Der Weißabgleich ist vermutlich der am meisten unterschätzte Parameter an der Kamera. In fast allen Seminaren muss ich erstmal predigen, dass WB-Auto böse ist und dass man auch bei ausschließlicher RAW-Knipserei nicht um einen sauberen Weißabgleich rumkommt. Alle geloben Besserung, und wenn ich dann am nächsten Tag auf die Kamera kucke, steht da wieder WB-Auto “Keine Ahnung, warum das wieder verstellt ist…”
Erstmal: Was macht der Weißabgleich. Im Prinzip legt er die Rechenvorschrift fest, mit der die RGB-RAW-Daten in Echtfarben umgewandelt werden. Wenn da was falsch ist, stimmen die Farben nicht. So weit klar. Ein korrekter Weißabgleich ist sowas wie ne Lichtmessung. Man zeigt der Kamera eine hellgraue Fläche, die garantiert keinen Farbstich hat, und sagt ihr “das ist Neutralgrau”. Bei den Olys heißt das “Sofortweißabgleich”. Und die Kamera sorgt nun dafür, dass die ganzen Pixel entsprechend korrigiert werden. Damit das mit dieser “Graukarte” auch klappt, muss man diese in das Licht halten, das auch das Motiv beleuchtet. Wenn man das alles richtig macht, wird man mit den richtigen Farben belohnt. So weit, so easy.
Was macht nun aber die Automatik? Die hat ja keinen Referenzwert zur Verfügung. Die kuckt sich das Bild an, rechnet alle Farben zusammen und korrigiert das so, dass zum Schluss ein helles Grau rauskommt. Denn bei einem ganz normalen 0815-Bild mit Tante Elfriede vor dem schiefen Turm von Pizza ist das so. Die Methode hat früher dafür gesorgt, dass Fotos von grünen Wiesen gern nen lila Stich bekommen haben. Aber die bei Olympus sind ja nicht doof und erkennen jetzt, dass da viel Grün ist, und korrigieren das. Und mit jeder neuen Kamerageneration finden sie neue Ausnahmen und korrigieren diese.
Trotzdem ist das immer irgendwie geraten. Gerade wenn man eine Person im Schatten fotografiert, hinter der eine sonnenbeschienene Szene ist, wird das Gesicht regelmäßig bläulich.
Um dieses Problem zu erschlagen gibt’s nun vier Möglichkeiten:
RAW und Farbsicherheit, RAW und Graukarte, Graukarte, Presets und CWB.
Presets und CWB: Die einfachste Möglichkeit, den Weißabgleich zu verbessern: Man verwendet passende Presets. Die Kamera bietet neben dem AutoWB drei wichtige Presets: Sonne, Wolken und Schatten. Die Sonne passt für die typische Knallsonne zur Mittagszeit – und für südliche Gefilde. Die Wolken sind eigentlich ziemlich gut für alle anderen Situationen außer Schatten. Im Schatten dann eben “Schatten” verwenden. Das ist nix Genaues, aber die groben Farbfehler des AutoWB kommen nicht mehr vor. Wenn’s damit nicht hinhaut, CWB verwenden und die Kelvinzahl so lange verändern bis das Bild im Sucher mit dem Bild in der Wirklichkeit farblich halbwegs übereinstimmt. Oder so auskuckt, wie man es haben möchte.
Graukarte: Ein Sofortweißabgleich auf die Graukarte ist die definitiv beste Möglichkeit, einen korrekten Weißabgleich zu bekommen. Auf zwei Dinge sollte man achten: Die Graukarte im Motiv anmessen, also dort hin halten, wo das Licht drauf fällt. Und die Graukarte korrekt belichten. Sobald die Graukarte unterbelichtet oder ausgefressen ist, stimmen die Farbwerte nicht mehr. Die Kameras reagieren darauf mit “Fehlgeschlagen” oder “Extreme WB-Werte”. Das ist immer ein Warnsignal.
RAW und Graukarte: Man fotografiert in RAW und stellt eine Graukarte ins Bild. Bild machen, Graukarte wegnehmen und dann nochmals Bild machen. In der Nachbearbeitung kann man dann mit der Pipette den Grauwert aufnehmen und auf die anderen Bilder übertragen. Wer einen reinen RAW-Workflow hat, für den ist das eine gute Möglichkeit, manche stellen noch einen Colorchecker ins Bild. Kann man machen. Für Journalisten und viele professionelle Fotografen, die schnell und preiswert liefern müssen, ist das zu viel Aufwand.
RAW und Farbsicherheit: Es gibt Menschen, die sind “Farbsicher”. Das bedeutet, sie können sich eine Farbe merken und erkennen die Farbe in einem anderen Umfeld wieder. Und zwar mit hoher Genauigkeit. Das ist sowas wie das absolute Gehör – nur für Farben. Die nehmen einfach ihr RAW und schieben die Regler so lange rum, bis sie genau die Originalfarbe wieder haben. Wenn man das kann, ist das ziemlich geil. Wenn man das nicht kann, ist die nachträgliche Bearbeitung ohne Graureferenzwert einfach nur Geschmackssache.
Das führt zum letzten Punkt: Wenn der Weißabgleich nicht farbverbindlich sein muss, dann ist die ganze Nummer nur Geschmackssache. Klassiker: Sonnenuntergang nicht mit korrekten 5000 Kelvin fotografieren, sondern mit 7500 Kelvin. Ich verwende oft einen etwas zu warmen Weißabgleich, das gibt schönere Hauttöne und Abendlichtstimmung. Im Winter kann man dagegen den Weißabgleich gnadenlos 500 oder 1000 Kelvin nach unten korrigieren. Das sieht dann so richtig frostig aus. Weißabgleich ist also kein Gesetz. Man muss nicht. Man kann. Wenn man’s kann.
Danke, daß du uns wieder daran erinnerst! Da muss ich mich ja wieder permanent an die eigene Nase fassen … 😉 eigentlich hätte ich es ja bei dir gelernt. Also nochmals danke! Und ich werd versuchen dran zu denken
Beste Grüße
AndyT
Mit dem Weissabgleich ist dies so eine Sache, wenn man mit der Graukarte z.B. bei einer Beamerproduktion nicht dort hin gegen kann, wohin das Licht fällt. Wenn ich Glück habe, und der Beamer noch voll weiss die Wand bescheint, mache ich den Weissabgleich an dieser Wand. Das hilft. Ebenfalls mache ich den Sofortweissabgleich auf ein weisses Blatt oder auf die Graukarte, wenn ich in einer Halle mit brauner Decke und braunen Wänden die Teilnehmer fotografieren muss. Weissabgleich Auto ist hier überfordert.
Beamer ist simpel. Der Beamer arbeitet normalerweise immer mit festem Weißabgleich. Entweder 5000K oder 6500K. Einfach ausprobieren und entsprechend einstellen. Klar, wenn die Leinwand nen Stich hat, geht das nicht. aber gute Leinwände sind eigentlich neutral.
Tja… wo aber stelle ich nun die Graukarte bei meinen Landschaftsfotos hin, wenn da Teile der Landschaft im Schatten von Wolken, andere Teile direkt sonnenbestrahlt sind. 😉
Da empfehle ich Dir einen Kurs in Rocksdorf “Licht beherrschen” – da wird Dir das beigebracht…. 😉