Gastbeitrag: KI oder AI und das große Rauschen

von Thomas Hieronymi www.fotohiero.de

In der Fotografie gibt es immer Vor- und Nachteile für fast jede Entscheidung, die wir bei der Erstellung eines Fotos treffen. Man könnte auch sagen es ist eine gegenseitiges Geben und Nehmen von zwei Faktoren.
Die Belichtung ist das klassische Beispiel. Wenn wir bei gleichen Lichtverhältnissen eine kürzere Verschlusszeit wählen, opfern wir die Schärfentiefe und umgekehrt. 
Wenn wir aber kurze Verschlusszeiten mit viel Schärfentiefe haben wollen, brauchen wir mehr Licht oder müssen die Empfindlichkeit unseres Aufnahmemediums erhöhen.
Um bei schwachem Licht zu arbeiten, musste man früher einen Film mit höherem ISO verwenden, um kürze Verschlusszeiten und/oder mehr Schärfentiefe zu erhalten. Mit diesem höheren ISO ist aber auch die Größe des Filmkorns gestiegen, wodurch das Foto eben körniger/gröber wurde und Details verloren gingen. Damals waren die höchsten verfügbaren ISO-Filme 1600 für Farbe oder 3200 für Schwarz-Weiß. Wenn wir mit diesen Filmen fotografierten, war das Korn so groß wie “Golfbälle”.
Heute sind bei unseren Digitalkameras 1600 oder 3200 ISO brauchbare Bereiche, mit denen fotografiert werden kann. ISOs von bis zu 200.000 sind bei einigen Kameras verfügbar, wenn auch nicht unbedingt brauchbar. 
Jetzt haben Digitalkameras kein Korn wie ein analoger Film, aber sie haben “Rauschen”, was im Aussehen nicht allzu unterschiedlich ist. Bei niedrigen ISO-Einstellungen bis ca. 400 werden wir es wahrscheinlich kaum bis gar nicht als störend wahrnehmen. Wenn die ISO-Einstellung aber steigt, sehen wir immer mehr davon. Wenn wir also mit hohen ISOs fotografieren müssen, um z.B. Bewegung bei schlechten Lichtverhältnissen einzufrieren, haben wir sichtbares, störendes Korn/Rauschen. 
Das gute an der digitalen Fotografie ist, dass wir heute über Software dieses digitale Korn/Rauschen reduzieren können, aber dafür müssen wir (bisher) leider Schärfe opfern. Es ist immer ein Gleichgewicht zwischen der Zusammenarbeit dieser beiden konkurrierenden Verarbeitungsalgorithmen. Wir können natürlich das ganze Rauschen beseitigen, aber das hinterlässt ein matschiges, weiches oder künstlerisch/malerisches Aussehen. 
Die Art und Weise, wie man Schärfe und Rauschunterdrückung in Einklang bringt, ist eine zutiefst persönliche, fast religiöse Entscheidung für/von jedem Fotografen. Als ein Old-School-Filmtyp, sehen wir Rauschen als Korn und Teil des Prozesses und teilweise auch als Seele eines Fotos. Besonders wenn wir im Schwarz/Weiß Modus unterwegs sind.
Die Kontrolle von Rauschen ist für Fotografen unerlässlich, egal ob wir vorhandenes annehmen, teilweise extra hinzufügen, oder (ganz) entfernen. Wir wollen die Macht über das Rauschen haben, ohne auf Details zu verzichten. Und hier setzt KI an.
Künstliche Intelligenz (KI) verändert Computer und Fotografie, indem sie Dinge ermöglicht, die noch vor ein paar Jahren unmöglich waren. Gesichtserkennung, inkl. des linken oder rechten Auges oder auch die Objekterkennung sind Beispiele.
Soviel vorab und nun zu KI oder AI beim großen oder kleinen Rauschen.
Der KI/AI Ansatz: Und was ist AI? Artificial intelligence (AI) und bedeutet nichts anderes als Künstliche Intelligenz (KI)
KI-basierte Rauschunterdrückung: Nutzt maschinelles Lernen, um Luminanzrauschen und Farbrauschen bei einem entwickeltem Bild zu entfernen und gleichzeitig die Details beizubehalten, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
KI-basiertes Schärfen: KI-basiertes Schärfen verwendet spezielle Schärfealgorithmen, um Schärfe und Details basierend auf der Größe der noch vorhandenen Details auf dem Foto zu verbessern, möglichst ohne Halos und Artefakte, die andere Schärfetechniken erzeugen.
KI-basierte Demosaicing: Bei RAW-Fotos hängt der Anteil des Bildrauschens an der Eingangsdynamik des Sensors. Bei modernen Sensoren, die mehr als 14 Blenden Dynamikumfang haben, ist ein Großteil des Sensorrauschens bis ISO 800 bereits vor Erstellung des 12-bit-RAW abgeschnitten. Jenseits von ISO 800 werden auch Informationen auf dem Sensor für die Erstellung des RAWs verwendet, die bei optimaleren Verhältnissen unter “wegwerfen” laufen. Hier versteckt sich das lästige Bildrauschen. KI nun gewichtet nun Rauschanteile anders als “normale” Rauschunterdrückung, die lediglich überraschende Farbabweichungen ausgleicht – und damit eben auch Details vermatscht. Wenn nun KI bereits am RAW eingreift, kann der Algorithmus vor der Farbermittlung (Demosaicing) entscheiden, ob es sich um Echtsignal oder Rauschen handelt.

