Thema Video: „Open Gate“.

„Open Gate“ ist nichts Neues. Das gibt es schon seit mindestens fünf Jahren bei mFT. Aber eben nur bei Panasonic. „Open Gate“ bedeutet nichts anderes, als dass der Film im nativen Seitenverhältnis des Sensors gedreht wird. In 4:3. Und man dann hinterher aus dem Film ein 16:9 oder eine Hochkantvideo rausschneidet.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Ich brauche mich nicht mehr drum zu kümmern, ob die Protagonisten vielleicht plötzlich anfangen, in die Knie zu gehen oder zu hüpfen. In begrenztem Umfang kann ich ja das 16:9-Video in der Post nach oben oder nach unten schieben. Und wenn ich in 4K drehe, kann ich ein FHD-Endformat in einer noch größeren Fläche bewegen und Pseudo-Schwenks bauen.

Goil.

Oly hat kein „Open Gate“.

Ich komme aus dem Journalismus und da ist Time Monkey. Da werden Fotos nicht nachbearbeitet und Filme sollten gleich „richtig“ gedreht sein, weil man oft keine Zeit hat, da noch groß in der Post herumzumachen. Ich mache deshalb in der Post nur das Notwendigste. Und jedes Mal, wenn ich dann feststelle, dass ich vor Ort gemurkst habe, weil ich dachte, ich kann mir ein paar Minuten sparen, habe ich es hinterher am Schneidetisch bitter bereut.

Ein Beispiel:

Ich hatte vor ein paar Wochen ein Event zu filmen, das teilweise Indoor und Outdoor war, das insgesamt nur eine Stunde gedauert hat, das teilweise mit PCM-Ton aufgenommen werden sollte, über dessen genauen Ablauf ich vorab nicht informiert war und wo ich über das Licht keine Kontrolle hatte. Außerdem sollte ich um einige Leute rumfilmen und war allein.

Ich habe also die Kameras auf P und automatischen Weißabgleich gestellt. Weil natürlich Indoor Mischlicht war und ich beim Wechsel von Indoor auf Outdoor keine Gelegenheit hatte, beide Kameras umzustellen. Die eine Kamera habe ich fest mit einer Manfrotto Super-Clamp auf einem Rollator befestigt, damit ich im Laufen filmen konnte und vor Ort nicht immer erst ein Stativ aufstellen musste, sondern mit der zweiten Kamera durchfilmen konnte.

Zum Hintergrund: Ich filme seit einem Jahrzehnt immer mit M und stelle alle (!) Parameter fix ein, vor allem, wenn ich mit zwei Kameras filme. Und weiß warum.

Was kam dabei raus? Ja, ein Film und ich glaube, der Kunde war auch zufrieden. Der Weißabgleich hat sich dauernd geändert, die Belichtung hat sich dauernd geändert – je nachdem wie viel Anzugträger gerade im Bild waren – und wenn ich mit dem Rollator schneller unterwegs war, hat das Bild gezittert. Also mal bei Gelegenheit größere Räder montieren.

Im Nachhinein wäre es sinnvoller gewesen, es wie üblich zu machen: Modus M, alles korrekt einstellen und los. So falsch kann man es kaum einstellen, wie es die Automatik macht. Wenn man vor Ort aufpasst, spart man in der Post irrsinnig Zeit.

Und damit bin ich wieder beim Thema „Open Gate“. Wenn ich den Dreh in 4:3 gemacht hätte, hätte ich nicht nur den Weißabgleich und die Belichtung anpassen – ich hätte auch noch den Bildausschnitt dauernd verschieben müssen. Zahlt den Aufwand jemand? Nein. Gleich richtig machen spart Zeit und Geld.

