Äquivalenz-Diskussion

Eigentlich dachte ich, die Äquivalenz-Diskussion sei mittlerweile „durch“, weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hätte, dass man einen Kleinbildsensor nicht mit einem Mittelformatsensor nicht mit einem Handysensor nicht mit einem was auch immer vergleichen kann.

Das war wohl ein Irrtum. Es wird nach wie vor noch umgerechnet was das Zeug hält. Äquivalenzbrennweite, Äquivalenzblende, Äquivalenz-ISO. Dabei wird im Nebensatz immer „gleiche Sensortechnologie“ vorausgesetzt. Die gibt’s aber nicht. Punkt. Wenn ich voraussetze, dass weder Kohleverstromung noch Atomkraft umweltschädlich sind, dann kann ich trefflich darüber diskutieren, warum man in erneuerbare Energien investiert. Sie sind aber. Wenn man Fakten bei Beginn der Diskussion ignoriert, kann bei der Diskussion nichts rauskommen.

Die Dinosaurier -aka Vollformat“ – Verteidiger konzentrieren sich bei ihrer Diskussion immer auf Brennweite, Blende und ISO. Machen wir mal weiter, eine Kaufentscheidung funktioniert ja anders. Oder wer geht in den Laden und fragt „Ich hätte gerne viel Brennweite, viel Blende und viel ISO“? Eben.

Also nehmen wir mal die Äquivalenzgeschwindigkeit. Die OM-1II macht 120 Bilder pro Sekunde RAW. Die Canon EOS R6II macht 40 Bilder pro Sekunde. Man braucht also 3 Kleinbildkameras für eine mFT-Kamera.

OK. Gilt nicht? Dann nehmen wir die Aquivalenzpixelgeschwindigkeit. Die OM-1II macht in der Sekunde 2,4 Gigapixel. Also 2,4GiP/s. Die Canon R6II schafft 0,96 GiP/s.

Oder das Äquivalenzgewicht. Kamera und Kitoptik: OM-1II mit 12-40 2,8 960gr. EOS-R6II+24-105 f/4 1340gr. Wenn wir schon dabei sind: Der Aquivalenzpreis dieser Kits: 2999,- vs. 4398,-. Macht einen Aquivalenzkilopreis des R-Systems von 3282 Euro gegen 3124 Euro bei mFT. (Hier sieht man, wie brutal in den letzten Jahren der Kilopreis auch bei Olympus/OMDS gestiegen ist.)

Aber seien wir ehrlich: der wichtigste Parameter ist der Äquivalenz-SVF. Das ist das Produkt aus der Anzahl der „Boah Ey“s die die Kumpels vom Fotoclub ausstoßen („befc“), wenn sie der Kamera ansichtig werden, abzüglich der Models, die mitleidig lächeln („smle“) und der Anzahl der beim Fotografen vorhandenen handwerklichen Defizite („fck“). Die Formel lautet also ÄSVF= (befc-smle)*fck.

Also, wenn ihr im Netz wieder Aquivalenzdiskussionen seht, fragt mal nach dem fck-Wert des Fotografen.

Und, um den Spin zu den Sensorvergleichern zu kriegen: In Zeiten, in denen 1/1,7 Zoll Handysensoren 40MP und eine Bildqualität haben, die sich nicht verstecken muss – und die Hasselblad H6D mit 100MP und 53,4x40mm „nur“ 12800 ISO erreicht, ist es etwas gestrig, Sensorgrößen zu vergleichen um die prinzipielle Überlegenheit von irgendwas zu „beweisen“. Jede Sensorgröße hat Vorteile. Entscheidend ist, was man draus macht, oder, um es mathematisch auszudrücken: Es kommt drauf an, den eigenen fck-Wert zu minimieren.

Das Titelbild hat mir Excire zum Thema vorgeschlagen. Und ganz viele Diskussionsrunden, bei denen man allerdings immer die Leute von vorne gesehen hat….

21 Replies to “Äquivalenz-Diskussion”

  1. Ich fotografiere seit Jahren mit meinem gehörlosen Fotokollegen, der mit einer Nikon D6 fotografiert, Gehörlosen-Sport. Wenn ich mir die Bilder ansehe, die mit beiden System gemacht wurden, erkennt man kaum, welches System man damit gemacht wurden. Auch die Protagonisten, die die Bilder von sich selbst bei ihren Sporteinsätzen ansehen, sehen die Unterschiede nicht (meist sind die selber Handyknipser).

