Ich hatte die Farben der OM-1 ja schon mal unter die Lupe genommen – mit Blitzlicht und Graukarte, also unter stabilen Bedingungen. Und da hat sich die OM-1 ja wacker geschlagen. Nun war ich vor kurzem in Nürnberg unterwegs, und wer die Altstadt von Nürnberg kennt – da ist die vorherrschende Farbe rotbraun. Der legendäre Burgsandstein, aus dem halb Nürnberg besteht. Und der ist eine Herausforderung für jeden Weißabgleich, weil natürlich alles reflektierte Licht auch rotbräunlich ist. Im Normalfall ist man ohne Graukarte da ziemlich aufgeschmissen. (BTW: Ich habe Olympus mal vorgeschlagen, statt irgendwelcher alberner Schlüsselbänder, Kugelschreiber und Taschenmesser einfach mal Graukarten machen zu lassen. Ich hatte ein passendes, wirklich graues Plastikmaterial aufgetrieben und für 10.000 Graukarten wären etwa 3000 Euronen fällig geworden. Samt beidseitigem Druck und allem. Das war Olympus zu teuer. Ich hätte die Hälfte der Kosten übernehmen sollen und dann auch die Hälfte der Graukarten. Oder so…)
Mein Standard, um halbwegs brauchbare Bilder zu kriegen ist ein fester Weißabgleich auf Wolken oder Schatten. Das funktioniert meistens. Aber diesmal nicht. Wirklich haarig wurde es hier:
Das Display zeigte – wie auch dieses Bild – eine rote Mauer. Dabei war da gegenüber gar nichts, das für das Rot verantwortlich sein hätte können. Vor der Mauer ist schlicht grauer Asphalt. Ein paar Meter. Ich habe mit CWB experimentiert und dann versucht, mit der neuen Anpassung die Mauer in der Realität und die Mauer im Sucher farblich in Deckung zu bringen – keine Chance. Dabei fiel mir auf, dass das Display noch mal eine andere Farbe zeigte. Und zwar erheblich anders. So schlimm war mir das bisher nicht aufgefallen. Das Schweinchenrosa dieser Wand war auf jeden Fall falsch. Eigentlich war die mehr beige mit einem leichten Stich ins Rötliche. Alle Versuche mit anderen Weißabgleichen machten es nur noch schlimmer.
Und dann saß ich mit der Kamera im Wartezimmer des Nordklinikums und knipste aus Langeweile den Fußboden. Automatischer Weißabgleich. Und mit Graukarte. Die habe ich nämlich immer dabei.
Links: so soll das sein. Rechts: So ist die Kamera der Meinung, dass das ist.
Das ist jetzt schon mal nicht so der Brüller. Ja, ich weiß, da hängen LEDs an der Decke. Aber genau deswegen gibt’s ja einen automatischen Weißabgleich, dass der das ausgleicht. Früher gab’s mal einen Lichtsensor an Kameras, der eine zweite Meinung zur Lichtfarbe geliefert hat. Früher.
Also ab ins Studio und einen Vergleich zur E-M1II.
Links ist die E-M1II, rechts die OM-1. Jo. Der automatische Weißabgleich der OM-1 macht die Wangen rot. Interessanterweise macht er aber tatsächlich nur die Wangen rot. Die roten Farben im Hintergrund lässt er in Frieden. Da scheint sich jemand bei den Entwicklern das Problem der bleichen Gesichter beim AutoWB vorgenommen zu haben und ein bisschen am Rotregler gedreht zu haben. Kleines Problem: Man kann nicht einfach das Rot wieder rausdrehen, weil sonst alle Rots verlieren. Und da haben wir das Problem mit der Mauer: die ist hautfarben. Und da ist die Kamera der Meinung, die hat ne ungesunde Gesichtsfarbe. Also Schweinchenrosa.
Und weil ich gleich dabei war, habe ich die OM-1 mal von links nach rechts auf folgende Situationen losgelassen: WB-Auto, den Weißabgleich durch den Sucher handjustiert, den Weißabgleich am Display handjustiert und rechts unten dann per Graukarte. Die Farbbeurteilung am Display war klar am danebensten. Gerade das ist natürlich aus mehreren Gründen „schwierig“, weil die Displayfarbe stark abhängig vom Umgebungslicht ist. Und ich kann nen Knick in der Optik haben und die Farben falsch beurteilen. Aber wenn man selbst nicht zufrieden mit der Farbwiedergabe ist, mal unter Schraubenschlüsselmenü, 3.Monitor/Ton/Verbindung kucken. Dort kann man die Farbe von Display und EVF getrennt einstellen. Ach ja, Info-Taste drücken, sonst schraubt man nur an der Helligkeit rum.
Der automatische Weißabgleich der Kamera? Solange man keine Hauttöne drin hat oder in Nürnberg fotografiert, kann man damit leben. Aber besser ist die Graukarte. Dann macht die Kamera die deutlich bessere Farbwiedergabe.
