Blitzen auf den 2. Vorhang

In meinen Büchern schreibe ich seit mindestens 2010, dass Olympus den Impuls für den Blitz auf den 2. Vorhang eine gewisse Zeit VOR dem Beginn des 2. Vorhangs setzt. Dass es demzufolge immer ein „Nachlaufen“ des Motivs gibt, also eine Spur hinter dem Motiv und eine Spur vor dem Motiv und dass man bei Belichtungszeiten kürzer als 1/25 s keinen Unterschied zwischen erstem und zweitem Vorhang sieht.

Das ist jetzt tatsächlich jemandem in einem Forum aufgefallen. Und man dachte daran, die Outdoormarke in Japen darum zu bitten, die Auslösung des Blitzes nach hinten zu legen.

Abgesehen davon, dass man die guten Bilder sowieso andersrum macht – nämlich die Bewegung umkehrt und auf den ersten Vorhang blitzt, weil man dann eine Kontrolle über das Bild hat – hat das ein paar Hinterfüße. Die Techniker bei Olympus haben sich nämlich was dabei gedacht.

Blitze brennen unterschiedlich lang und auch Funkauslöser haben Latenzzeiten. Ein Systemblitz in Vollleistung brennt 1/125 s. (Vergesst, wenn der Hersteller was von 1/500 s phantasiert). Ich muss also mindesten 1/125s vor dem Beginn des Verschlusslaufs zünden, weil die Kamera nicht weiß, wie lange der Blitz brennt .Wir haben Latenzzeiten der Elektronik, wir haben Latenzzeiten eines Funkauslösers. Schon 1/60s kann knapp werden. (Die ersten Funkauslöser aus China schafften mit Müh und Not 1/125) Wenn jemand auf die Idee kommt, Blitzbirnen remote zu verwenden, sind sogar 1/30s knapp.

Nun könnte man die Kamera anweisen, den Blitz zu fragen, wie lange er gedenkt zu blitzen. Das funktioniert zumindest bei Systemblitzen auf der Kamera. Wenn es im Protokoll vorgesehen ist. Nehmen wir mal an, das würde funktionieren – was es nicht tut – und wir können den Blitz genau die Zeitspanne des Blitzes – z.B. 1/20.000 s plus die interne Latenz des Blitzes – vor dem Beginn des zweiten Vorhangs starten. Haben wir damit den Nachlauf beseitigt?

Fast.

Der Verschlusslauf von 1/250s kommt nämlich noch. Und in der Zeit haben wir einen „Nachlauf“. Sieht man nicht sehr, aber es gibt Mittel und Wege, das sichtbar zu machen, wie es auch Mittel gibt, auch bei 1/250s noch einen Rolling Shutter sichtbar zu machen. Wir verlagern also das Problem nur, vollständig beseitigt werden kann es nicht. Und, vor allem, dieser Aufwand, der bedeutet, dass neue Blitze entwickelt werden müssen, die das neue Protokoll können, hat fotografisch so gut wie keine Auswirkungen. Denn – siehe oben – die Community hat zwanzig Jahre gebraucht, um überhaupt festzustellen, dass es da ein „Problem“ gibt – und das, obwohl ich das „Problem“ vor über einem Jahrzehnt bereits dokumentiert und in hunderttausender Auflage veröffentlicht habe.

Dazu kommt, dass aus rein praktischen Gründen niemand wirklich auf den zweiten Vorhang blitzt, der weiß, was die Kamera da macht. Denn man fotografiert systembedingt dabei eben schnelle Bewegungen von leuchtenden Dingen oder gut beleuchteten Dingen (sonst gibt es keine Bewegungsspur) und da muss man die Bewegung schon exakt timen, damit zum Schluss der Blitz genau zu dem Zeitpunkt losgeht, an dem das Motiv am geplanten Punkt ist. Von Belichtungsproblemen ganz zu schweigen, da der TTL-Vorblitz zu einem Zeitpunkt misst, an dem das Motiv noch gar nicht an der richtigen Position ist.

Klar. Kann man alles machen. Mit entsprechender Planung und Aufwand geht das alles. Aber es ist viel einfacher, die Bewegung umzukehren. Ich will ein Auto haben, das Lichtspuren nachzieht? Lass es rückwärts fahren. (Und vergiss nicht, die Rückfahrscheinwerfer abzuklemmen.) Und wenn Du unbedingt auf den zweiten Vorhang blitzen willst, dann lass es einfach langsam vorwärts fahren. Am Bild sieht man ja nicht, wie schnell die Bewegung war. (Fremde Autos im Straßenverkehr zu blitzen ist eine ziemlich dumme Idee und kann sehr, sehr teuer werden.) Für diese Art Aufnahme gibt es, so man nicht in M fotografieren will, den Blitzmodus „Slow“. Die sogenannte Langzeitsynchronisation. Funktioniert wie auf den zweiten Vorhang, Nur besser.

Du willst unbedingt im Studio fallende Federbälle fotografieren? Dringend?

Dann stell auf Bulb, Slow2, lass den Federball fallen und beende die Belichtung durch Loslassen des Auslösera, wenn der Federball an der richtigen Position ist. Der Blitz tut erst beim Loslassen. Ach ja, auf M, Blitz Manuell, Funkauslöser. TTL ist keine gute Idee, da der Ball während des Vorblitzes noch nicht da ist und demzufolge der Blitze auf den Hintergrund belichtet.

