Das Schloss liegt am Rande der gleichnamigen Gemeinde im Speckgürtel von Leipzig. Es ist in Privatbesitz. Die Geschichte kann man auf Wikipedia nachlesen. Die Website des Besitzers gibt’s hier.

Das Schloss wird auch als „Neuschwanstein“ von Sachsen bezeichnet. Wegen der Türmchen, die überall drankleben. Neuschwanstein war 1869 begonnen wurden, Schloss Püchau 1874 mit neugotischen Erkerchen versehen. Also könnte der „Kini“ da durchaus Ideengeber gewesen sein, denn 1874 war immerhin schon das Torhaus von Neuschwanstein fertig.

Wenn man in das Schloss stolpert, kann es passieren, dass man bereits am Tor von einem lässig gekleideten Typen mit wilden, weißen Haaren abgefangen wird, der einen fragt, ob man wisse, wo man hier sei. Nämlich am ältesten Punkt Sachsens. Und einem dann gleich einen Vortrag hält. Über Napoleon. Oder so. Das ist der Chief da, genauer, der Schlossherr Lothar Goldhahn. Und – Überraschung – der ist da zu Hause und wenn man da in dem Schloss rumlatschen will und vielleicht auch noch knipsen, dann ist es eine ultragute Idee, ihn um Erlaubnis zu fragen. Die kriegt man auch problemlos, verbunden mit einem Hinweis auf das Faß am Eingang des Treppenturms, das bitte schön mit Mammon zu füllen sei. 5 Euro pro neugieriger Nase wäre nett, mit Fotografiererlaubnis gerne ein paar Euronen mehr.

Wenn man die richtig krassen Räume des Schlosses besichtigen will, muss man sich einer Führung anschließen, die kostet aber mehr und ist nur hin und wieder. Und es kann sein, dass man am Wochenende gerade in ne Hochzeit reinrennt, da ist dann natürlich nix mit Knipsieren. Also einen Spontanbesuch eher unter der Woche planen.

Wenn man den Dusel hat, dass Schlossherr Goldhahn Zeit und Lust hat, sich mit einem zu unterhalten, zuhören. Der Mann hat Unmengen von Geschichten auf Lager. Aus seiner rebellischen Jugend in der DDR und den Betrieb der Gosenschenke in Leipzig bis hin zur Geschichte, wie er im Alleingang das älteste Lebensmittelgesetz der Welt gekippt hat. (Was „ein bisschen übertrieben“ ist, aber immerhin hat er dafür gesorgt, dass die „Gose“ , ein bereits im Mittelalter bekanntes Weizenbier, wieder gebraut wird, was auch ne Leistung ist. ) Also: einfach erzählen lassen. Und keinen Besserwisser raushängen lassen. Man verpasst was.

Das Schloss selbst hat einen Teil, der noch im Zustand von vor der Renovierung ist. Lost Place-mäßig. Vor der Wende war das ein Alten- und Pflegeheim und deshalb sind an manchen Türen auch noch die Zimmernummern befestigt.

Auch der Keller ist ne Besichtigung wert. Klar, da gibt’s überall Deko, in manchen Zimmern sind mit Puppen ganze historische Szenen aufgebaut. Manches ist echt grenzwertig, aber man muss berücksichtigen, dass das hier das Privatvergnügen eines Ehepaars ist, das sich bereit erklärt hat, ihr Wohnzimmer zu öffnen.

Nur zur Info: das sind 8 Sekunden aus der Hand, f/4, ISO 800, 7mm. Da drin war es richtig, richtig dunkel.

Einiges des Equipments im Schloss ist auch Original. Ein Pulverwagen von der Völkerschlacht bei Leipzig, ein paar Teile von einem der Reenactments.

Das ganze Schloss ist mit Rosen bewachsen – und überall hängen Ölschinken, die der Schlossherr himself produziert hat. Wie gesagt – kann man strange finden, aber man befindet sich auf Privatgrund und entweder man freut sich dran oder lässt es bleiben.

Die allgegenwärtigen Klappstühle sind mit lateinischen Sinnsprüchen verziert und es steht auch schon mal ein orangener OBI-Eimer rum. Also nix für Leute, die romantisches Zeug ohne störendes Beiwerk knipsen wollen. Vielleicht ne PEN-F mitnehmen und die entsprechenden Bereiche mit dem COLOR-Rad selektiv entsättigen. Ich war leider nur mit der OM-1 dort.

Empfehlenswert ist auch ein Spaziergang durch den „Schlosspark“ – mit zwei Teichen und echten Monsterstechmücken. Entsprechend vorsorgen. Vom „Landschaftspark“ ist nicht viel übrig, da müsste man mal einen GaLa-Bauer durchjagen, aber es scheint da auch bisweilen Ärger mit den lokalen Autoritäten zu geben, die sich sogar während der Renovierung nicht entblödet haben, für ihn ein Betretungsverbot für das eigene Schloss auszusprechen, weil es angeblich an einem Brandschutzkonzept aka „Feuerlöscher“ mangelte. Nun hat Meister Goldhahn eine eigene Feuerwache auf dem Grundstück samt Feuerwehrauto. Und gelegentlich lässt er sich mit der Drehleiter aufs Dach fahren und geht am First spazieren.

