GfO: Perspektive II

Beim letzten Mal hatte ich ja Brennweite und Abstand bei Porträts thematisiert. Porträts hier bezüglich “Gesichtern” verstanden. Es gibt eine erweiterte Definition von “Porträt”, die auch Ganzkörperbilder einschließt.

Grob gilt für Ganzkörperporträts exakt das Gleiche. Ab etwa 40mm halten sich die Verzerrungen in Grenzen. Kurz mal eine Demo, worüber wir reden:

45mm
14mm

Dass jemand mit 14mm oder weniger auf einen Menschen losgeht, ist eher selten (Wobei ich das auch schon auf Hochzeiten erlebt habe. Der Fotograf fand das affengeil. Die Braut nicht.) Aber 17mm ist nicht viel harmloser und das ist ziemlich verbreitet. Dazu kommt noch, dass viele Fotografen unfähig sind, die Knipse von ihrem Auge zu nehmen und im Stehen fotografieren. Effekt: Schultern wie ein Preisboxer, Atombusen und kurze Beine. Also braucht man Frauen, die flach wie ein Brett sind und am besten zwei Meter lange Haxen und Highheels haben. Es wird bei kurzer Brennweite aber nicht besser, wenn man in Bauchnabelhöhe fotografiert. Auf einmal wird das Becken ultrabreit. (Um es mal nett auszudrücken.)

Auch hier sind 40mm oder darüber die Brennweite der Wahl. Das bedeutet bei Ganzkörper mindestens fünf Meter Abstand. Ja, ich weiß, dass damit viele “Fotostudios” auf einmal zu klein sind. Und die meisten Wohnzimmer auch. Ist so. Auf der Fläche meines Studios (120qm) sind in Hobbystudios vier “Sets” untergebracht, auf denen gleichzeitig “geshootet” werden kann. Ich brauche die Länge, um weit genug weg zu kommen.

Ich höre immer wieder “Ich verliere dann den Kontakt zum Model”. Wenn ich mich dann mit erfahrenen Models unterhalte, was denn die Fotografen so zu ihnen sagen würden, um Kontakt zu halten, kommt regelmäßig die Antwort “Nichts.” oder “Auf die Zehenspitzen stellen, Hintern rausstrecken” oder “Schau mal versaut!”. Ich habe keinerlei Probleme, über fünf Meter den Kontakt mit den Leuten zu halten, mit denen ich zusammenarbeite. Wer das nicht schafft, Kommunikationstraining machen.

Je weiter man weg geht, desto mehr Möglichkeiten hat man auch, dezente Korrekturen vorzunehmen. Wenn ich zwei Meter vom Model entfernt stehe und etwas tiefer gehe, wird sofort die Hüfte zu breit, Oder Oberschenkel zu dick. Stehe ich fünf Meter weg, kann ich ganz dezent die Beine einen Kick länger machen, ohne dass es anfängt unnatürlich auszusehen.

Ganz zu schweigen davon, dass ich auf einmal Räume gestalten und an der Bedeutungsperspektive schrauben kann, ohne sofort Teile des Studios im Bild zu haben, die ich dann mühsam per EBV rausfuddeln muss.

Ich habe mir auch mal ein Kellerstudio eingerichtet und da Leute geknipst. Wenn ich mir das heute ansehe, geniere ich mich immer noch. Für ein Porträtstudio (also bis einen Meter Motivhöhe) reicht ein Studio mit 5 Meter Länge. Da kommt man gemütlich zwei Meter vom Motiv weg und hat ausreichend Spielraum. Sobald es um Ganzkörperfotos geht, sind zehn Meter angesagt. 15 Meter sind auch kein überflüssiger Luxus für ein bisschen kreativen Spielraum. Das Wohnzimmer ist nicht so groß? Dann lass es bleiben.

Und ja, ich kenne einige Leute, die in einem kleinen Raum trotzdem Ganzkörperfotos machen. Und das sogar sehr gut gebacken kriegen. Aber sie haben dann halt einen bestimmten Style.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *