GfO: Leistung des Stabi in EV-Stufen

Die OM-1II ist rausgekommen und die protzt jetzt mit 8,5EV – Leistung des Stabi, was auch die Pana G9II fast kann und überhaupt, unter 8 Blendenstufen traut sich ja heute keine Kamera mehr auf den Markt. Und wenn man dann loslegt und denkt, dass …. und dann kriegt man unscharfe Bilder.

Bei der G9II ist mir noch kein Bild bei Belichtungszeiten von mehr als 1/2s gelungen, und bei der OM-1 ist bei 400mm bei 1/20s allerspätestens der Stabi am Ende. Und die Fotozeitschriften – ich meine, die, die noch tatsächlich testen – erzählen, dass man da zwei oder drei EVs abrechnen muss.

Also was nu – erzählen die Hersteller alle Quatsch oder sind die User zu doof, die Kamera zu halten? Ja und Nein und Vielleicht.

Es gibt beim Stabi mehrere Variablen.

  • Die Brennweite
  • Die Sensorauflösung
  • Die Sensordiagonale.
  • Der mögliche Verschiebeweg des Sensors
  • Die mögliche Geschwindigkeit des Sensors.
  • Der Gyro-Sensor
  • Der Bildkreis des Objektivs.

Ich versuche jetzt mal den Einfluss der verschiedenen Parameter zu erklären.

Die Brennweite

Die Brennweite – Überraschung – ist als absoluter Wert irrelevant, wichtig ist der Bildwinkel, den das Objektiv liefert. Die Brennweite ist also wichtig in Bezug auf die Sensordiagonale. Denn je kleiner der Bildwinkel ist, desto heftiger wirkt sich die gleiche Wackelei an der Kamera aus. Ein Sensorstabi, der bei einem Fisheye kaum was zu tun hat, knallt bei der gleichen Bewegung der Kamera bei einem 500mm-Objektiv von Anschlag zu Anschlag.

Die Sensorauflösung.

Ob ein Bild scharf ist, wird dadurch bestimmt, ob die Verwacklung kleiner ist als der doppelte Abstand zwischen zwei Pixeln. Je enger die Pixel beinander sind, desto kritischer ist die Sache.

Die Sensordiagonale.

Klar, wenn ich einen größeren Sensor habe, habe ich bei gleicher Brennweite einen größeren Bildwinkel, also weniger Probleme. (Außer ich habe mehr Megapixel, dann steigen meine Probleme wieder.)

Der mögliche Verschiebeweg des Sensors.

Je kleiner der Bildwinkel des Objektivs ist, desto größer muss der Verschiebeweg des Sensors sein, damit der Sensor die Wackelei ausgleichen kann. Deshalb werden in Teleobjektive gerne eigene Stabis eingebaut, weil dann der Verschiebeweg des Kamerainternen Stabis kleiner bleiben kann.

Die mögliche Geschwindigkeit des Sensors

Es hilft ja nichts, wenn man nun einen Verschiebeweg des Sensors quer durch die ganze Kamera baut, aber man den Sensor nicht stark genug beschleunigen und abbremsen kann, damit er mit der Wackelei mithalten kann – und je größer der Sensor ist, desto aufwendiger ist das Beschleunigen und vor allem – muss man das alles ja auch anständig dämpfen, nicht dass die Wackelei in der Kamera zu einer Resonanz führt.

Der Gyro-Sensor

Die Gyro-Sensoren in der Kamera sind dafür zuständig, die Wackelei der Kamera festzustellen. Hier haben die Techniker von Olympus schon vor Jahren festgestellt, dass sie an eine Grenze gekommen sind, die mit dem Erdmagnetfeld oder der Schwerkraft oder beidem zusammenhängt. (Ich hab’s mir nicht gemerkt, sorry.) Sie haben auf jeden Fall mitgeteilt, mehr geht physikalisch nicht und haben seitdem noch 2EV draufgepackt. Wie schon Einstein feststellte: Alles ist relativ.