Vor Jahren hat Minolta eine Classic-Kamera aufgelegt, die fast nichts nach Algorithmen (hiess damals fuzzy logic) belichtete und wo man alles wieder selber einstellen musste. Das war eine Reaktion auf die vorherigen Kameras, deren automatische Einstellungen völlig unkontrollierbare Ergebnisse bewirkten. Beispiel mit hellem See und schattigen Bäumen im Vordergrund: erkannt wurde ein Doppelportrait im Gegenlicht und deshalb kräftig aufgehellt. Ein kleiner Schwenk und die Kamera belichtete nach Landschaftskriterien und die Bäume wurden fast schwarz. Beim Film sah man die schlechten Resultate erst viel später. Wer korrigieren wollte, wusste nie, was die Kamera schon selber korrigiert hatte und konnte deshalb nur Rate-Resultate erzielen. Deshalb die Notlösung, dass die Kamera nichts mehr hinein rechnete. War 20 Jahre vor der Classic schon Stand der Technik. Heute wird anscheinend auch bei Kameras mit Anspruch der Fotograf als Fehlerquelle angesehen und übersteuert. Wenigstens hat man heute eine Chance, die Verschlimmbesserung schon bei der Aufnahme zu erkennen, wenn der Sucher gut genug ist.
Reinhards Bericht über die schweinchenfarbene Mauer erinnert mich stark an solche Problemverursacher. Eine Kamera mit Profianspruch wie die OM-1 traut dem Fotografen nicht zu, ein Portrait zu bewältigen und drückt einem ein nicht ausschaltbares Rot ins Bild. Kommt die Mauer anders, wenn ein Chinese oder ein Marokkaner davor fotografiert wird?
Was kommt als nächstes? Ein diesiger Himmel und die Kamera beglückt einen mit einem kräftigen Blaustich? Alte Menschen werden auf dem Foto zum Teenie gesoftet? Alle Tiere kommen als niedliche Kätzchen aus der Kamera? Was, wenn Sponsoren ins Spiel kommen und plötzlich alle fotografierten Schokoladen auf dem Foto lila aussehen? Dann ist definitiv die Zeit, wo man die originale OM 1 wieder anschafft – Filme gibt es ja noch. Oder man braucht das hundertfache an Zeit, um die Effekte heraus zu rechnen wie man sie gebraucht hätte für eine manuelle Korrektur.
Nochmals Minolta: Damals haben sie Werbung gemacht mit dem Spruch, dass die Kamera intelligenter als der Mensch dahinter sei.
Während der analogen Zeit gab es den Bonmot, dass der Farbstich bereits auf der Filmschachtel angegeben wird: Kodak gelb, Fuji grün und Agfa rot 🙂
Wie war die Option warme Farben eingestellt? Mit etwas Glück könnte man die „Korrektur“ damit ausschalten?
Kein Glück. War ausgeschaltet. Die Funktion ändert aber auch erst was, wenn es dunkler wird. Nicht am hellichten Tag.
Öhm…
Da ich haupt- und nebenberuflich sehr viele Menschen fotografiere und viele davon mit Auto-WB, weil einfach keine Zeit ist, jeweils den Weißabgleich anzupassen (Reportagen), bin ich wohl aktuell noch ganz gut damit bedient, dass meine OM-1 noch nicht lieferbar ist.
Schade!
:-/
Martin
Gerade für Dich ist das gar nicht so daneben. Die Personen kriegen eine minimal rosigere Gesichtsfarbe. Bisher waren mir die oft einen Kick zu kalt.
Kann ich so nicht bestätigen…
Zumindest mit meinen ollen MK-losen E-M1en waren mir die Hauttöne nie zu kalt. Eher manchmal das Gegenteil.
Ist denn die E-M1MKII kühler abgestimmt, als die Ur-E-M1?
E-M 1 und E-M 1 II habe ich parallel verwendet und hatte damit bei Tageslicht keine Probleme. Schwierig gestaltete es sich jedoch beim TTL-Blitzen (vom mitgelieferten Blitz über Fl-600R und Fl-900R). Die Aufnahmen der E-M1 II wirkten immer 2/3 bis 1 1/3 EV überbelichtet. Mir war es nicht möglich die beiden Kameras zuverlässig aufeinander abzustimmen. Manuelles Blitzen hingegen zeigte keine Abweichungen. E-M1 III und E-M1X haben sich dann wieder wie die E-M1 und PEN-F verhalten.
Das ist aber alles eine laienhafte Beurteilung. Mir ging es nur darum. ob ich die Kameras ohne Anpassungen gemeinsam einsetzen konnte, ohne dass dies dem Betrachter negativ auffällt – also keine Vergleiche mit Farbtafeln. Positiv aufgefallen ist mir die bessere Durchzeichnung beim Schwarz. Wo bei der E-M1 beim Samtkleid das Schwarz abgesoffen ist, habe ich bei den neueren Olys mehr Durchzeichnung (kann also auf Belichtungskorrekturen und dem damit einhergehenden Vergrauen eher verzichten).
Bei allen meinen Olys war bei Personenaufnahmen in der Regel „Warme Farben“ eingestellt. Ich denke nicht, dass man beim Mischen der Aufnahmen (von einem Event) die Bilder den unterschiedlichen Kameras zuordnen könnte.