    Wir sehen nur die Bilder mit den tollen Momenten der Sportaufnahmen, nicht die Schärfentiefe oder das ISO-Rauschen.
    Wer noch als „Fotograf“ darüber diskutiert, fotografiert nicht wirklich 😉

    1. Der „Äquivalenzkilopreis“ ist ein toller Referenzwert. Erinnert mich an den Seniorchef eines mittelständischen Maschienbaubetriebs, der, sicherheitshalber, immer den Kilopreis seiner Anlagen wissen wollte. Den Studierten mit ihren neumodischen Kalkulationsmethoden hat er nie getraut.

  2. Wenn ich mir einen Porsche kaufe, steigt man fahrerisches Können dramatisch 🙂 . Ich bin mit der technischen Qualität meiner mit-Aufnahmen vollauf als zufrieden. Bildrauschen ist dank Software kein Problem mehr (von nicht praxisrelevanten irrwitzig hohen ISO-Werten mal abgesehen). Mit meinem 1,8 75 mm erziele ich wunderschönes Bokeh und tolle Schärfe. Und das 12-100 ist in seiner Leistung für die Reisefotografie allen anderen Konkurrenten in diesem Bereich überlegen. Warum soll beispielsweise eine schwerere Nikon Z6II mit lichtschwachem 24-200 bei 1 1/3 Blenden Lichtverlust gegenüber einer OM1 mit 12-100 auf Reisen die bessere Wahl sein? Für den Vorteil des größeren Formats würde Verlust an Lichtstärke und ISO sowie eine geringere optische Qualität in Kauf genommen. Eine vergleichbare Wetterfestigkeit hätte man ebensowenig wie die Möglichkeit der völlig lautlosen Streetfotografie. – Aber ok; wenn ich den besten Autofokus haben möchte komme ich nicht an Sony vorbei und für die allerbeste Bildqualität brauche ich ein zwingend ein größeres Format. Wenn man aber die Bilder für die Diaschau am TV oder den Druck in einem Fotobuch produziert, dann ist heute schon bei diesen Medien das Smartphone eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Erst bei Ausdrucken oberhalb von Din A 2 fangen Unterschiede erst an ganz langsam sichtbar zu werden.

    1. Ich bin auch ein Fan von MFT und Oly im Besonderen. Vom Mythos der immer überlegenen Oly Objektive habe ich mich aber schon verabschieden müssen. So habe ich im letzten Sommer ziemlich erstaunt festgestellt, dass das Sony FE 24-105 F4.0 einem 12-40 oder 12-100 in nichts nachsteht. Auch nicht, was Randschärfe bei Offenblende angeht. Und viele Tester bescheinigen den aktuellen Optiken über alle Hersteller hinweg in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen, was Randschärfe, CAs etc. angeht. Das betrifft selbst „Billiganbieter“ wie Viltrox und Samyang.

      Was ich dagegen nicht feststellen konnte, war, dass mein iPhone 13 Pro im Vergleich zur E-M1 III auch nur halbwegs zufriedenstellen konnte. Außer bei extrem gutem Licht, ISO 32 und unbewegten Motiven.

  3. Diese wer-hat-den-größten (Sensor) Diskussionen im Fotografenorbit sind sowas von überflüssig, ich bin froh, daß mich das null interessiert.

    1. Bei den Äquivalenzdiskussionen muss ich immer an den „Equipment-Measurebator“ aus den „7 Levels of“ Photographers von Ken Rockwell denken 😉

  4. Auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen 😉 – „Äquivalenzdiskussionen“ werden ja meist von „Äquivalenzkritikern“ losgetreten, so auch hier, indem die Regel der „Äquivalenz“ wahlweise als falsch, irrelevant oder beides dargestellt wird. Zum Beispiel, indem ihr sowas unterstellt wird wie dass ihre Intention sei, jeden größeren Sensor als zweifelsfrei „besser“ hinzustellen. Eine Intention, die ihr nicht innewohnt, auch wenn sie vielleicht von manchen dazu missbraucht wird. Oder, indem zwei Objektive verschiedener Formate als gleichwertig hingestellt werden, die es in der Kombination mit gängigen Kameras ihres jeweiligen Systems nicht sind.

