Die Excire Klartextsuche

Ich habe ja schon öfter über die KI-Klartextsuche von Excire geschrieben und war meistens begeistert, was die da so aus meinem Fundus ausgräbt. Bei der Suche nach „62“ bin ich dann erstmals misstrauisch geworden und habe mich jetzt mal drangesetzt, rauszukriegen, woher die Software ihre Weisheiten hat. Das Titelbild war dann schließlich der „Proof of Concept“. Das ist der Sendeturm auf dem großen Feldberg im Taunus. Aufgenommen 1953. Das Bild ist nach wie vor noch im Artikel in der deutschen Wikipedia vertreten, es ist das einzige Bild, das ich jemals in die Wikipedia hochgeladen habe. Es ist in der Wikipedia verschlagwortet mit „Fernmeldeturm im Jahr 1953“. Bei mir auf der Platte hat es keine Schlagwörter, lediglich in der IPTC-Bemerkung steht „Funkturm großer Feldberg“. Wenn ich nun in der Excire Ki-Textsuche „Funkturm großer Feldberg“ eingebe, findet er alle möglichen Türme, aber nicht diesen. Die Klartextsuche fragt also die IPTC-Daten nicht ab. Gebe ich dagegen „Fernmeldeturm 1953“ ein, findet er das Bild. Nach drei Dutzend Fotos des Sendemastes vom Dillberg. Suche nach „großer Feldberg“ findet das Foto wieder nicht – Kunststück, das Bild ist eben in der Wikipedia nicht mit diesem Begriff verschlagwortet.

Weiterer Test: „Heinrich Himmler“. Von dem habe ich definitiv kein Foto auf der Platte. Excire findet an erster Stelle einen Scan einer Schreibmaschinennotiz aus den 60ern. Das ist genau diese Art Bilder, die oft bei historischen Persönlichkeiten eingebunden werden. Ein kurzer Test in den Wikimedia Commens findet mehrere entsprechende Briefe von Himmler. Die erste Person, die Excire bei mir auf der Platte findet, hat natürlich eine Nickelbrille auf. Und sieht Himmler nicht mal von weitem ähnlich. (BTW: Die Tochter von Himmler, Gudrun Burwitz-Himmler, hat von 1961 bis 1963 unter Gehlen beim BDN gearbeitet. Jaja, die Bundesrepublik und ihre Entnazifizierung.)

Eilean Donan Castle:

Klar. Das ist so ziemlich exakt das Bild aus der Wikipedia und wird auf Platz 1 gefunden. Schon auf Platz 4 landet ein Foto von Urquhart Castle und nicht etwa ein Bild der Brücke, die nach Eilean Donan Castle führt. Aber da gibt es doch ein Bild bei Wikipedia, mit der Burg rechts? Jo. Aber das ist bei Ebbe aufgenommen. Und ich habe die Brücke bei Flut und ohne Burg. Die Brücke findet Excire dann tatsächlich, aber eben erst auf Platz 300. Auf Platz 8 ist dieses Foto:

Das ist der Saltstraumen in Nordnorwegen. Und ja, da habe ich weit bessere Fotos, aber das hat er als Eilean Donan Castle gefunden. Keine Ahnung, warum. Vielleicht ist die Landschaft ähnlich.

Also: Es gibt keine Wunder. Es gibt die Wikimedia Commons und ihre Verschlagwortung. Keine Spur von „Intelligenz“, schon gleich gar keine „künstliche“. Wäre natürlich frech, sich da zu bedienen und dann mit cooler Funktion zu flexen ohne die Quelle anzugeben. Aber so isses halt heutzutage. Und nein, ich unterstelle Excire natürlich nicht, dass sie es so gemacht haben. Ich habe meine Ergebnisse präsentiert und es darf sich nun jeder selbst einen Reim drauf machen.

13 Replies to “Die Excire Klartextsuche”

    1. Das glaube ich nicht. Die KI wurde vielleicht (!) mit den Wikimedia Commons trainiert, aber es findet definitiv kein Online-Zugriff statt. Das wäre viel zu langsam.

