„Gratiskultur“ im Internet

There ain’t no such thing as a free lunch. Das Netz ist nicht gratis. Nichts ist gratis. Entweder man zahlt gleich oder später. Oder man bringt wen anderes dazu, zu zahlen. Meistens ist es billiger, gleich etwas zu zahlen, als eine Leistung „gratis“ in Anspruch zu nehmen um dann hinterher umso mehr zu zahlen.

Es gibt dabei zwei Sichten. Die desjenigen, der Inhalte ins Netz stellt – und desjenigen, der Inhalte konsumiert. Ich fange mal mit dem „Creator“ an.

Ich habe vor vielen, vielen Jahren bei Blogspot einen Blog angefangen. Das war gratis. Supereasy, Blog aufsetzen, Design auswählen, loslegen. Google bevorzugt ja bei den Suchergebnissen Content, der auf den eigenen Plattformen liegt und so kriegt man schnell gute Rankings. Breites Grinsen meinerseits. Dann kam die DSGVO, ich habe nachgekuckt und sieh da, Blogspot ist eine perfekte Datensaugmaschine für Google. Meinen „Gratis-Blog“ habe ich also mit den Daten meiner Leser bezahlt. Also habe ich alle Inhalte auf meinen eigenen Blog umgezogen. Kostet. Mich. Monatlich. Und zwei Monate Arbeit, die ganzen Artikel umzuziehen. (Es mussten ja auch alle Links kontrolliert werden.)

YouTube. Ich habe meine Filme auf YouTube hochgeladen, kostet nix, total klasse. Dann schaltet auf einmal jemand Werbung auf meinen Videos. Nachgeforscht: Da behauptet jemand, die Musik bei meinen Videos wäre sein Eigentum. Deshalb dürfe er das. Fats Waller ist zwar schon 80 Jahre tot, aber mach das mal irgendwem bei Google klar. Also ab mit den Videos auf Vimeo. Kostet. Monatlich.

Mittlerweile schaltet Google selber Werbung bei Videos von Creatoren, die selber nicht werben dürfen. Und behält die Kohle. Kann man sich dagegen wehren? Nein. Erst wenn man selber ausreichend Reichweite hat um monetarisieren zu dürfen. Dann darf man einzelne Videos vor Monetarisierung schützen. Google will überall mitkassieren.

Das sind die Kosten des vermeintlich „kostenlosen“ Veröffentlichungskanals. Das trifft übrigens auch Firmen wie OMDS, die denken, sie könnten YouTube als kostenlosen Hoster verwenden. Da wird dann halt von google Werbung davorgeschaltet. Für Nahrungsergänzungsmittel oder irgendwelchen anderen Mist. Das kostet OMDS Reputation. Wäre also billiger, solche Videos bei Vimeo zu hosten. oder, besser, auf einer eigenen Website.

Dann gibt es noch die Kosten des Content. Je besser der Content ist, desto aufwendiger ist er zu produzieren. Selbst ein dummes Vlogger-Video, bei dem jemand debil in die Kamera grinst und seinen Kommentar zum neuen Videogame vom Stapel lässt, kostet Onlinezeit und das Handy. Und die Zeit, das Zeug zu drehen und er muss auch noch das Game vorher testen.

Das FolyFos, das wir einmal im Monat machen, kostet grob etwa 2000 Euro. Pro Sendung. Jeder einzelne Beitrag auf pen-and-tell kostet um die 120 Euro, manchmal auch deutlich mehr.

Wer zahlt das? Im Wesentlichen ich – mit Einkommensverlust, weil natürlich der Umsatz über meinen Shop die Kosten von pen-and-tell und FolyFos nicht mal annähernd auffängt.

Will nun ein Creator ernsthaft mit seiner Arbeit Geld verdienen, muss er entweder seine Kostenstruktur runterfahren – billiger produzieren – oder die Einnahmeseite stärken. Also Geld von „Kooperationspartnern“ nehmen, Patreon, Buy-me-a-coffee, Affiliate-Links, YouTube-Monetarisierung und dergleichen mehr. Alle diese Finanzierungsmöglichkeiten haben einen großen Nachteil. Man begibt sich in Abhängigkeiten der Sponsoren und ein Gutteil der Einnahmen bleibt in deren Fängen hängen. Selbst Patreon, von dem man denkt, das wäre nun doch eine tolle Möglichkeit, unabhängigen Journalismus zu unterstützen hat einen seltsamen Effekt. Man ist bestrebt seine Patreon-Basis nicht zu verärgern. Das sieht man sehr gut bei „Alternativen Medien“, die wider besseren Wissens hanebüchenen Bullshit vertreten, nur weil die gefühlte, zahlende Userbasis das hören will. Zielgruppenorientierter Content.