On1, das Titelbild ist aus Topaz

Die meisten Bildbearbeitung-Programme, wie Lightroom oder Capture One, verwenden derzeit keine Künstliche Intelligenz beim Demosaicing und Schärfen, sonder eben erst danach, wenn das Rauschen schon verstärkt ist und Details nicht mehr vorhanden.
Um dieses zu umgehen gibt es inzwischen mehrere Programme um VOR dem Demosaicing der Bildbearbeitung-Programme das Rauschen zu eliminieren und Details und Schärfe wieder herzustellen.
Eines der bekanntesten ist Topaz DeNoise AI. Relativ neu ist DxO PureRAW und ganz neu ist On1 NoNoise AI. Alle drei Programme basieren darauf, dass das RAW-Bild als erstes in diesem verarbeitet wird, als DNG-File ausgegeben und im eigentlichen Bildbearbeitungs-Programm weiterverarbeite wird.

Topaz
On1


Anmerkung zu DNG: So schön DNG als “offenes” DigitalNegativ auch ist, so verliert man doch z.B. die Möglichkeit sein ORF-File mit den Olympus eigenen Artfiltern zu bearbeiten. Dadurch bleibt nur die KI-Rauschunterdrückung nach der Entwicklung. Es ist halt immer ein Geben und Nehmen.
Als langjähriger Topaz Software Benutzer steht mir Topaz DeNoise Ai zur Verfügung und da ich meinen gesamten Bildverwaltungs- und Bildbearbeitungs- Workflow seit mehreren Jahren auf On1 Photo RAW umgestellt habe, habe ich On1 NoNosie AI zur Verfügung gestellt bekommen. 
DxO PureRaw klingt interessant reizt mich aber nicht, da ich nur selten mit “externen” Programmen arbeite. So habe ich DeNoise von Topaz bisher auch nur ganz selten eingesetzt, da ein High-ISO-Bild bei ordentlicher Belichtung mit unseren heutigen Kameras meistens in der “normalen” Bildverarbeitung einigermaßen zu beherrschen ist. 
Das Interessante an On1 NoNoise AI ist für mich allerdings, dass für die nächste Version von On1 Photo RAW eine volle Integration von NoNoise geplant ist. Dies bedeutet, dass die KI basierte Rauschunterdrückung während des gesamten Bearbeitungsprozesses noch geändert werden kann und das auch noch non-destruktiv, was bei dem jetzigen Umweg über DNG nur über ein neues DNG und das erneute Anwenden / Kopieren des Bildbearbeitungsprozesses relativ umständlich möglich ist.

