du noch bekommen!

          1. Prima Tip, und ich mache das auch schon länger so bei definierten Start-oder Landepunkten der Zielobjekte. Aber bei C-AF? Fokus Nachführung bei L ist schon klar, mus ich probieren…Cluster verwende ich sowieso, da bes. kleine und schnelle Objekte nur mit Zielgerät zu verfolgen sind und damit natürlich kaum über Single points. Ändert aber nichts an meinem Grundproblem: ich will das Viech-sofern ich es getroffen und halbwegs sauber verfolgt habe-vorne scharf haben und nicht hinten. Gilt vor allem für die Sagittalebene, also wenn das Objekt auf mich zukommt. Danke auf jeden Fall für jeden Rat.

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