Ja, wenn man genau hinkuckt, ist tatsächlich unterhalb des Balls noch ein Nachlauf. Der fällt aber kaum auf, weil die Ballspur immer dünner wird, weil der Ball immer schneller wird. Erdbeschleunigung. (Die weißen Flecken im Hintergrund sind Absicht. Löcher in der Pappe um Sternenhimmel zu simulieren.)

Wie kriegt man nun diesen Nachlauf weg?

So. Und noch dazu wird der Schweif nach oben nicht stärker, sondern schwächer. Bulb, Blitz auf den ersten Vorhang und Ball nicht unten, sondern oben blitzen. Und anschließend einfach das Bild drehen.

Cool was?

Hat das irgendwelche ästhetische Relevanz? Nö. Aber gut, dass wir drüber gesprochen haben.

Ach ja, wo kommt der Schweif her? Ein Scheinwerfer. Dauerlicht eben.

6 Replies to “Blitzen auf den 2. Vorhang”

  1. Tatsächlich ist der Verschlusslauf etwas schneller als 1/250. Da ich den Verschluss mittlerweile beim Schließen fotografiere, kann ich belegen, dass der bei der OM-1 ziemlich genau 2 ms oder 1/500 braucht.

    Zusammen mit der Offenzeit für den Verschluss bleibt dem Blitz bei 1/320 dann mal etwas über 1ms zum Belichten und das ist schon eher knapp. Die Blitzdauer messe ich auch, und die liegt bei Vollblitz bei meinem YONGNUO YN560 II bei knapp 2 ms bei Voll-Leistung, und geht dann deutlich unter 1ms bei 1/2. Bei 1/32 erreiche ich mit 0,04 ms die aktuell Meßgrenze meiner Apparatur.

    Die Auslöseverzögerung liegt im übrigen über X-Sync bei einem sehr und vor allem konstanten Wert, der eher auf die Software zurückzuführen ist (deutlich unter 1 ms).

    Meine Website gibt den aktuellen Arbeitsstand wieder, ist aber noch sehr im Fluss.

    1. Die OM-1 hat einen seht schnellen Verschluss. Man kann damit mit 1/400s noch synchron blitzen, das funktioniert. Aber andere Verschlüsse sind halt deutlich langsamer und das ist halt ein Problem, wenn man für jede Kamera die Vorlaufzeit des 2. Vorhangs an den Verschluss anpassen soll. Ist Aufwand.
      Blitzdauer 2ms sind 1/500s. Da ist die Frage, ob Du eine T5 oder T1-Zeit misst. Die t5-Zeit ist bei den Systemblitzen immer 1/500s, die T1-Zeit immer um die 1/125s. Sind überall die gleichen Blitzröhren verbaut. Auch die Blitzlängen sind bei allen nahezu gleich, kann man bei Metz in den Specs nachlesen, muss man gar nicht messen.
      Die Latenz, die Du gemessen hast, trifft auf Deinen Yongnuo zu. Ein Kamerahersteller muss aber alles berücksichtigen, was auf dem Markt unterwegs ist, vor allem, wenn er auch einen X-Sync-Anschluss hat. An den kann man nämlich auch uralte Multiblitze anschließen. Die brauchen deutlich länger. Und wenn da davor noch ein generischer Funkauslöser hängt….. Was Du misst, ist nahezu der Optimalfall.

  2. Die richtige Lösung wäre, den Zündzeitpunkt konfigurierbar zu machen, etwa so, wie früher bei der Leica III. Elektronisch sollte das machbar sein und auf einen Menupunkt mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an. Zwar werden viele Nutzer nicht damit umgehen können, aber ich bin mir sicher, dass du es in deinen Büchern erklären wirst 🙂

    1. Technisch ist alles möglich. Nur eben: wozu? Ich will beim Video meinen Videozoomrahmen wieder haben. Da kann ich sehr genau erklären, warum ich den haben will. Und kann es mit vielen Stunden professionellem Videomaterial auch beweisen. Wo sind die Leute, die professionelle Bilder zeigen, die nicht möglich sind, weil der Zündzeitpunkt nicht frei konfigurierbar ist?

  3. Hab ich mal mit einem Haufen Würfel gemacht. Einen Metz MZ54 auf Teilleistung und damit sehr kurzer Brennzeit. Dazu einen uralten Studioblitz, der bei voller Leistung irgendwo zwischen 1/30 und 1/15 die gesamte Leistung abfackelt. Geblitzt auf den 1. Vorhang und dabei die Würfel aus einer Bratpfanne ausgeschüttet. Danach das Bild umgedreht. Tolle Kometenschweife an den Würfeln. Richtig schöne Bewegung. Hätte ich anders rum nur mit viel Experiment und Elektronik geschafft, wenn überhaupt.
    Die Aufnahme stammt aus einer E-330 und wurde 2006 gemacht.

  4. Interessant – oder auch nicht. Ab und zu schau ich bei Dir ja mal rein und so hab ich eben auch diese Federbälle gefunden. Ich liebe ja den Begriff Content Creator, das sind z.B. diese Menschen, die tagelang über ein technisches Problem mit Bildern, die den Namen Photo nicht verdienen, diskutieren, ein Problem das für Photographen, also Menschen die versuchen gute Bilder zu machen, total irrelevant ist.

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