Das Ergebnis ist knackig: Entweder man produziert billigen Mist – oder man produziert teure Werbesprüche. Oder man betreibt Selbstausbeutung. Das Zwischending – gut bezahlten, qualitativ hochwertigen, unabhängigen Content – gab es mal ganz am Anfang auf YouTube und auf Sevenload. Aber das ist vorbei. Als YouTube-Creator muss man heute erst mal Reichweite bolzen und Clickbaiten, damit man überhaupt in die Monetarisierung rutscht. („Lasst ein Abo, einen Like und einen Kommentar da und drückt die Glocke…..“)

Wie sieht es nun auf „Leserseite“ aus? Da ist doch alles gratis? Standardantwort: Du zahlst mit Deiner Zeit und Deinen Daten. „Pah, ich hab nen Adblocker – ich seh den ganzen Youtube-Werbekack gar nicht.“ Ja. Das Problem liegt aber auf einer anderen Ebene. Du bekommst Mist erzählt. Jede Menge Mist. Und wenn Du Pech hast, glaubst Du den Mist und begründest darauf irgendwelche Entscheidungen. Und das kann richtig, richtig teuer werden. Und selbst wenn Du den Mist nicht glaubst – es kostet Dich Zeit, rauszufinden, dass das, was Du Dir da ansiehst, gerührte Jauche ist.

Denn natürlich kriegst Du bei Deiner Suche nicht etwa die inhaltlich besten Treffer gezeigt, sondern die, die am meisten geklickt werden und im Falle von „Social Media“ natürlich die, bei denen der Betreiber die meiste Kohle macht. Woher willst Du bei 100 Treffern zu einem Thema wissen, welcher der Treffer sauber recherchierte Inhalte hat? Du musst Dich mit dem Thema bereits auskennen, um das beurteilen zu können – und dann brauchst Du aber die Info eigentlich gar nicht.

Das Problem hat man mittlerweile in allen Medien. Mich hat letzthin jemand gefragt, wo man sich überhaupt noch zuverlässig informieren könne – die Antwort ist enttäuschend. Nirgends. Mir ist keine Publikation bekannt, die gleichbleibend hohe Qualität liefert und die, wenn sie mal Mist produziert – das auch thematisiert. Und zwar ohne dass erst ein externer Shitstorm entfesselt werden muss. Graduell gibt es natürlich Unterschiede, aber es gibt keine Quelle mehr, die man zitieren könnte, ohne eine Hintergrundrecherche dranzukleben. (Es gibt einzelne Journalisten, die ziemlich zuverlässig sind, aber das sind Ausnahmen.)

Und genau hier ist das Problem für den Leser. Er bekommt Unmengen völlig wertlose Information. Diese sind in allen Wortsinnen „umsonst“. Denn selbst wenn die Information zufälligerweise stimmt, kann der Leser das gar nicht erkennen. Er investiert also Zeit und Geld in – Datenmüll. Was passiert nun? Der Leser sucht Orientierung bei Personen, denen er vertraut. Und die wählt er grob danach aus, ob sie Dinge erzählen, die er als wahr kennt. Jemand, der ihm sagt, alles was er bisher dachte, wäre falsch – das sind die Typen, denen man nicht glaubt. Confirmation Bias. Im politischen Bereich kann das dazu führen, das seltsame Parteien gewählt werden, im Bereich Konsumgüter werden dann eben Dinge gekauft, die eventuell ihren Zweck nicht erfüllen oder, wenn man Pech hat, investiert man in ein Schneeballsystem oder unterstützt mit seinen Patreon-Zahlungen einen Scharlatan.

Denn es ist ja nicht so, dass die Informationen, die man vermeintlich gratis aus dem Netz zieht, keinen Einfluss auf das Leben haben. Man bucht Hotels aufgrund von Bewertungen oder schraubt an Nähmaschine oder Motorrad nach einer YouTube-Anleitung rum. Die Info ist vermeintlich gratis, die Folgekosten können hoch sein und irgendwer reibt sich die Hände. Denn natürlich werden Bewertungen gefaked. Gerade Buchbewertungen – da weiß ich es – werden in großem Stil gekauft oder selber geschrieben. Und zwar sowohl die Jubelarien, als auch die Verrisse.

