GfO: Schärfentiefe

Eigentlich wollte ich ja mit der Farbtemperatur anfangen, aber mir hat jemand gesagt, ich soll mich doch mal der Schärfentiefe annehmen. Weil da im Internet Diskussionen ohne Ende stattfinden, bei denen sich Leute immer noch die Köpfe einschlagen.

Was ist die Schärfentiefe? Der Bereich in einem Bild vor und hinter der Schärfeebene, der als scharf wahrgenommen wird.

Wie man unschwer erkennen kann, steht da was Subjektives: „wahrgenommen“. Jeder nimmt was anderes wahr.

Die Schärfentiefe hängt einzig und allein von Abbildungsmaßstab und Blende ab. Großer Abbildungsmaßstab – kleine Schärfentiefe, große Blendenöffnung, auch kleine Schärfentiefe. Es gibt eine Formel, die bei Motiventfernungen, die deutlich größer als die Brennweite sind, hinreichend genaue Ergebnisse gibt:

Nahpunktformel: gnah=(f^2g)/(f^2+kz(g-f))

Fernpunktformel: gfern=(f^2g)/(f^2-kz(g-f))
Was dazwischenliegt, ist scharf.

Dabei ist f die Brennweite des Objektivs, g die Entfernung zum Motiv, k die Blendenzahl und z der Zerstreuungskreisdurchmesser.

Ein 100%-Crop. 250mm f/2,8 an der naheinstellgrenze. Winzige Schärfentiefe.

Dem geneigten Leser wird auffallen, dass da nirgends eine Sensorgröße steht. Richtig. Auch der Abbildungsmaßstab ist unabhängig von der Sensorgröße (auch wenn Olympus da gerne umrechnet) denn wenn eine 5mm Fliege in 5mm Größe auf dem Sensor abgebildet wird, dann ist das ein Abbildungsmaßstab von 1:1 – absolut völlig egal, ob da außenrum noch ein Mittelformatsensor oder ein mFT-Sensor ist. Bei gleicher Blende ist die Schärfentiefe bei gleichem Abbildungsmaßstab gleich.

Aber. Da oben steht was von „wahrgenommen“. Wo ist das dann subjektiv?Die subjektive Komponente ist der Zerstreuungskreis. Die Annahme des Zerstreuungskreisdurchmessers ist der ultimative Hebel, um solche Internetdiskussionen in Flamewars ausarten zu lassen.

Es gibt drei verbreitete Möglichkeiten, den zulässigen Zerstreuungskreis anzunehmen:

1/1500 der Bilddiagonale. Das beruht auf der Tatsache, dass wir Bilder, die wir im Abstand der Bilddiagonale ansehen, mithin im Ganzen wahrnehmen, nur mit einer Auflösung von eben 3000 Bildpunkten in der Diagonalen sehen können. Der Zerstreuungskreis darf deshalb maximal den Abstand von zwei Bildpunkten haben, sonst wird die Abbildung unscharf. Das sind etwa 5 Megapixel. Detailansichten sind nicht möglich.

2x Pixelabstand. Das ist die Formel, die die Schärfentiefe auf Pixelebene bestimmt. Wird der Zerstreuungskreis mit dem zweifachen Pixelabstand bestimmt, kann man 100% Crops machen und man erhält die gewünschte Schärfentiefe. Werden die Bilder aber im Ganzen angesehen, so wirken die Bilder sehr viel schärfer.

1x Pixelabstand. Es gibt im Internet Schärfefanatiker, die grundsätzlich mit Z = Pixelpitch rechnen und darauf schwören, dass es nur so korrekt ist. Siehe oben, es geht hier um „Wahrnehmung“. Das ist nicht falscher oder richtiger als ein 3,76x Pixelpitch. Es ist anders. Jedem Tierchen sein Plaisierchen.

62mm f/3,5. Schärfentiefe reicht gerade so.

Die Mathematik ist immer gleich, und eine Sensorgröße kommt erst ins Spiel, wenn man 1/1500 der Sensordiagonale als zulässigen Zerstreuungskreis ansetzt.

Nochmal: die Sensorgröße fließt in die Schärfentiefe nicht ein, außer man will das so. Genauso könnte man die Maße der Cheopspyramide in die Berechnung des Zerstreuungskreises einfließen lassen. Oder die Höhe des Kölner Doms oder die mittleren Entfernung Erde-Mond. Es geht hier um subjektive Wahrnehmung. Und nichts anderes.

Rein technisch haben identische Objektive mit identischer Blende an allen Sensorgrößen die identische Abbildung.

Wenn man nun real existierende Sensoren mitsamt deren Auflösungen im Hinblick auf Schärfentiefen vergleicht, stellt man fest, dass die ganze Nummer mit Äquivalenzblenden und – brennweiten zu absurden Ergebnissen führt:

Mit 200mm f/2,8 auf 10m bei einem Kleinbildsensor mit 50MP hat man eine Schärfentiefe von 11,4cm.

Nimmt man nun einen 20MP-Kleinbildsensor, hat man 18cm Schärfentiefe

Mit 100mm f/2,0 auf 10m bei einem mFT-Sensor mit 20MP hat man eine Schärfentiefe von 28,2cm. Nimmt man aber ebenfalls ein 200mm Objektiv mit Blende 2,8, hat man eine Schärfentiefe von 9,7cm.