Es gibt ernstzunehmende Filmemacher wie Herr Spielberg, die ihren Film und ihr Storyboard auf ein ganz bestimmtes Endformat festlegen. Die spezielle Filme verwenden, damit der Look hintennach zur Geschichte passt. Und sich das bereits überlegen, wenn sie das Drehbuch lesen. Aktuell ist das Mittel der Wahl: „Wir halten grob in die richtige Richtung, den Rest machen wir am Computer.“ Fokuszieher braucht kein Mensch mehr, wozu gibt es C-AF im Video und dass der Protagonist dauernd aus der Schärfe läuft – das ist „Filmlook“.

Wird der Film mit „Open Gate“ besser? Man verlagert KnowHow von hinter der Kamera vor den Computer. Je nach dem wo das KnowHow sitzt, kann der Film natürlich mit „Open Gate“ besser werden. Wie ich oben geschrieben habe – ich versuche, es gleich richtig zu machen. Einwandfreies Material macht einfach mehr Spaß beim Schneiden.

Vermisse ich „Open Gate“. Nein. Aus einem ganz simplen Grund: Entweder ich drehe IMMER Open Gate, das bedeutet, ich habe IMMER den Aufwand beim Schnitt, oder ich drehe nur bei Bedarf. Und das Problem dabei ist, dass ja der Gag am Open Gate ist, dass ich bei unvorhergesehenen Dingen, noch „Fleisch“ zum Schneiden habe. Wenn ich aber vorher schon weiß, dass was passiert, kann ich mich auch ohne Open Gate drauf einstellen. Und wenn ich es nicht weiß, habe ich Open Gate nicht aktiviert. Also immer aktivieren. Und in jeder Post erst mal den Ausschnitt einstellen.

Aber ich bin faul und deshalb vermisse ich das „Open Gate“ nicht.

Irgendwann wird natürlich auch OM-System „Open Gate“ anbieten. Klar. Muss man ja haben. Ich hätte viel lieber einen leistungsfähigen Ton mit abschaltbarer automatischer Aussteuerung, einem stabilen Line-In und einer Dead-Cat, die ich auf die Kamera montieren kann zusammen mit den Zoom-Mics der LS-P4/5…

Ich brauche diese ganzen Rigs und Käfige nicht, an denen man externes Gerödel montieren kann.

Ich habe einmal mit einem gemischten Team eine Doku gedreht. Je mehr Gerödel der Kollege an seine Knipse geschraubt hat, desto unbrauchbarer war sein Material. Wenn irgendwo was passierte, war ich Zack dort, habe gedreht und hatte die Szene im Kasten. Bis der Kollege sein Gimbal auf die neue Brennweite eingestellt hatte, war die Nummer längst vorbei. Zum Schluss beschränkte er sich darauf, Teelichter zu filmen. Die liefen nicht weg.

Und ja, es ist gewinnbringender, Leuten, die es nicht können, jedes Jahr ein neues Gadget oder einen neuen Hype zu verkaufen, als den Leuten beizubringen, wie es geht. „Deine Filme sind kacke? Hey, das liegt nicht daran, dass Du keinen Plan hast. Das liegt daran, dass Du einfach kein professionelles Equipment hast.“

Meine Lieblingsgeschichte ist die von Rose Tattoo, die ein Konzertvideo, das wir gedreht hatten, nicht freigegeben haben, weil es mit „professionellem Equipment“ gemacht wurde. „Open Gate“? Brauche ich nicht…

5 Replies to “Thema Video: „Open Gate“.”

  1. Tja, guckemalda…
    Ich denke bei „Open Gate“ nur an das elektronische Ding, dass ich beim Ton zwischensschalte, wenn ich möchte, dass eine Trommel am Schlagzeug BONG macht und nicht BOOOOOIIIIIIINNNNNNNNnnnnnnn….
    Und da ist es genau umgekehrt: Ich kann das Gate open lassen, wenn der Trommler sein Set gut gestimmt und entsprechend gedämpft hat. Hat der gepfuscht muss das Gate ran.
    Aber ein Mischpult ist kein Klärwerk – „we fix it in the post“ ist immer nur die zweitbeste Option!