Ja, ich mache hier Daily Content. Vermeintlich gratis. Aber genau das mache ich nicht, zumindest bilde ich es mir ein. Ich bolze Reichweite. Nicht mit gekauften Followern, sondern mit Content. „Content is King“ hieß es vor 20 Jahren als die ersten Blogger aus dem Nichts Millionäre wurden. Bloggen ist für die Generation der Marketeers, die nach 2005 sozialisiert wurden, aber eine Kommunikationsform von anno Schnüffz. Voll irrelevant und nur was für Boomer. Insta, Tiktok, Aufmerksamkeitsspanne 30 Sekunden und so. Video ist wichtig. Vertikal und kurz. Nur so. Ich saß da letzthin mit einer Vertreterin dieser Generation zusammen, die mir erklärt hat, dass ich da voll von gestern sei, und das mache man heute anders. Ich habe pen-and-tell aufgemacht und ihr die Entwicklung meiner Zugriffe gezeigt. „Das hier sind 16.000 Zugriffe, der Zacken sind 13.000 das sind Ausreißer, normal sind so 4 – bis 5000. Pro Tag“. Auf einmal kamen Nachfragen. Wie das mit dem Bloggen denn so geht, denn eigentlich, das sei doch out, aber solche Zugriffe, in einem so engen Markt, mit langen Texten…..

Ich baue an meiner Reichweite. Warum? Weil ich will, dass der Hersteller mich hört. Dass der gute Produkte baut. Dass ich Bücher drüber schreiben kann. Die ich in vernünftigen Stückzahlen verkaufen kann. Ich weiß, das ist ziemlich um die Ecke gedacht, aber ich weiß, dass es funktionieren kann. Denn es hat schon mal funktioniert.

Also: Ich füttere euch an. Und irgendwann kauft ihr ein Buch von mir. Und dann seht ihr: nichts im Internet ist gratis. Denn eines ist klar: wenn ich keine Bücher mehr verkaufe, ist das hier mit pen-and-tell auch vorbei. Denn dann mache ich was anderes. DHL sucht Paketboten….

13 Replies to “„Gratiskultur“ im Internet”

  1. Guten Morgen Reinhard,
    Deinen Worten kann ich nur beipflichten. Wie heißt es so schön: umsonst ist der Tod und der kostet das Leben.
    Alles kostet, auch das wird die jüngere Generation noch lernen.
    Herzliche Grüße
    Thomas

  2. Ich hatte anfangs auch eine Webseite die beim Telefonbetreiber gehostet war und „gratis“ beim Telefon dabei war.
    Eingeschränkt, natürlich ohne eigene Domain und mittlerweile ist der Dienst schon Geschichte.
    Also, eigene Domain, zahlen für den Server und Arbeit rein stecken um ansprechende Inhalte zu bieten. Solange ich meine Basteleien damit bewerbe und verkaufe, ist das für mich kostenneutral. Ansonsten ist es ein kostspieliges Hobby.

  3. Ich werde langsam böse. Auch mit Risiko Konfrontation.
    Was spricht dagegen, Werbung auf Deinem Kanal zu schalten? Halbwegs saubere, vom Creator kontrollierte Werbung.
    Ist es Dein Sturschädel, dass es gratis Content sein muss?
    Ein Robin Hood des medialen Zeitalters?
    Dieser Blog ist so wertvoll, dass es uns allen ein großes Anliegen ist, dass es in dieser Qualität noch lange so weitergehen möge, ohne dass der Autor am Schlitzverschluss knabbert.
    Mach endlich, schau zu, dass Kohle reinkommt und wir alle werden das nicht nur verkraften, sondern begrüßen.
    Mach endlich!
    Geschrieben in der Gewissheit, mich weit aus dem Fenster zu lehnen, vielleicht auch zu fallen,
    Werner

    1. Hey, kein Problem. Ich verkrafte sowas. Das Ding ist – ich habe in der Branche jetzt 15 Jahre an meinem Ruf gebaut – niemand traut sich, mir Werbung anzubieten. Ich habe zum Beispiel von Excire entsprechende Mails. (und von anderen Herstellern mündliche Aussagen.) Der Wagner ist durch nichts und niemand zu bezahlen. Und -ernsthaft – für wen oder was sollte ich hier Werbung machen? Ich habe mir das oft überlegt, aber mir fällt niemand ein.
      Dazu kommt: ich habe es ganz am Anfang (2008/2009)auf oly-e mit Bannerwerbung versucht, und damals gab es ja auch noch eine Affiliate-Kooperation mit Edlef’s. Nur – dabei ist nichts rumgekommen. Das hat nicht mal für die Serverkosten gereicht. Da war das Verbuchen mehr Aufwand, als die Sache gebracht hat.
      Mein Geschäftskonzept funktioniert schon – was mich killen würde, wäre, wenn OMDS keine Kameras mehr rausbringt.Aber dieses Jahr soll ja…..

