Vor kurzem habe ich einem wirklich guten Eventfotografen meine E-M1II mit 14-35 f/2 in die Hand gedrückt und gesagt, jetzt film mal den Auftritt da. Dein Job sind die Solisten. Gerade schneide ich dieses Material und dabei fallen mir mal wieder Dinge auf, die vielleicht erwähnt werden sollten.

Das kann man alles zusammenfassen mit “be steady”. Sei stabil, standfest.

Kurz zur Situation, wie ich Bands filme, wenn ich alleine bin: Ich habe drei feste Kameras an der Bühne. Eine von hinter der Bühne, das ist mittlerweile ne OM1, weil die durchlaufen kann, ohne dass ich nach ner halben Stunde neu starten muss, zwei Kameras vorne, also Stage right und Stage left, an die ich zum Neustart schnell rankomme. Und eine E-M1II (oder E-M1III oder X) als Handkamera. Die OM-1 als Handkamera ist Mist, weil die OM-1 den Zoomrahmen nicht hat, die ist als Handkamera unbrauchbar.

Klar, die Fixkameras haben alle Weitwinkel drauf, die Handkamera das 14-35 /2. Warum? Weil es bei der Entfernung von zwei bis drei Metern beim Zoomen halbwegs den Fokus hält und auch der Zoomrahmen scharf ist – und, natürlich weil man es auf 2.0 hochziehen kann.

Soweit dazu. Was ist zu beachten:

  • Die Fixkameras sollten von der Bassdrum entkoppelt sein, sonst ist das Material unbrauchbar. Das Stativ also nicht auf der durchgehenden Bühne aufstellen, sondern vielleicht die Kamera mit einer Super Clamp am Lichtrig befestigen. Achtung! Wenn man die Superclamp nicht an einer Traverse sondern an der Säule befestigen muss, ragt der Zapfen mit dem Stativgewinde zur Seite. Man muss also einen stabilen Kugelkopf dabei haben, mit dem man den Winkel hinkriegt, damit die Kamera waagrecht steht. Dazu unbedingt noch eine arretierbare Panoplatte drunter, damit man den Kopf sauber drehen kann, denn der Zapfen zwischen Clamp und Kopf hat nur zwei Stellungen: Lose oder fest. Wenn die Gewinde blöd laufen zeigt der Schlitz am Kugelkopf für die 90°-Kippung in die falsche Richtung. Sollte man checken, bevor man zum Termin geht. Ausreichend vorher.
  • Handkamera Punkt 1: Ein Zoom auf den Solisten kann total klasse kommen. Wenn man’s kann. Wenn nicht, sieht es nach Grütze aus. Ich habe in meiner Schneidepraxis bisher drei wirklich gute Zooms aus der Hand gesehen – alle waren von einem Kumpel aus der Nähe von Pforzheim. Alle (!) anderen waren Tonne. Lasst es also bleiben.
  • Handkamera Punkt 2: Wenn ihr schwenkt, schwenkt langsam. Und berücksichtigt, dass sich beim Schwenken wahrscheinlich Belichtung und Weißabgleich ändern. Tagsüber ist die Bühne deutlich dunkler als das Publikum, also ist das Publikum überbelichtet. Auf der Bühne hat man 4200k, im Publikum 6000K. Das Publikum ist also hellblau. Muss man wollen. Nachts und Indoor ist das Publikum eine schwarze Masse. Wenn man weiß, wann der Lichtmixer Blinder (das sind die weißen Scheinwerfer, die ins Publikum ballern) einsetzt, kann man den Schwenk machen, ansonsten ist das Rundablage. Langsamer Schwenk. Vorher üben, die Kamera muss unbedingt waagrecht bleiben. Das ist nicht easy. Bei den älteren Kameras auf Rolling Shutter achten.
  • Handkamera Punkt3: Drauf bleiben. Bei der Fotografie wartet man, bis man den geilen Shot gesetzt hat und sucht sich dann ein neues Motiv. Beim Filmen bleibt man am Solisten, bis der sein Solo fertig hat. Und wenn der Bassist nebendran nen Salto macht, hat er eben Pech gehabt. Soll er es vorher ankündigen. Wenn man aus den Augenwinkeln sieht, dass da was passiert, ist es eh schon zu spät. Bis man rübergeschwenkt und fokussiert hat, ist die Action rum. Draufbleiben. Dann neues Motiv suchen, schnell rüber, fokussieren, draufbleiben. Und wenn da jemand durchs Bild läuft, soll er, draufbleiben. Achtung! Wir filmen nicht mit einer einzelnen Kamera. Wir haben immer Gegenschnitte zur Verfügung, wir müssen also NICHT das gesamte Geschehen auf der Bühne dokumentieren, Die Handkamera ist für die Details zuständig. Für die Restaction und den Überblick sind die Fixkameras da!
  • Handkamera Punkt 4: Sit down and relax. Wenn es irgend geht, nicht im Stehen filmen. Bei kleineren Konzerten, die bestuhlt sind, einen Platz in der ersten Reihe sichern und von dort filmen. Damit bekommt man 1. Untersicht auf die Aktere, die wirken dadurch größer und 2. ist das ne stabile Haltung. Man kann die Ellbogen auf die Knie aufstützen. Display ausklappen und von oben draufschauen. Auch das sorgt für eine stabilere Haltung. Bei größeren Konzerten im Fotografengraben zwischen die Monitore gehen und von dort filmen. Da kann man sich am Bühnenrand stabilisieren. Außerdem kriegt man da unschlagbare Perspektiven von schräg unten auf Gitarristen.
Mud2, 2010
  • Handkamera Punkt 5: Nutzt den Zoomrahmen. Der funktioniert nur in FHD, aber er liefert ein ultrastabiles Bild und Closeups auch mit dem 14-35. Zum scharf stellen auch unschlagbar. (Ja, aber 4K-Ausschnitte kann ich doch….. Ja, kannst Du. Du kannst natürlich einen kompletten Auftritt in 4K filmen, wenn Du partout statt 100GB ein halbes Terabyte an Daten jonglieren willst. Das Zeug geht hintennach auf YouTube und wird dann am Handy gekuckt. Du kannst auch RAW filmen, Belichtung und Weißabgleich und Grading und alles hinterher machen und hast gute Chancen, dass sich die Band aufgelöst hat, bis Du mit dem Schnitt fertig bist. Oder die Ehe geschieden ist, bevor das Hochzeitsvideo fertig ist….) Bleibt drin im Zoomrahmen. Das Hin- und- Herschalten ist ultraeinfach, schnell und nervt beim Kucken und noch mehr beim Schneiden.
  • Handkamera Punkt 6: Fokus. Ich sehe das oft, dass ein eigentlich scharfes Bild nochmal nachfokussiert wird. Vorzugsweise mit AF. Die Teile, die gerade fokussiert werden, sind natürlich Müll. Wenn man bei schlechtem Flackerlicht auf einen hüpfenden Sänger in schwarzem T-shirt vor schwarzem Hintergrund einen AF startet, kann das sein, dass der AF sich einen Wolf sucht. Da sind schnell mal eine halbe Minute für die Tonne. Zoomrahmen, manueller Fokus, zwei Sekunden. So gehört das. Finger vom AF. MF üben. Fokus Peaking kann beim Einstellen der Fixkameras von Nutzen sein, währen des Events ist man mit dem Zoomrahmen besser bedient.
  • Handkamera Punkt 7: Wobbel. Hatte ich vor kurzem nen Artikel dazu.
  • Handkamera Punkt 8: Belichtung im Auge behalten. Normalerweise stellt man alle Kameras auf die gleiche Belichtung ein, damit man Gegenschnitte machen kann. Es kann nun aber sein, dass der Lichtmixer einen Musiker “vergessen” hat, oder der sich bewusst aus dem Scheinwerferlicht in den Schatten verdrückt. Oder, wie bei Doro, der Lichtmann macht den Star hell und der Rest säuft ab. In solchen Fällen die Belichtung nachregeln. Die neueren Olys können das im laufenden Video. In der Post nachregeln geht nur etwa eine Blende.
  • Und egal, welche Kamera. S-AF + MF, Belichtung manuell, ISO manuell. Die Base-ISO für Video ist bei den Olys seit der E-M5 übrigens ISO 400. ISO 200 wird da nicht besser.

Musste ich mal wieder loswerden….

7 Replies to “Be steady”

  1. Das was Du hier schreibst zeigt Punkt für Punkt die Gründe auf, weshalb ich auf Hochzeiten, Konzerten oder sonstigen Events keine Videos anbieten. Ich kann fotografieren. Videos machen und vor allen Dingen schneiden können Andere viel besser als ich. Und wenn ich mal wieder lese: “Ein Freund hat mich gebeten von seiner Hochzeit ein Video zu machen…” rate ich eher ab. Fotografieren und Filmemachen…Für mich liegen da Welten zwischen. Das weiß ich seit mir mal jemand im zarten Alter von 18 Jahren, nur weil er wusste dass ich fotografiere, ne Super 8 Kamera in die Hand drückte… Das Ergebnis war mehr als ernüchternd und für mich einschneidend.
    Wer ernsthaft an nem guten Hochzeitsvideo interessiert ist muss Geld in die Hand nehmen und sich jemand suchen (so viele gibt’s nämlich nicht) der das kann.
    Gruß aus HH
    Achim
    (Mit allen meinenKameras insgesamt weniger als 2 Stund3n Videos aufgenommen in all den Jahren…)

  2. Danke für die Tps!
    Wie alles auf der Welt will auch das Filmen gelernt sein…
    Damals in den späten 80ern, als die ersten bezahlbaren Camcorder auf den Markt kamen und der Schnitt der VHS-Videos noch aufwendig war, gab es neben wilden Schwenks und Zooms immer wieder unfreiwillige Lacher. Der Höhepunkt war, wie der Kollege vergessen hat, die Kamera auszuschalten, und sie so in den Kofferraum seines Autos gelegt hat. Klappe zu – der Abspann war sehenswert.

    1. Das geht noch besser. Waren mit einer Truppe im Efteling, ca. 25 Jahre her, einer hat gefilmt. Den Film haben wir uns direkt abends uncut angesehen.
      Irgendwann hat er mal on/off verwechselt (also entweder nicht eingeschaltet, oder nicht abgeschaltet). Ab da gab es nur noch die Aufzeichnungen der eigentlich abgeschalteten Kamera locker in der Hand gehalten. Viele schöne Beine. Irgendwann kam das Toilettenhäuschen näher. Kurz bevor es spanned wurde, hatte er es bemerkt, oder der Akku war leer. Wir hatten einen lustigen Video-Abend.

    2. Wer keine wilden Schwenks und Zooms mag, denen kann ich nur empfehlen sich dieses Musikvideo mal etwas genauer anzuschauen 😉

      hxxps://youtube.com/watch?v=z5rRZdiu1UE

      1. Wenn auf der Bühne die Leute wild durch die Gegend rennen, dann sind gekonnte Schwenks und Zooms durchaus eine feine Sache. Wenn das Brautpaar durch den Mittelgang kommt, dann ist ein Zoom toll. Wenn man es kann. Wenn die Protagonisten statisch sind, gibt es keinen Grund zu zoomen oder zu schwenken.

  3. Viele gute Tipps!
    Nur den letzten Satz unter Punkt 5 verstehe ich nicht recht… ” Das Hin- und- Herschalten ist ultraeinfach, schnell und nervt beim Kucken und noch mehr beim Schneiden”
    Soll das heißen, das Hin- und Herschalten des Zoomrahmens soll man tunlichst unterlassen – obwohl es so ultraeinfach und schnell ist?

    1. Der Zoomrahmen ist genial. Aber ich sehe es oft, dass zu schnell hin- und hergeschaltet wird. Jeder Umschaltvorgang ist aber eigentlich ein Schnittpunkt. Und man kann den Zoomrahmen zwar verschieben, aber meistens passt es dann doch nicht so hundertpro, so dass man nach dem Umschalten den Bildausschnitt noch justieren muss. Aber ich sehe es im Material oft, dass eben der neue Bildausschnitt gefunden ist und sofort wieder umgeschaltet wird. Das macht der Zeigefinger automatisch, weil er es vom Fotografieren so gewohnt ist: Bildausschnitt passt, auslösen. Beim Filmen fängt es aber genau dann erst an. Bei jedem Umschalten sollte ein neuer “Take” ein neues Motiv anfangen. Also entweder, man nimmt den Zoomrahmen nur zum scharf stellen – dann aber so schnell wie möglich wieder zurück – oder man nimmt ihn als grandiosen Zoomersatz – und dann muss man aber draufbleiben.

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