Der Bildkreis des Objektivs.

Was hat das damit zu tun? Wenn Objektive exakt den Sensor ausleuchten würden, könnte eine Stabilisierung in der Kamera nicht funktionieren, weil der Sensor dann mit dem Rand ins Dunkle fahren würde. Die Stabilisierung nutzt den Umstand aus, dass alle Objektive einen größeren Bereich als das Sensorformat ausleuchten. Kleines Problem dabei: je weiter man an den Rand geht, desto schlechter wird die Bildqualität, sowohl von der Schärfe her als auch durch die Randabschattung. Deshalb wird der Sensor nach der Sucherstabilisierung im Augenblick des Auslösens auch wieder in die Mitte gesetzt, um a) den maximalen Verstellweg zu haben und b) möglichst wenig im Randbereich herumzueiern. (Dadurch „springt“ das Bild gerne mal vom Sucherbild zum fertigen Bild.) Je größer nun der Bildkreis eines Objektivs, desto besser kann es stabilisiert werden. Die mFT-Objektive zeichnen im Allgemeinen gut den APS-C-Bildkreis aus. Wenn man nun ein Kleinbildobjektiv an mFT adaptiert, kann man das demzufolge weit besser stabilisieren als ein mFT-Objektiv. Theoretisch. Weil natürlich der Stabi im Normalfall nur den Weg zur Verfügung hat, der eben für mFT-Objektive ausreicht. Baut man nun einen Stabi, der einen größeren Bildkreis stabilisieren kann, steigt damit natürlich auch die Stabilisierungsleistung.

Soweit die Grundlagen.

Nun kommen wir zur Angabe „stabilisiert 8EV!“. Das klingt hammerhart. Für ein Kleinbildobjektiv mit 400mm brauchte man zu Analogzeiten 1/400s Belichtungszeit um leidlich verlässlich ein scharfes Bild zu bekommen. 8,5 EV weniger wären also 1 Sekunde. Wer schon mal versucht hat, mit dem 100-400 eine Sekunde aus der Hand zu halten, wird verstehen, dass das wohl nicht so ganz stimmen kann. 1/20s ist so ziemlich die Grenze, die geht, 1/50s, wenn man halbwegs sicher sein will. Das wären 3EV.

Und jetzt kommen wir zu den „Rechenfehlern“. Beim mFT 100-400 haben wir den halben Bildwinkel wie bei Kleinbild. Also haben wir statt 3EV 4EV Stabilisierung. Das ist schon mal besser. Aber noch meilenweit von 8,5EV entfernt. Wo verschwindet der Rest? Die Analoge Daumenregel galt für Filme mit einem Zerstreuungskreisdurchmesser von 1/1500 der Bilddiagonale. Das sind etwa 5MP. Wir sind jetzt bei 20MP. Also dem Doppelten in einer Richtung. Nochmal ein EV. Also sind wir bei 5EV. Das ist ziemlich eng an den 5,5, was die E-M5II offiziell konnte, wo man sagte, sehr viel mehr geht nicht. +1 noch mit dem SyncIS.

Fehlen immer noch 2EV. Wo sind die????

Artisten in einem Hotel auf Teneriffa. Wir waren dort auf einem Usertreffen. (Atlanticoly)

Die sind am kurzen Ende. Am langen Ende reicht die Stabilisierung nicht aus, nicht so sehr wegen des Gyro-Sensors, sondern wegen des Verstellweges des Sensors. Deshalb versucht man ja per Sync-IS dem Kamerastabi Unterstützung zu geben, dass der nicht mehr so weit auslenken muss.