Hallo Reinhard,
Wenn bei Deinem Abschlussvergleich mit den 4Bildern links oben der AutoWB und rechts unten die Graukarte abgebildet ist, gefällt mir die Graukarte auch am besten, Aber das Bild mit AutoWB ist auf meinem Bildschirm weniger rot, als die Graukarte. Du schreibst doch, dass bei AutoWB die Hauttöne „röter“ werden. Oder habe ich jetzt einen Knick in der Optik?
AutoWB ist eine Automatik, die das gesamte Bild beurteilt. Ein Vergleich zwischen AutoWB und Graukarte kann mal identische Ergebnisse bringen, mal komplett unterschiedlich sein, wie bei dem Fußboden. Wenn ich ein und dieselbe Person fotografiere, die jedesmal unterschiedliche Klamotten anhat und vor unterschiedlich farbigem Hintergrund steht, wird sich die Gesichtsfarbe jedesmal unterscheiden. Ein Vergleich zwischen Graukarte und AutoWB ist also ausschließlich für ein bestimmtes Motiv gültig, bei gleichem Licht. Die Kamera macht den Rotstich IM VERGLEICH zur E-M1II bei gleichem Motiv.
Und – Achtung! Fehler im Farbmanagement auf dem PC können weit verheerender sein, als diese Nuncen, um die es hier geht.
Und noch ein Wort zu den „Warmen Farben“. Die werden erst wirksam, wenn die Belichtung unter 7EV sinkt und nicht ausreichend Blau im Bild ist. Aber auch das ist eine Automatik – und die macht jede Menge Fehler. Wenn’s nur drum geht, eine bestimmte Stimmung abzulichten „Zünftig war’s beim Hubi af der Hüttn“ dann ist die Prima. Wenn’s darum geht, dass Farben passen müssen, ist der AutoWB generell untauglich. Er ist eine oft brauchbare und ausreichende Näherung. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.
Daß die Graukarte das Werkzeug der Wahl ist, wenn es um präzise Farbwiedergabe geht war schon immer so, und wird wahrscheinlich auch noch lange so bleiben. Daß man bei benutzung meherer Kamerabodies diese aufeinander abstimmen musste war auch in Analogzeiten bereits so, wenn auch nur in einer Dimension und nicht in 4.
Für mich sind die Unterschiede der Bilder weit unterhalb dessen wie die Geschmäcker und Wiedergabegeräte differenzieren. Wer RAW nutzt, kann eh im Post das nochmals korrigieren, und ja, am leichtesten, wenn man auch eine Aufnahme mit Graukarte hat.
Daß die Hersteller daran drehen, daß OOC in Standart Situationen möglichst gefällige Ergebnisse herauskommen, ist auch natürlich, weil dannach die Kameras gekauft werden. Wer mit Farbtemperaturen pimpelhubert, der muss seinen Workflow eh selbst austüfteln.
Ich sehe das alles nicht so dramatisch, die roten Bäckchen…
Ich hatte vorgestern Autos zu fotografieren. Da musste die Lackfarbe passen. Da geht’s nicht um rote Bäckchen sondern um ein Metallic-Bordeaux vs einem Blaulila. Das kannst Du auch hinterher nicht im RAW machen – es sei denn, Du hast das Auto zufälligerweise neben Deinem kalibrierten Monitor stehen. Klar, wer keine Kunden hat, die Wert drauf legen, dass ihr Krempel in der richtigen Farbe abgebildet wird, dem ist das shitegal. Sorry dafür, dass meine Kunden gerne korrekte Farben haben. Und deshalb bin ich gezwungen mit Farbtemperaturen zu „pimpelhubern“. Wer nur für sich fotografiert und dem es wurst ist, wenn die Wurst nach Käse aussieht – dem kann auch ein untauglicher AutoWB wurst sein. Ich habe übrigens noch meine E-M1II auf den Rote-Bete-Salat losgelassen. Weit besser als die OM-1.
Wer früher mal im Fotolabor versucht hat, Farbfotos korrekt d.h. neutral zu filtern, kann ein Lied von den Tücken einer automatischen Filterbestimmung singen. Wenn man ein Negativ für eine Aufnahme mit Graukarte spendiert hat, war es merklich einfacher. Heute haben wir es leichter und können entweder direkt bei der Aufnahme den Weißabgleich auf die Graukarte machen oder nachträglich bei der „Entwicklung“ des RAWs. Bequemlichkeit (d.h. der automatische Weißabgleich) hat immer ihren Preis, auch wenn sich die Entwickler der Kameras größte Mühe damit geben, wird es nie perfekt sein können. Woher soll die Kamera auch den genauen Farbton des Nürnberger Buntsandsteins kennen? Ich habe es mir bei meiner ersten Digiknipse (Canon G3) angewöhnt, auf den AWB zu verzichten. Wobei das auch nicht der Weiheit letzter Schluss ist, wenn man vergisst den Weißabgleich von Kunstlicht auf Tageslicht zurück zu stellen und nur in JPEG speichert….
Aber Danke, dass du dir die Mühe machst, die Grenzen der Automatik auszuloten. Ein Hoch auf die gute alte Graukarte!