Ideales Wetter: Bewölkt. Das Schloss liegt doof, die Südseite ist nicht so hübsch, die Ostseite ist hinter Wald, das Haupttor liegt im Westen, am Spätnachmittag kriegt man da brauchbares Licht drauf. Die Schokoseite vom Park ist die Nordseite und liegt bei praller Sonne entsprechend in fiesen Schatten. Der Hof hier ist mit einem HDR aus der Kamera gebaut worden.

Übrigens hatten die ortsansässigen Jugendlichen sich seinerzeit einen Spaß daraus gemacht, jedes einzelne Fenster mit ihren Zwillen gründlich in Klump zu ballern. Goldhahn hat nun aber nicht einfach überall neue, moderne Fenster einsetzen lassen, sondern die alten Holzfenster mühsam restauriert und neu verglast. Liebe zum Detail – ansehen lohnt. Auch die Dinge, die noch alt sind, wie etwa der alte Stragula-Boden in manchen Zimmern.

Ja, klar, hier stehen Stahlrohrstühle rum. Ein Klinkerkamin. Kann man drüber diskutieren. Man kann’s aber auch bleiben lassen. Das Schloss ist eine Mischung aus Museum, Wohnzimmer, Tagungshotel, Kunstausstellung, Verrücktenspielwiese und Wachsfigurenkabinett. Nichts davon ist es richtig, aber in der Kombi wahrscheinlich einmalig.

Wer mal in Rocksdorf war – so ähnlich nur zehnmal so groß. Wahrscheinlich komme ich deshalb so gut mit Herrn Goldhahn klar….

9 Replies to “Schloss Püchau”

  1. Danke für den Bericht und die Fotos,
    ich habe es mit Freude gelesen und werde es wohl so schnell nicht vergessen.
    Nur, Leipzig ist mal auch nicht gerade umme Ecke;-))
    Schön, dass es solche schräge Typen gibt.
    Gruß Rainer

  2. schöne Location…….. aber die Webseite, tstststs
    ohne die 20Tracker und Scripte zu erlauben gibt es kein einziges scharfes Bild.
    Insta und Fratzenbook-Links sind gleich inclusive, dafür exclusive eines Impressums.
    Braucht man wahrscheinlich heutzutage nicht wenn man beim Fernsehen und Blödzeitung bekannt ist.

    OK, kannst du nix dafür/dagegen ……………… der jedoch freut sich wahrscheinlich über die kostenlose Werbung
    Gruß Uwe

    1. Der braucht keine Werbung. Im Gegenteil, der betreibt aktive Kundenabwehr. Der hat auch Ferienwohnungen mit insgesamt 40 Betten – die sind auch bei einem Ferienwohnungsportal zu besichtigen. Aber Du kannst sie nicht buchen. Eigentlich hat der ein fettes Seitengebäude, das gerade leer steht, weil eine Druckerei ausgezogen ist – eigentlich sollte das vermietet werden, aber jetzt hat er sein Atelier dort eingerichtet und hat gerade keine Lust dazu, das zu vermieten. Der ist so drauf. Und dem ist seine Website sowas von Wurst.

      1. jaja, von den Tpyen denen die meisten Regeln „Wurst“ sind habe ich tagtäglich genug um mich rum und am WE noch mal doppelt soviele 🙁
        Kann man mögen….. muss man aber nicht…………………………….
        Gruß Uwe

  3. Mensch Reinhard,
    ich stelle mir gerade vor meinem inneren Auge das Zusammentreffen eines Landgutbesitzers aus der Oberpfalz mit einem ebenso echten Schlossherren im Speckgürtel von Leipzig vor, die über „eine Mischung aus Museum, Wohnzimmer, Tagungshotel, Kunstausstellung, Verrücktenspielwiese und Wachsfigurenkabinett“ (in der Oberpfalz eher Schaufensterfiguren…) ihre Erlebnisse zum Besten geben! Großes Kino!

    Reinhard, mach weiter so!!! Und mit Sicherheit ein toller Tip, wenn ich mal wieder in die Region komme!

    Herzliche Grüße aus Dortmund

    Alfred

  4. Ein sehr interessanter Bericht, Reinhard! Danke dafür und auch für die Fotos!
    Auch wenn (bzw. vielleicht gerade deswegen) ist es spannend zu sehen, was es alles Interessantes drumherum gibt.
    Sonnige Grüße,
    Renate

    1. … ups, da habe ich scheinbar einen Teil meines Satzes nur in meinen Gedanken und nicht in den Fingern über der Tastatur gehabt:
      Es sollte eigentlich heißen „Auch wenn ich vermutlich nie dahin kommen werde …(…)“
      Beim Schreiben hat die Hitze meine Konzentration scheinbar geschmolzen …
      Bitte in Gedanken dann entsprechend ergänzen – danke schön!
      Sonnige Grüße, Renate

  5. Hallo, Reinhard,

    Dein Bericht ist so wunderbar und köstlich. Ich kann, was Du so herrlich detailliert schilderst, sooo gut nachvollziehen, denn ich hatte mehrere Stunden, bei einem vollautomatisch zubereiteten Kaffee, das Vergnügen, mich mit L. Goldhahn vor seinem kunterbunten WerkstattSeitenflügel auszutauschen; d.h. ich „spielte“ die Rolle der geduldigen Zuhörerin. Allerdings bin ich, was die Historie des Schlosses betrifft, nun gut geschult und weiß nun u.a. viel – auch über Lothar Alles in allem: Der „blättrige“, ungewöhnliche Charme des Ganzen (Besitzer/Märchenschloß) hat ‚doch‘ etwas Einmaliges….

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