Am kurzen Ende sind aber die Verstellwege weit kürzer. Ich weiß nicht, wer sich noch an den Wettbewerb „Wer kann am längsten“ erinnern kann, der ausgebrochen ist, als die E-M1II rauskam. Da wurden die Foren geflutet von Fotos, die 5 oder 6 Sekunden aus der Hand gehalten und knackscharf waren. Ich habe selbst 15 Sekunden geschafft und dann war’s mir zu blöd, weil ich nichts mehr aufgetrieben habe, wo es so dunkel war, dass noch längere Belichtungszeiten möglich gewesen wären – und alle Rolläden runterzulassen und das Wohnzimmer bei Stockfinsternis zu knipsen, sorry, so scharf war ich auf den Rekord nicht.

Während die Leistung des Kamerastabis also bei langen Brennweiten in den Keller geht, wird er bei kurzen Brennweiten immer besser. Äh. Auch nur bedingt. Der Stabi der OM-1 hat zum Beispiel Probleme mit dem 6mm Laowa. Durch das Aufblasen der Ränder ist das Objektiv extrem empfindlich gegen Rotation der Kamera. Und da hat Olympus eben geschlampt. Ihr 7-14 haben sie getestet, aber darunter gab’s nichts, also haben sie das nicht berücksichtigt. Panasonic kann das 6mm weit besser. (Aber dafür sind mittlere und lange Brennweiten lausig – weil sie da davon ausgehen, sich auf den IS der Objektive verlassen zu können.) Die Fisheye haben trotz größeren Bildwinkel das Problem nicht, weil da die Bildecken nicht so aufgebohrt werden.

Die echten 8,5 hat die Kamera also nur bei einer bestimmten, optimalen Brennweite, die OMSD gemeinerweise geheim hält – wie alle anderen Hersteller überraschenderweise auch.

Und, und das ist auch noch so ein Ding: wenn der Stabi in der Kamera werkelt, dann ist das eine bewegte Masse. Es ist also notwendig, dass der bewegte Stabi vom Gyro-Sensor entkoppelt ist. Denn sonst kann es zu einer Rückkopplung zwischen Stabi und Gyro-Sensor kommen, die einen Resonanzkreis bewirkt, der bei längeren Belichtungszeiten dafür sorgt, dass die Bilder nicht mehr schärfer, sondern unschärfer werden. Ich habe den Verdacht, dass die Ingenieure bei Panasonic in diese Falle getappt sind . Mir ist es nicht gelungen, selbst bei aufgelegter Kamera und Brennweiten von 25mm oder darunter, mit der G9II Belichtunszeiten jenseits der 1s scharf zu bekommen. Das war schon mit der E-M1II Standard. (Also rein prinzipiell kann ich das. Es muss also einen Grund haben, warum es mit der G9II nicht geht.)

Also: solange der trägheitslose Stabi noch eine Ankündigung bleibt, (bzw, solange der Strombedarf der entsprechenden Spulen noch so hoch ist) werden wir wohl mit dem existierenden System leben müssen. Und mit seltsamen Werbeangaben der Hersteller und ihrer Marketingfuzzis.

Titelbild: Zirkus FlicFlac.

11 Replies to “GfO: Leistung des Stabi in EV-Stufen”

  1. Servus,
    die bis zu! 8,5 Stufen bei der „Neuen“ beziehen sich laut Datenblatt auf den Sync-IS am 150-400 in der 150 mm Stellung (da ist die Ur-Om1 mit 8 angegeben).
    Beim IBIS gibt unser aller Lieblingshersteller bei der OM-1 7 Stufen und bei der OM-1 Mark II 8,5 Stufen, wenn man das 12-40 2.8 bei 40 mm verwendet.