Topaz
On1

Was leisten nun diese Programme? 
Zuerst: DxO habe ich nicht, deshalb keine Ahnung. 
Bei Topaz DeNoise AI ist es so, dass das AI nicht immer so ganz nachvollziehbar ist. Himmel ist meistens gut, Nachtaufnahmen mit Hausdächern aus Ziegeln sehen eher aus wie frisch betoniert. Man hat zwar die Möglichkeit verschiedene “AI-Modelle” anzuwenden und hier auch Anpassungen für Rauschen und Schärfen vorzunehmen, sowie ein Maskieren, auch mit unterschiedlichen Maskenstärken, aber immer nur mit dem einen eingestellten AI-Profil, und das bedeutet dann auch jedes mal warten, bis der Bildausschnitt neu berechnet ist, um zu beurteilen ob der Matsch der dabei meistens rauskommt, so zu gebrauchen ist. Danach einen neuen 1:1 Ausschnitt wählen, erneut neu berechnen ob zu sehen ob es hier auch passt. Die so gefundenen Einstellungen können leider nicht für eine erneute Bearbeitung gespeichert werden. Wenn wie oben beschrieben Änderungen vorgenommen werden sollen, fängt man wieder von vorne an. Auch deshalb wende ich es sehr, sehr selten an.

Bei On1 NoNoise AI ist das anders. Hier ist es ein Arbeiten wie mit jedem anderen guten Bildbearbeitungswerkzeug. Änderungen sind sofort sichtbar. Auch die AI-Interpretation ist gelungener. Details und Schärfe können separat und detailliert eingestellt werden. Über Layer/Ebenen und Masken können einzelne Teile anders behandelt um dann z.B. als ein DNG (ohne Layer/Ebenen) ausgegeben zu werden. Das besondere ist aber, dass ein Sidecar File gespeichert wird, und die für dieses Bild gefunden Einstellung mit allem was dazu gehört wieder aufgerufen und geändert werden können. Kein wieder von vorne anfangen.
Bei beiden Programmen können natürlich auch fertig entwickelte Bilder  (JPG, TIFF) bearbeitet und natürlich auch in anderen Formate als nur DNG ausgegeben werden. Wie wir aber gelernt haben, ist es besser, schon das RAW zu entrauschen.
Die Beispiele sind mit einer E-P3 entstanden, da diese Kamera bei 6400 ISO für (be)rauschende Beispiel-Bilder genau richtig ist. Beiden Programmen wurde es überlassen welche Einstellungen die KI als das Beste ansieht, so dass durch manuelles Eingreifen das individuelle Aussehen noch beeinflusst werden könnte.

On1
Olympus Workspace Rauschunterdrückung Aus.
Olympus Workspace, Rauschunterdrückung staerker

Dies sind Details – 100%-Crops aus folgendem Bild:

10 Replies to “Gastbeitrag: KI oder AI und das große Rauschen”

  1. Moin Thomas,
    vielen Dank für die spannende Darstellung der Programme. On1 hatte ich schon als RAW-Konverter mal auf der “Beachten-Liste”, habe es aber nie eingesetzt, da C1P für mich alles bringt, was ich brauche. Aber das NoNoise AI klingt wirklich spannend, das werde ich mir daraufhin mal genauer ansehen.

    Danke und Grüße
    Martin

  2. Hallo Thomas,
    ein Beitrag aus deiner Praxis.
    Vielen Dank dafür.
    Ich bin erstaunt, was alles geht.
    Danke und Gruß
    Rainer

  3. Danke für den Beitrag zum ON1 NoNoise. Habe die Testversion runtergeladen und der Detailerhalt ist verblüffend. Habe ein Bild mit dem Rehkitz vom Wochenende mit ISO 6400 mit NoNoise entrauscht und der Detailerhalt kann man sehen.

    Was mich aber leider weniger positiv auffällt war die Farbverschiebung. Bei einem Bild mit ISO 20.000 (zwanzigtausend) wird das Bild magentastichig.