    Die Äquivalenzregel sagt dabei lediglich ganz objektiv aus, welche Werte für die technischen Parameter Brennweite, Blende, Verschlusszeit und ISO die beste grundsätzliche Voraussetzung dafür liefern, dass zwei Bilder unter ansonsten gleichen Bedingungen auf zwei verschiedenen Formaten so ähnlich wie möglich aussehen – in Bildausschnitt, Bildhelligkeit, Bewegungsunschärfe, Beugungsverlusten, Schärfentiefe und Qualität des Sensoroutputs. Was auch kein Zufall ist, weil unter diesen technischen Parametern formatunabhängig jeweils gleiche Lichtmengen auf die beteiligten Sensoren treffen.

    Dass nicht jeder KB-Sensor zwei Stufen besseren Output liefert als jeder FT-Sensor, ist dabei genauso einen Binse wie das Faktum, dass auch innerhalb eines Sensorformats nicht alle Sensoren gleich guten Output liefern.

    Und gerade aus MFT-Sicht vielleicht das Witzigste: Richtig angewandt, lässt sich in der Kombination von „Äquivalenz“-Regel und realen Kameratests zum Beispiel zeigen, dass unter „Äquivalenzbedingungen“ und der Erfordernis einer Mindest-Schärfentiefe, die deutliches Abblenden und deutliche Erhöhung der ISO erforderlich macht, eine OM System OM-1 in der Qualität des Sensoroutputs tendenziell (mindestens) rund eine Blendenstufe *besser* aussieht als eine Sony A9 III.

    Muss man sowas wissen wollen? Sicher nicht. Wissenwollen ist aber jedenfalls nicht schlechter als Nichtwissenwollen…

  5. Ich bin zufrieden mit dem System was ich habe und versuche da rauszuholen was ich vermag. Von dem ganzen Äquivalenz gequatsche habe ich mir nur gemerkt das Kleinbild oder Vollformat bei gleicher Brennweite etwa doppelt soviel auf Bild hat.Der Rest ist mir komplett egal. Auch was heute so mit Handyknipsen so alles geht ist mir im wesentlichhen wurscht, auch wenn ich das gelegentlich nutze. Eigentlich ist es es sogar Ballast sich mit diesem Äquivalezgesumse überhaupt zu beschäftigen, das ja doch nur in einer völlig bekloppten Rechtfertigerei endet. Das dürfen gerne andere machen. Nur weil man um die genauen Unterschiede weis macht man auch keine besseren Bilder. In der Zeit geh ich lieber fotografieren.

  6. Was Brennweiten angeht, finde ich das Umrechnen nicht sooo schlimm. Es hilft mir bei der Orientierung und beim Vergleich. Als ich noch mit Kompaktkameras unterwegs war, die „5,2-fach Zoom-Objektive“ oder sowas hatten, fand ich schon hilfreich wenn in Klammern die „KB-äquivalente Brennweite“ mit genannt wurde. Denn ob man jetzt bei 24mm oder 28mm beginnt, macht schon einen Unterschied.
    Wieso eigentlich „Dinosaurier“… ?

  7. … und (un-)passend zur Diskussion hier eine Meldung zur „größten Digitalkamera der Welt“:

    […]
    Das 3000 kg schwere Gerät mit einer 1,57 m großen Linse wird astronomische Aufnahmen mit einer Auflösung von 3200 Megapixel machen können, fasst die Forschungseinrichtung zusammen. Ihr Sensorfeld ist demnach aus 201 individuellen CCD-Sensoren (mit je 16 Megapixeln) zusammengesetzt[…]

    DAS toppt alles! 🙂

  8. Äquivalenz-Diskussionen kenne ich aus der Praxis heraus eigentlich nur vom Rudelknips, wo vermehrt die langen Tüten gefragt sind. Also zum Beispiel HanseSail am Leuchtturm. Kommt wer mit einer mFT-Kamera und sieht dich da stehen ist die Chance groß, dass du ihn wie ein Magnet anziehst und der dir ein Ohr abkaut um seine Bestätigung unter den „gegnerischen“ KB-Fotografen zu finden. Im Gegensatz dazu hat mir noch nie ein KB-User eine entsprechende Diskussion aufgedrängt. Ich denke wenn man um Foto(-technik)-foren einen großen Bogen macht, wird man von der Diskussion um die vier Werte, die man eh nicht deckungsgleich bekommt, auch weitestgehend verschont. Das eigentliche Übel sind jedoch nach meiner Erfahrung eher die „traumatisierten“ mFT-User. Auf der einen Seite geben sie vor zu wissen, dass solche Diskussionen unsinnig sind und zu nichts führen, auf der anderen Seite wird diesbezüglich eine Löschtaste gedrückt sobald sie jemanden mit einem KB-Boliden in der Nähe erspähen und ein weiteres „Opfer“ mit einer mFT-Knipse zum Verbünden gefunden haben.