  1. Im „Spiegel“ von dieser Woche ist ein m.E. guter Artikel erschienen mit dem Titel „KI und das Ende des Journalismus“.
    Der Spiegel ist kein Katechismus, aber in dieser Arbeit hat sich die Redaktion angestrengt. die aktuelle Informationskultur und Technik zu beleuchten.
    Wie Information von KI generiert, die Quellen parasitiert und schließlich kannibalsiert wird, müsste mittlerweile jedem klar sein.
    Ich denke, gute, objektive Recherche und deren Aufbereitung wird bald nur noch über Bezahlsysteme erhältlich sein, ich mache auf jeden Fall mit.
    Alle anderen Informationskanäle und deren Produkte führen in das Armageddon,
    das sich infizierte Basisdemokratie nennt.
    Haben wir damit etwas verloren?
    Vielleicht ein paar Jahrhunderte Aufklärung, aber das ist ja so gewollt. Und es geht uns allen gut.

    Damit ist nur soviel

    erden

    1. „Bezahlter Qualitätsjorunalismus“ ist ein wunderbares Wort. Es funktioniert nur nicht. Ich bin seit 40 Jahren in dieser Branche. Qualität wird nur dort geliefert, wo die Konkurrenz dazu zwingt. Wenn’s billiger geht, wird billiger gemacht und die Preise hochgehalten. Rohertragssteigerung. Abzocke. Je nachdem wer es benennt. Da Überzeugungstäter verklagt und gefeuert werden, gibt es im bezahlten Journalismus im Wesentlichen eben nur bezahlte Journalisten. Ausnahmen bestätigen leider die Regel.
      Gute, objektive Recherche ist eine Illusion. Das gibt es nicht. Selbst Leute, die sich bemühen, müssen scheitern, soweit es um mehr geht, als Fußballergebnisse. Man hat immer einen Fokus. Wenn ich über eine Firma berichte, begeistere ich mich für gute Produkte, Umweltbewusstsein, gutes Betriebsklima, netten Umgang mit mir. Ein anderer Journalist begeistert sich für Kostenreduktion, hohe Margen, gut aussehende Pressesprecherinnen. Die Artikel über die gleiche Firma sind objektiv beide richtig. Ich werde vielleicht verklagt und der andere kriegt eine Einladung auf eine Safari. So ist die Wirklichkeit.

      1. Und wo ist das Ende der Spirale?
        Auch meine Schwester ist Publizistin, sie hört jetzt auf.
        Kommen wir zurück zur Bibel, tausendfach ergänzt, exegiert, falsch kopiert, manipuliert?
        Wo ist das Ende, ich rede nicht von Zukunft?
        Ich habe für eine vielleicht illusorische Möglichkeit optiert, du hast argumentiert, dass das alles nicht funktioniert.
        Wie ist dein Modus vivendi, ein Modus supervivendi ?
        Wenn es keinen freien Journalismus mehr gibt (ich zahle dafür jeden Preis), haben wir gesehen in den 30ern des vorigen Jahrhundert und derzeit in USA.
        Ich zahle jeden Preis dafür und ich bin vielleicht nicht allein.

  2. Bezüglich guter Journalismus fällt mir in Deutschland bei den Printmedien nur die TAZ ein und international der Guardian.
    Beide habe ich im Abo.
    Unser oberfränkisches Lokalblatt ist dank Redaktionszusammenlegung eher eine Süd-Thüringer Zeitung. Da ist nur der Teil mit den Traueranzeigen interessant …

    1. Der Guardian wird u.a. von der Bill& Melinda Gates-Stiftung finanziert. Die finanzieren auch das ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg. Die taz wird u.a. mit „Staatsknete“ finanziert. (Haushaltstitel 0504-687 15, 200.000 Euro. Und das ist nur einer von 22 Haushaltstiteln der Bundesregierung seit 2014, mit denen die „taz Panter“ unterstützt wurde. )
      Unabhängiger Journalismus sieht anders aus. Sorry, wenn ich Dir da gerade ein paar Illusionen zerschossen habe.