    Ab hier copy&paste,

    OM-1:
    Bis zu 8 LW-Schritte* Sync IS
    Bis zu 7 EV-Stufen*
    *bei Verwendung von M.Zuiko Digital ED 12‑40mm F2.8 PRO (Brennweite =40mm (35mm äquivalent: 80mm))
    *Bei Verwendung des M.Zuiko Digital ED 150‑400mm F4.5 TC1.25X IS PRO. Brennweite: 150 mm (Kleinbildäquivalent: 300mm), Bildstabilisierung mit halber Auslösung Aus, Bildfrequenz: Hoch

    OM1- Mark II:

    Bis zu 8,5 EV-Stufen * (Nur Gehäuse)
    Bis zu 8,0 EV-Stufen** Sync IS
    *Bei Verwendung von M.Zuiko Digital ED 12‑40mm F2.8 PRO II. Brennweite: 40mm (35mm-Äquivalent: 80mm)
    **Bei Verwendung des M.Zuiko Digital ED 150‑400mm F4.5 TC1.25X IS PRO . Brennweite: 150mm (35mm-Äquivalent: 300mm), Bildstabilisierung mit halber Auslösung Aus, Bildfrequenz: Hoch

    Beste Grüße

  2. Danke für den Beitrag. Noch nie habe ich so ausführlich die Bedingungen und Arbeitsweise des Stabis lesen können.
    Hartmut

  3. Moin,

    mir reichen die Stabis in meinen Gehäusen von der Stabilisierungsleistung her völlig. Da wo es mir, weil es einen kleinen Bildwinkel hat am meisten helfen würde, ist für mich die Grenze i.d.R. nicht der Stabi, sondern das abgelichtete Objekt. Will sagen: lange Teles nutze ich bei Spocht oder für Viechlinge. Bei halbgefrorenen Geckos, oder beim Hallenschach im U-Bahntunnel ginge ich dann einfach näher dran oder nutzte doch ein Stativ.
    Die Erläuterungen im obigen Artikel habe ich dennoch mit Interesse gelesen.

  4. Zitat: Ein Sensorstabi, der bei einem Fisheye kaum was zu tun hat, knallt bei der gleichen Bewegung der Kamera bei einem 500mm-Objektiv von Anschlag zu Anschlag.

    Als Gegenmittel könnte man theoretisch zur Verkürzung der Reaktionszeit die Verstärkung im Stabi-Regelkreis erhöhen. Die Dynamik des Regelkreises führt dann zu höheren Frequenzen, was ohne Dämpfung an die Grenze zur Instabilität führen kann (sog. Übersteuern). Die Begrenzung kommt technisch, wie von Dir angedeutet, u.a. mit den Grenzen der Stellorgane (bewegte Massen etc.); eine schmale Gratwanderung.

  5. dann für die Aufhellung, zumindest scheint der Stabi der OM1.2 tendentiell etwas besser zu sein als der der OM1.1 zuminedest wenn die passenden Objektive per der passenden Brennweiter eingesetzt werden. Über die tatsächlen Werte läßt sich mal wieder trefflich streiten. Nunja in den meisten Fällen ist mir das egal, kann ja eh nur mit dem Arbeiten was ich habe und das mir Beste draus machen.

  6. „ Hier haben die Techniker von Olympus schon vor Jahren festgestellt, dass sie an eine Grenze gekommen sind, die mit dem Erdmagnetfeld oder der Schwerkraft oder beidem zusammenhängt. (Ich hab’s mir nicht gemerkt, sorry.) Sie haben auf jeden Fall mitgeteilt, mehr geht physikalisch nicht und haben seitdem noch 2EV draufgepackt“

    Dazu gibt es einen Kommentar in diesem Bericht zum Design des 150-400ers: https://www.imaging-resource.com/news/2021/03/04/a-deep-technical-dive-on-the-amazing-olympus-150-400mm-super-tele-zoom

    „ OM: Although we have not been able to eliminate the effect of the earth’s rotation, we have achieved high performance by minimizing other errors through high-precision gyros and optimization of algorithms. We cannot provide detailed information.“

  7. Vielen Dank Volker für die Links. Seeehr interessant!!!Super toll!!
    Ich bilde mir ein, bei einem Folyfos hörten wir mal den Bereich der Verschlusszeit wo der Stabi sinnvoll ist.
    LG
    peter b.

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