GFO: Graufilter und simulierte Graufilter

Es ist mal wieder Thema und OMDS erzählt ja überall, wie toll das „eingebaute Graufilter“ ist. Da sollte vielleicht mal wieder ein bisschen Hintergrund dazu „gedroppt“ werden.

Graufilter sind abgedunkelte Glas- oder Plastikscheiben, die vor dem Objektiv befestigt werden, damit weniger Licht durchkommt. (Es gibt auch Objektive, die haben am hinteren Ende eine Einschubmechanik, wo man Graufilter einsetzen kann. Das hat verschiedene Vorteile: Der Filter ist bereits in der optischen Rechnung berücksichtigt, weil dort immer ein Filter drinsteckt. Und man braucht keine großen Filter vor die Frontlinse schrauben, es reicht ein kleines hinten. )

Hinterer Filtereinschub beim Zuiko 300mm f/2,8

Wie dunkel diese Filter machen, wird über den „Neutraldichte-Wert“ angegeben, kurz „ND“. Das ist ein logarithmischer Wert. Da solche Werte im Marketing etwas unbeliebt sind, da sie keine beeindruckenden Zahlen annehmen, ist man dazu übergegangen, da andere Werte anzugeben. Hier eine entsprechende Tabelle:

NeutraldichteAnzahl Lichtwerte AbdunkelungBelichtungszeitverlängerung
ND 0,312x
ND 0,624x
ND 1,03,310x
ND 1,2416x
ND 1,5532x
ND 1,8664x
ND 2,06,6100x
ND 3,0101000x
ND 4,01310000x

OMDS verwendet bei der OM-1 und OM5 in der Kamera nicht etwa die korrekten ND-Werte, sondern die Belichtungszeitverlängerungen mit eine „ND“ davor. Also ND2, ND4, ND8, ND16, ND32, ND64 usw. Wie man schon feststellt, steht oben kein „8x“ in der Liste. Trotzdem gibt es natürlich ND0,9 Graufilter. Und natürlich gibt es auch ND2,1-Filter, die dann 128x sind. Ich habe die Tabelle nur gekürzt.

ND3,0 Graufilter, f/5, 13s, ISO 100. 7EV. Mit dem simulierten 64er-Filter mit f/22 gerade noch machbar.

Was ist nun der Unterschied zwischen der grauen Glasplatte und dem „simulierten“ ND-Filter? Bei der grauen Glasplatte habe ich einen kontinuierlichen Lichteinfall, der sich „natürlich“ aufaddiert. Beim simulierten ND-Filter werden eine Menge Bilder hintereinander aufgenommen und aus diesen Bildern die entsprechenden Helligkeiten addiert und dann ein Durchschnitt gebildet. Der Unterschied? Prinzipiell keiner. Ob man in einen Eimer zehn Liter Wasser kippt oder zehnmal einen Liter, ist ziemlich schnuppe. Wenn – ja, wenn dazwischen nichts verloren geht. Und genau das tut es, denn zwischen den einzelnen Belichtungen wird ja der Sensor gelöscht. Und alles, was in dieser Zeit passiert, landet eben nicht auf dem Sensor. Je langsamer der Sensor ist, desto länger ist diese „Blackout-Zeit“. Deshalb gab es bei der E-M1X bei Wasserfällen unter Umständen „Artefakte“, die bei der OM-1 eigentlich kaum mehr feststellbar sind. Eben weil der Sensor schneller ist.