Gleiches Objektiv, gleiche Blende, gleiche Entfernung – aber der mFT-Sensor hat eine deutlich geringere Schärfentiefe. Klar- der Sensor löst das Bild viel feiner auf und man nimmt auf einmal Unschärfen wahr, die vorher nicht zu sehen waren. Ein Kleinbildsensor mit 80MP würde auf Pixelebene die gleiche Schärfentiefe erreichen, wie ein mFT-Sensor mit 20MP.

Der Highres-Shot hat übrigens keine geringere Schärfentiefe, obwohl er die vierfache Auflösung liefert.

Was bedeutet das? Nichts. Die Vergleicherei ist ein Streit um des Kaisers Bart. Für das eigene Bild, das man mit der eigenen Kamera gerade macht, ist es völlig irrelevant, wie das Bild aussehen würde, wenn es jemand anderes mit einer anderen Kamera und einem anderen Objektiv an gleicher oder anderer Stelle machen würde. Und für Profis ist die Schärfentiefe sowieso immer ein knappes Höschen. Denn der Kunde will keine unscharfen Bilder. Der will scharfe.

Zwei Bilder, gleiche Schärfentiefe. Aber unterschiedliche Freistellung,,,,

Noch ein Begriff: Freistellung: Der hat mit der Schärfentiefe nichts zu tun auch wenn das gerne verwechselt wird. Freistellung ist ein fotografisches Konzept und keine optische Formel. Doch dazu wann anders. Beim nächsten Post geht’s um Farbtemperatur.

8 Replies to “GfO: Schärfentiefe”

  1. Danke, Reinhard, für diese konzentrierte Erklärung. Obwohl ich die Diskussionen in den Foren auch verfolge, habe ich das Thema dort noch nicht so klar behandelt gesehen.

  2. Auch ich bedanke mich hier an dieser Stelle. So habe ich hier viel besser verstanden.
    Der schlüssige Punkt für mich war:

    „Gleiches Objektiv, gleiche Blende, gleiche Entfernung – aber der mFT-Sensor hat eine deutlich geringere Schärfentiefe. Klar- der Sensor löst das Bild viel feiner auf und man nimmt auf einmal Unschärfen wahr, die vorher nicht zu sehen waren. Ein Kleinbildsensor mit 80MP würde auf Pixelebene die gleiche Schärfentiefe erreichen, wie ein mFT-Sensor mit 20MP. “

    Das erklärt für mich einiges. Vielen Dank!
    Die Diskussionen um Schärfentiefe bei unterschiedlichen Sensorgrößen ist tatsächlich ein heftiger Streitfaktor.

    Viele Grüße
    Pit

  3. Hallo Reinhard,

    danke für Deine Ausführung. Du kannst es so richtig gut auf den Punkt bringen.

    Herzliche Grüße
    Thomas

  4. der schönste Absatz
    :::::::::
    Was bedeutet das? Nichts. Die Vergleicherei ist ein Streit um des Kaisers Bart. Für das eigene Bild, das man mit der eigenen Kamera gerade macht, ist es völlig irrelevant, wie das Bild aussehen würde, wenn es jemand anderes mit einer anderen Kamera und einem anderen Objektiv an gleicher oder anderer Stelle machen würde. Und für Profis ist die Schärfentiefe sowieso immer ein knappes Höschen. Denn der Kunde will keine unscharfen Bilder. Der will scharfe.
    ::::::::::

    Ach so, die Diskussion um Schärfentiefe und Tiefenschärfe haben wir zwei ja schon vor Jahren geklärt und schön dass Du dich daran hältst.

    Und für alle anderen (Deutsche Sprache / schwere Sprache):

    Schärfentiefe ist die Tiefe (Ausdehnung) der Schärfe
    Tiefenschärfe ist die Schäre in der Tiefe (Entfernung)

    Vergleich:
    Haustür: ist die Tür eines Hauses
    Türhaus: ist ein Haus in dem ihr Türen findet oder das wie eine Tür aussieht (z.B. Torhaus an der Messe in Frankfurt)

    Viele Grüße und einschönes Wochenenden
    vom Zauberberg

    1. Vielen Dank, vor allem auch für den letzten Kommentar.
      Wer vor mehr als 20 Jahren einen Abschluss in Fotografie gemacht hat, der weiß sicher, dass es nur Schärfentiefe heißen kann.
      Doch dann haben Firmen wie Nikon, Canon, Sigma und Co immer wieder das andere Wort gebraucht und es haben sich Menschen abstruse Rechtfertigungen ausgedacht, warum Schärfentiefe veraltet u ungenau sein soll.
      Ich merke heute noch wer sich einemal wirklich eingehend mit Fotografie auseinandergesetzt hat, eine Ausbildung genossen hat und sich Gedanken macht und wer nicht – an solchen Worten.
      Wobei ich auch das Wort Knipsen niemals im Zusammenhang mit meinen Fotos gebrauchen würde – das passt eher zu Smartphone-Schnappschüssen.
      Genauso wie ich niemals Gesichter aus weniger als 1,20 m Abstand ablichten würde, es sei denn ich will einen Effekt.
      Aber die Smartphone-Mode will alles auf den Kopf stellen, sogar das Filmen und in der Folge dann auch den Fernseher ins Hochformat – tolle Mode…
      Auf die Schärfentiefe!

  5. Pingback: GfO: Freistellung – pen-and-tell

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