Respekt für Olympus

Ja, ich meine hier Olympus. Olympus Medical, nicht OMDS. Ich habe vor ein paar Wochen im Rahmen einer Recherche Kontakt zur Pressestelle von Olympus aufgenommen, von dort abends (19 Uhr!) innerhalb von zwei Stunden (!!) Antwort bekommen, und nach zwei Wochen nach dortiger Rücksprache mit Tokio eine Abschlussmitteilung erhalten. Es geht mir gar nicht so sehr darum, ob jetzt was dabei rausgekommen ist, oder nicht, sondern einfach um den professionellen Umgang mit ultrakritischen Fragen dort. So gehört sich das.

Zum Hintergrund: Es gab zwischen 1932 und 1945 in der Mandschurei ein von den Japanern installiertes “Kaiserreich”- Mandschukuo– das durch die japanische Kwantung-Armee gestützt wurde. In der Mandschurei wurden diverse Forschungslabore der Japaner installiert, darunter die “Hauptabteilung der Abteilung für Epidemieprävention und Wasserversorgung der Kwantung-Armee”, besser bekannt unter “Einheit 731“. Die Einheit 731 hatte einen eigenen, ummauerten Komplex in Harbin, in dem die Forschungseinrichtungen untergebracht waren. Chef der Abteilung war der Arzt Ishii Shiro. In dieser Einrichtung arbeiteten insgesamt 3607 Wissenschaftler, Studenten, Praktikanten, Soldaten und Hilfspersonal.

Zweck der Einrichtung war die Entwicklung von Biowaffen. (Orwell hat sich für seinen Neusprech wohl vom offiziellen Namen der Einrichtung inspirieren lassen.)

Dafür wurden Russen, Chinesen und Koreaner – Zivilisten und Kriegsgefangene – verschleppt und für Menschenversuche genutzt und ausnahmslos getötet. Es gab nicht einen Überlebenden. Als die rote Armee 1945 innerhalb von zehn Tagen die 1,5 Millionen Mann starke Kwantung-Armee besiegte und auf Harbin vorrückte, wurden die letzten etwa 150 Gefangenen umgebracht, die infizierten Insekten freigesetzt und die meisten Einrichtungen gesprengt. Die Verantwortlichen flohen, es wurden lediglich zwölf erwischt und von den Sowjets vor Gericht gestellt. Laut Aussagen – vor der Kamera, viele Jahre später – von an den Verbrechen beteiligten, wurden pro Tag von einer einzigen Arbeitsgruppe zwischen drei und fünf Gefangene getötet. Ein einzelner Mann gestand, er habe allein über 3000 Menschen umgebracht. Die Opferzahlen dürften bei etwa 50.000 liegen, bei absichtlich – zum Test – gestarteten Epidemien – Pest, Cholera… – in der Umgebung, starben über 200.000 Menschn. Wer sich für die dort vorgenommenen Versuche interessiert, kann nach Harbin fahren, dort gibt es, an der Stelle der alten Einheit, ein Dokumentationszentrum. (Ich empfehle ultrastarke Nerven.)

Was ist nun mit den anderen 3595 Angestellten passiert, die dort “beschäftigt” waren? Die sind nach Japan zurück und haben ihre “Forschungsergebnisse” an die USA übergeben. Im Ausgleich dazu haben die USA in den Tokioter Prozessen eine von den Sowjets geforderte Aufarbeitung der Verbrechen in Harbin abgelehnt. Der Chef der “Einheit 731”, Ishii Shiro, war dann einige Zeit beim Aufbau der US-Biowaffenlabore in den USA behilflich und hat dann mit zwei anderen Kollegen von Einheit 731 (Ryōichi Naitō und Kitano Masaji ) die erste kommerzielle, japanische Blutbank (grünes Kreuz) aufgebaut. Weil das jetzt nicht so gut riecht, haben die Erben später das Gerücht verbreitet, er habe eine Klinik gegründet, in der die Patienten kostenlos behandelt worden seien. Leider konnte nie festgestellt werden, wo diese Klinik lag.

Auch der Rest der Massenmörder aus Harbin ist in Japan auf die Füße gefallen, gutgehende Praxen, Klinikärzte, Jobs im Gesundheitsministerium usw.

Was das jetzt mit der PR-Abteilung von Olympus Medical zu tun hat? Olympus war der Lieferant für die Mikroskope der japanischen Armee. Bei der schieren Menge der Mikroskope, die eine solche Forschungseinrichtung benötigte, habe ich – auch aufgrund der Kriegssituation – angenommen, dass eventuell Wartungspersonal von Olympus vor Ort war. Also habe ich mal bei Olympus nachgefragt, ob Sie mir Unterlagen dazu, bzw auch zur Zusammenarbeit mit Teilnehmern der Einheit nach 45 zukommen lassen können.

Ich habe nicht damit gerechnet, dass da was dabei rauskommt – die Biowaffenentwicklung hat die japanische Regierung erst vor zwanzig Jahren im Prinzip zugegeben, die Existenz der Einheit wurde erst 2002 von einem Bezirksgericht festgestellt, weil ein ehemaliger Soldat geplaudert hat. Entschädigungen oder Entschuldigungen durch die Regierung gibt es bis heute nicht obwohl die 1945 von den Japanern in der Gegend freigesetzten, infizierten Insektenstämme bis heute Opfer fordern. Die Unterlagen liegen bis heute unter Verschluss und die Amis, die die Ergebnisse der Japaner dazu verwendeten, Koreaner und Vietnamesen umzubringen, haben auch kein Interesse an Aufklärung. (1964 verboten die Amis immerhin die Biowaffenforschung auf ihrem eigenen Staatsgebiet, woraufhin die Forschung ins Ausland verlagert wurde.)

Entsprechend war die Info “Sorry, wir haben da nix und außerdem ist die Mikroskopsparte gerade ausgelagert worden” jetzt nicht überraschend. Überraschend fand ich nur, dass man sich nicht auf die Zerstörung des Archivs von Olympus am 25.5.1945 rausgeredet hat – da hatten die Amerikaner mal wieder Tokio geplättet. Und eben auch die Fertigungsstätte von Olympus in Tokio.

Also kein Erstaunen, dass niemand was weiß oder wissen will. Darum ging’s mir ja auch nicht. Es ging mir um die professionelle, schnelle Reaktion der PR-Abteilung von Olympus in Hamburg und ich bin auch absolut davon überzeugt, dass die in Hamburg das erste mal von Einheit 731 gehört haben. Also bei Olympus alles im grünen Bereich.

Die Fotos sind natürlich nicht aus Harbin, sondern von der Maginotlinie in Frankreich.

3 Replies to “Respekt für Olympus”

  1. Danke Reinhard für Deine Recherche – hatte ehrlich gestanden noch nie davon gehört. Unfassbar was da für historische Tragödien „im Verborgenen“ abgingen.
    Noch unfassbarer auf welcher Basis dies im Geheimen blieb, kaum jemand davon weiß oder wissen durfte !
    Profiteure dieser traurigen Machenschaften haben selbstredend keine große Lust an der Aufarbeitung …

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