Die „Synchronzeit“ des Sensors mit elektronischem Verschluss hat einen weiteren Effekt. Und zwar beschränkt sie die kürzeste Belichtungszeit, die möglich ist. Denn der Sensor kann diese „Graufilteraufnahmen“ nur mit ganz offenem Sensor machen. Wird die Belichtungszeit kürzer, kann es, gerade bei bewegten Motiven, zu RollingShutter-Effekten kommen, die sich bei der Addition verstärken. Man denke etwa an das Foto eines Propellers, das bei 1/16000s und 16 Aufnahmen nicht eine gleichmäßige Scheibe, sondern 16 übereinandergelegte, knackscharfe, verbogene Propeller zeigt. Die tatsächliche Belichtungszeit bei simuliertem Graufilter ist also mindestens die Synchronzeit. Wird es zu hell, als dass man damit noch ein sauberes Bild machen kann, scheitert die Sache. Bei E-M1X/III und OM-5 sind das 1/60s, bei der OM-1 1/120s.

Um nun scheinbar längere Belichtungszeiten mit dem simulierten Graufilter zu erreichen, sind lediglich mehr Bilder notwendig. Für ND128 bräuchte man bei einer OM-1 etwa 128 Bilder mit 1/120s, die gleichzeitig im Puffer sind und dann verrechnet werden. Soweit mir bekannt, reicht der Puffer der OM-1 dafür nicht aus, deshalb gibt es nur ND64. Man will trotzdem diesen Effekt haben? Eine Blende abblenden.

Bei einem „echten“ Graufilter gibt es diese Probleme nicht. Da kann die Belichtungszeit beliebig kurz sein, man kann den Graufilter also tatsächlich dafür einsetzen, das Licht zu reduzieren.

Verschiebbarer Cokin Graufverlaufsfilter an Helge Filterhalter an Kristallkugel.

Grauverlaufsfilter

Nun gibt es noch den „Grauverlaufsfilter“. Der wird vor allem dann verwendet, wenn der Himmel im Vergleich zum Vorder/Mittelgrund zu hell ist. Es gibt die unterschiedlichsten Grauverläufe. Mit einer harten Kante in Bildmitte – was vor allem für Sonnenuntergänge am Meer brauchbar ist – oder mit unterschiedlich „soften“ Verläufen. Diese Graufilter gibt’s auch in drehbar, so dass man die Grauverläufe an Häuser oder Berge anpassen kann. Die „soften“ Verläufe sind vor allem dafür da, dass Dinge (Bäume, Leuchttürme) die in den Himmel ragen, nicht am Horizont auf einmal die Farbe wechseln, sondern dass die ganze Nummer ein fließender Übergang ist, der natürlicher aussieht.

Wer so etwas bisher nicht hatte, hat simpel das RAW genommen und in der Bildverarbeitung einen digitalen Verlaufsfilter draufgeklatscht. Oder, falls er keine Lust hatte, Leuchttürme und Bäume zu maskieren, ein HDR in der Kamera oder im Nachhinein in der Bildverarbeitung gebaut.

Sonnenuntergang mit Graufverlaufsfilter. Der Filterübergang ist hier nicht am Horizont, sondern beginnt kurz nach dem Vordergrund.

Ein „Grauverlaufsfilter in der Kamera“ ist nicht so ohne weiteres möglich. Das Problem ist, dass die Kamera nicht erkennen kann, was der Fotograf als „zu hell“ oder „zu dunkel“ einstuft. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, in der Kamera festzulegen, wo die Verlaufsgrenze liegen soll, wäre das kein Problem, weil man dann einfach den entsprechend maskierten Bereich vom Graufiltereffekt ausnimmt. Das prinzipielle Problem des simulierten Graufilters bleibt aber auch dann bestehen: Die minimale Belichtungszeit von 1/120s. Der simulierte Grauverlaufsfilter wäre also auf schlechtes Wetter beschränkt. Für den Sonnenuntergang am Meer muss man sich immer noch die gefärbten Glasscheiben kaufen.

Titelbild: Regensburg, ND3,0-Graufilter. 15s. Blende 16, ISO 100. Reale Helligkeit: 17EV. Maximal mit simuliertem ND64, ISO 100 und f/16 abbildbar: 15EV. Maximale Belichtungszeit in so einem Fall: 1/2s. So ein Bild ist also mit dem simulierten ND-Filter nicht möglich.

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