      1. Nein, meine Illusionen zerschossen hast Du nicht.
        Das beim Guardian ist bekannt. Ich bekomme dort aber Nachrichten zu Themen die man in der normalen Nachrichtenwelt nicht bekommt.
        Bei der TAZ betrifft das die separate gemeinnützige Panter Stiftung. Die hat wirtschaftlich nichts mit der Zeitung als solches zu tun.
        Und ja: Geiz ist geil, die meisten wollen für Qualitätsjournalismus nichts ausgeben, das gibts ja im Internet von irgendeiner KI oder einem Algorithmus zusammengebastelt.
        Und nochmal ja: Jeder Artikel den man irgendwo vorgesetzt bekommt ist aus der Brille des Verfassers geschrieben oder aus der Brille dessen der ihn bezahlt (weniger gut).
        lg
        Wolfgang

  3. Tja, wirklich objektiven Journalismus gibt es wohl nicht, außer vielleicht in den Naturwisssenschaften wie Spektrum
    Hilfreich sind Organisationen wie https://correctiv.org/

    Grüße
    tom

    Das Internet hat es zu einfach gemacht Meinungen , Fake und Hate zu verbreiten. Früher waren Spiegel + Fokus + FAZ (oder süddeutsche) eine ganz gute Grundlage.

    1. Correctiv hat sich mit ein paar wirklich miesen Moves leider diskreditiert. Die machen teilweise hervorragende Arbeit, aber teilweise halt auch nicht. Und das Problem ist bei allem Journalismus: wenn man sich auf die Infos nicht verlassen kann weil man nicht weiß, was nun stimmt, und was Mist ist, dann ist auch das gute Zeug nichts mehr wert. Spiegel, Fokus, FAZ und SZ haben teilweise immer noch tolle Recherchen. Aber auch da weiß man halt nicht, was ist Lückenpresse, was ist gut, was ist einfach nur Propaganda.
      Wie gesagt, ich bin seit 40 Jahren im „Business“. Und alle genannten Zeitungen haben schon immer Mist geschrieben. Es ist nur nicht aufgefallen, weil der einzelne Leser nur die Möglichkeit hatte, Leserbriefe zu schreiben – und die mussten ja nicht abgedruckt werden. Durch das Internet kann sich jeder hinstellen und zeigen, wie es wirklich war. Und ja, da kann sich auch jeder hinstellen und Mist verbreiten. Wird ja auch fleißig gemacht. Aus allen politischen Richtungen.
      Für mich ist der Lackmustest, wie Publikationen damit umgehen, wenn sie bei Mist erwischt wurden. Gehen sie damit offen um, machen sofort eine Richtigstellung, entschuldigen sie sich. Wenn sie das nicht tun, dann war das kein Fehler, sondern Absicht. Und Leser absichtlich zu bescheissen – das geht gaaar nicht.
      Ich habe mal 2000 selber ne Pressekonferenz abgehalten. Da saßen 20 Zeitungen. Die haben von mir die ganzen Facts schriftlich gekriegt. Und auf Datenträger. Und konnten Fragen stellen. Und haben ein dickes Notizbuch und sündteure Canapees gekriegt. Nicht eine einzige Zeitung hat auch nur grob die Fakten korrekt wiedergegeben. Nicht eine. In der ganzen Zeit, in der ich da von Presse, Funk und Fernsehen belagert wurde, hat einzig und allein die Lokalredaktion der Nürnberger Bild (!!!) es fertiggebracht, korrekt zu berichten. Ich habe den Presseordner noch. Ein Dokument des kompletten Versagens der Deutschen Presselandschaft. Sie waren nicht mal fähig, den Bericht der dpa fehlerfrei zu übernehmen, der auch schon schräg war.

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