  2. Sorry, bin neugierig geworden!

    Meine Eisenbahnknipserei läuft ja (wegen dem Mix mit den Kumpels) durchweg im klassischen Seitenverhältnis 3:2. Hin und wieder hat man dann mal geschlampt und stellt hinterher fest, dass man unwillkürlich doch dem Zug gefolgt ist und die Berg- oder Kirchturmspitze abgeschnitten hat. Da habe ich es schätzen gelernt die „ungenutzte“ Sensorfläche noch als Reserve zu haben. Horizontal kann man meistens durch Beschnitt korrigieren, vertikale Unzulänglichkeiten wären dann oft für die Tonne.

    An zusätzlich ambitioniertes Filmen ist bei uns eh nicht zu denken, aber manchmal macht man halt von ein paar besonderen Momenten ein paar Minuten, um mal zu zeigen wie sich eine Maschine bewegt. Eben weil das alles sehr spontan und meistens unverhofft abläuft, juckt es schon in den Fingern solch eine Korrekturmöglichkeit auch beim Filmen zu haben.

    Natürlich gilt auch bei uns Hobbyisten es gleich sauber im Kasten zu haben und nicht hinterher am Material zu fummeln, dennoch merkst Du auch nach Jahrzehnten, dass man als Hobbyfotograf halt in hektischen Situationen nie an die Professionalität und Abgeklärtheit eines Profis heranlangen wird – schon gar nicht wenn man sein bevorzugtes Fotothema verlässt.

    Für Deinen Ratschlag für manuelle Einstellungen (Fokus, Belichtung) beim Filmen danke ich Dir sehr. Das gepaart mit dem Vorteil bei der Schärfentiefe in mFT hat bei uns das Material doch schon wesentlich ansehnlicher gemacht.

  3. Ich kann mich Frank da nur anschließen: nachdem sich in unserem Musikverein inzwischen rumgesprochen hat, dass meine M´sen außer Fotos auch Videos können, steigt die Nachfrage auch da sprunghaft an: „… Christine, wir möchten…. könntest Du vielleicht….? Und da ich auf diesem Gebiet bislang kaum Erfahrung habe, habe ich natürlich letzte Woche prompt eine Szene verpennt- da wäre eine Nachbearbeitung mit mehr Reserve bei den vorhandenene Szenen zwar mühsam, aber doch ganz nett gewesen. Wobei ich natürlich sagen muss: wichtiger als dieses Open Gate wäre mir, wieder den Videozoom mit dem grünen Kästchen zurückzubekommen, gerade bei Konzertaufnahmen mit festem Kamerastandpunkt und wechselnden Soloisten ist der Gold wert…. Und nein, in einem Konzert mit fester Bestuhlung in einer Stadthalle ist der Fußzooom und/oder Standortwechsel keine Option!

    Ich hoffe jetzt mal für Beides für das nächste Firmware-Update bei der OM-1…..

    Christine

  4. Es kommt halt – wie so oft – immer drauf an…
    Bei Konzerten oder ähnlichem war ich fast immer alleine am Werk. Da liefen dann schon mal 3-4 Kameras ohne Aufsicht. Als meine erste µFT mit 4K am Start war, habe ich das dann in der Post schon zu schätzen gewusst, hier von der als „Front-of-the-House“-Kamera dann auch Ausschnitte oder virtuelle Schwenks oder Zooms nutzen zu können. Klar kostest das hinterher Zeit, aber als Ein-Mann-Team – und nicht der, der sein Geld damit verdienen muss/möchte – war das schon genial 🙂

  5. Es gibt einfach Dinge, die lösen bei Konsumenten „will haben“ aus. Auch wenn es vielleicht nur darum geht, dass möglichst viel Potenzial da ist, um Zeit mit Postprocessing verbringen zu können, was für manche ein wesentlicher Teil des Hobbys ist.

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