    Habe ich da irgendwo eine Einstellung übersehen oder?
    Ich habe das Bild über Datei -> Zusatzmodul nach ON1 NoNoiseAI zum Entrauschen geschickt.

    VG Pit

    1. Hi Pit,
      Ich habe keine Bilder mit 20.000 deshalb kann ich Dir dazu nichts sagen.
      Hast Du in den Präferences unter Files das Häckchen vor “Disable Base Corrections on RAW Photos” entfernt?
      Wenn nein, dann bitte abwählen.

      Viele Grüße

  4. Hallo Thomas,

    ich benutze seit einem Jahr Topaz und bin durchwachsen zufrieden. Die Ergebnisse sind leider nicht nachvollziehbar. Manchmal funktioniert Topaz SharpenAI besser, manchmal DeNoise. Wenn der Hintergrund etwas unruhiger ist, wie verschwollene Blätter, ist das Ergebnis meist unbrauchbar. Da meine Lizenz für beide abgelaufen ist und ich eh neue Vollversionen kaufen muss, wäre ON1 eine Alternative.
    Mein Workflow ist allerdings in Lightroom. Ich exportiere die Bilder aus Lightroom an das Plugin (das ist bei Topaz dann ein Tiff). Wenn ich Deinen Artikel richtig verstehe, brauchen aber die Tools im Idealfall immer das Raw und nicht ein “vorbearbeitetes/umgewandeltes) File der Bildverarbeitung. Sollte ich dann bei ON1 meinen Workflow ändern? Meistens muss ich ja nur eine Handvoll Bilder entrauschen. Das wäre dann doch viel aufwändiger.

    lg

    Thilo Müller

  5. “Wenn ich Deinen Artikel richtig verstehe, brauchen aber die Tools im Idealfall immer das Raw und nicht ein “vorbearbeitetes/umgewandeltes) File der Bildverarbeitung. Sollte ich dann bei ON1 meinen Workflow ändern?”

    Es wird ein DNG-File als RAW erzeugt, ORF bleibt unangetastet. Es wird immer eine zusätzliche Datei erstellt.
    Egal ob du die ORF direkt im ON1 lädst oder über Lightroom über Zusatzmodul machst, am Ende ist immer ein DNG-File als RAW.
    ON1 empfiehlt die Grunddatei jedoch RAW statt TIFF oder JPG zum Entrauschen.
    VG Pit

    1. Hallo,

      ich kann aber aus Lightroom kein DNG exportieren. Da gibt es nur TIFF, PSD und jpeg. Zumindest ist das bei den Topaz Plugins so. Sieht das bei ON1 anders aus?

      Danke schon mal.

      VG

      Thilo

      1. Das mit dem “Export” verläuft mit ON1 aber anders. Niht so wie bei Topaz über “Bearbeiten in …”. Da ist kein DNG auszuwählen.
        Ganz wichtig ist, dass im Zusatzmodul-Manager das ON1-Plugin im LR eingebunden ist. Der Aufruf geht über Menü Datei -> Zusatzmoduloptionen -> ON1.
        Erst dann kommt ein Fenster, mit dem du den Dateityp, Farbraum usw. einstellen kannst bevor es mit ON1 weiter geht.
        Übrigens, habe ON1 von meinem Rechner rausgenommen. Der Grund war mir der zu heftige Magenta-Stich in dunklen Bereichen. Da sind die Farben über PureRAW von DxO besser. Zwar sind die Details im ON1 einen Tacken besser, aber bin mit PureRAW zufrieden.
        Topaz hat für mich den Vorteil, dass ich im Stapel entrauschen kann. Kann PureRAW auch.
        VG Pit

  6. Hello,

    After consulting with our QA team they have informed us that there is currently an open bug report regarding the inability of ON1 software to handle high ISO images and as such our development team is actively working on addressing this.

    As soon as they have any further information on when to expect a resolution to this bug we will let you know.

    Thank you for your patience and understanding.

    Please let us know if we can be of further assistance.

    Regards,
    On1 Technical Support

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