  9. Moin,

    1983 sang/sprach Herwig Mitteregger: “Deine Zeilen sind ein Hieb! Wo kaufst Du Dein Papier?”
    Stell Dir vor Du machst eine Fotoausstellung und jeder Besucher fragt Dich mit was für einer Kamera/welchem Sensorformat Du dieses oder jenes Foto gemacht hättest?
    Ich hätte bei spätesten beim dritten Frager irgendwas von “Fresse” und “Hauen” auf der Zunge.
    Klar rechne auch ich im Kopf Brennweiten und Bildwinkel in etwas mir Geläufigeres um. Das mache ich
    auch mit Währungen. Nur muss ich darüber nicht diskutieren.

  10. Thorsten K. sagte: Von dem ganzen Äquivalenz gequatsche habe ich mir nur gemerkt das Kleinbild oder Vollformat bei gleicher Brennweite etwa „doppelt soviel auf Bild hat“.
    Eine interessante Bemerkung, die mich zur alten Frage führt: Wieviele Meter beträgt eigentlich der Land-Umfang der Insel England? Eine Antwort dazu ist nicht möglich, wenn man nicht gleichzeitig definiert, mit welcher Auflösung man rechnet – nehme ich z.B. alle Buchten mit 100 m Radius oder mit 1m dazu??
    Gruß, Hermann

  11. Hallo,

    bei jedem fängt jede Debatte neu an so wie jeder Mensche neu anfängt – auch fotografisch. Aber in diesem Fall hat die Debatte in meinen Augen einen neue Qualität. Denn das Wort Äquivalenz ist ja kein alleiniger Fachbegriff für Sensorgrößen.

    Daher bedeutet Äquivalenz für mich heute, daß ich mit einem Smartphone fotografisch ebenso „gut“ sein kann wie bisher nur mit einer Digitalkamera und sich nun zwei Techniken ergänzen und zusammen mehr ermöglichen als zu früheren Zeiten.

    Ich habe gerne mit den bekannten Festbrennweiten 17, 25 und 45 F1.8 und manchmal auch dem 9-18 fotografiert, immer wieder auch mit der Olympus Pen F aber auch anderen Kameras. Damit habe ich viele sehr schöne Fotos gemacht.
    Aber heute reicht mir fotografisch das kleine S22 von Samsung mit

    50 MP, f/1.8, 23mm (wide), 1/1.56″, 1.0µm, dual pixel PDAF, OIS
    10 MP, f/2.4, 70mm (telephoto), 1/3.94″, 1.0µm, PDAF, OIS, 3x optical zoom
    12 MP, f/2.2, 13mm, 120˚ (ultrawide), 1/2.55″ 1.4µm, Super Steady video

    Ich konnte noch nie so viele Situationen nutzen, um bei Bedarf zu fotografieren und das völlig stressfrei, weil das Smartphone einfach dabei ist. Durch die Software expertraw ist im Grunde auch danach so vieles auf bisherige Weise möglich, daß ich heute viel leichter und freier fotografieren kann.
    Das ist für mich die neue Äquivalenz in der Fotografie.

    Das ersetzt nicht den Tag mit der Digitalkamera draussen vor der Tür, wenn die Kamera dabei sein soll. Aber es gibt der Fotografie viel mehr Luft im Alltag unterwegs.

    Insofern ist für mich Äquivalenz der technische Übergang vom Sensor in puren Digitalkameras zur neuen Verschmelzung von Sensor und Software in Smartphones.

  12. Kaum fällt das Wort Aequivalenz, schon gibt es durchschnittlich mehr Kommentare.
    Und so bleibt das Thema immer ein Reizpunkt, weil der eine rechtfertigen, einer erklären und der andere belehren möchte.

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