    2. Unter 1000 Abonnenten und einer gewissen sogenannten Watchtime kann man einen Youtube-Kanal nicht monetarisieren. Die muss man erst einmal haben. Früher war es so, dass nur auf den monetarisierten Kanälen Werbung lief. Heute schaltet Google auch Werbung auf den Kanälen, die nicht montarisiert sind, aber die Creator kriegen in diesem Fall gar nichts. Das ärgert mich übrigens auch maßlos an Youtube.

  4. Mach doch mal „Vintagewerbung“
    Alles was Olympus (rest in peace) mal so rausgebracht hatte.
    Wenn das OMDingsbums liest kommen die vielleicht auch auf gute Ideen…
    Apropos Bücher schreiben: Schreib mal was über Fujifilm GF. Dafür habe ich nichts vernünftiges gefunden…
    LG Andreas

    P.S. Das mir DHL lass lieber bleiben.

  5. „Das FolyFos, das wir einmal im Monat machen, kostet grob etwa 2000 Euro. Pro
    Sendung. Jeder einzelne Beitrag auf pen-and-tell kostet um die 120 Euro …“

    Hallo Reinhard,

    wieviel müsste jeder Leser/Zuschauer von PAT/FolyFOS jeweils
    bezahlen/spenden, damit du nicht aus eigener Tasche zahlen musst?

    1. Jeder Leser im Monat etwa einen Euro, jeder FolyFos-Zuschauer im Monat etwa zwischen 2 und 4 Euro. Das sind alles keine Summen – aber mir ist keine Methode bekannt, wie ich solche Payments überhaupt verbuchen kann. Ich habe mal für ein Buch 3,90 verlangt – das ist komplett von Bankgebühren, Buchungskosten und Steuer aufgefressen worden. Da ist Gratis verteilen billiger für mich. (Das Finanzamt hat schon angeklingelt, warum meine Bankgebühren so hoch wären….:). Über Patreon kann man solche Payments abwickeln und Patreon kostet zwischen 10 und etwa 20%, aber Ich kenne Creator, die mit Patreon arbeiten und die Einnahmen bewegen sich im mittleren dreistelligen Bereich – obwohl die wirklich, wirklich guten Content machen. Das Problem ist, dass die Patreons ja exklusiven Content bekommen müssen, damit überhaupt jemand mitspielt. Das ist zusätzlicher Aufwand, denn man muss ja trotzdem guten Content auf der Website liefern, damit überhaupt jemand aufmerksam wirrd. Und vielen langt das ja, was sie vermeintlich gratis kriegen.

        1. Diese ganzen „Buy me a coffee“ und dergleichen haben gaaanz viele schon probiert. „Registriere Dich, setze unseren Button auf Deine Website und schon kannst Du beginnen, Geld zu verdienen“. Vanderelbe.de hat es mal ausprobiert (https://www.vanderelbe.de/geld-verdienen/ko-fi-erfahrungen) (OK, der hat etwa 3% meines Traffics) Einnahmen nach über drei Monaten: 0 Euro. Seit ich jetzt 5 Euro überwiesen habe, sind es jetzt immerhin 5 Euro – 20% seines Ziels von 25 Euro.
          Es funktioniert nicht. Sarah Burrini https://sarahburrini.com hat über Patreon etwa 500 Euro im Monat bekommen. Davon kann niemand leben.

  6. Hallo Reinhard,

    ich möchte die Gelegenheit nutzen und dir auch hier meinen Dank für deine Aufmerksamkeit und Anteilnahme an meinen Ko-fi-Erlebnissen aussprechen.

    Ein wenig „nackig“ fühle ich mich jetzt zwar schon 😉 aber so ist das nun mal. Ein Geschäftsmodell allein auf freiwilligen Spenden aufzubauen, hat seine Grenzen. Glücklicherweise ist das, was ich mache, ein Hobby, das mir noch Spaß macht.

    Deine beeindruckende Frequenz und die Qualität deiner Beiträge lassen darauf schließen, dass dir diese vielleicht sogar noch mehr Freude bereiten als mir mein Hobby. Du hast definitiv Erfolg damit .. und ich werde sicher wiederkommen!

    Viele Grüße

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