Ringfotomesse 2023 Teil II

Bei meinen Gesprächen auf der Messe habe ich vor allem einen Eindruck gewonnen: Die Amateurfotografie wird immer weniger wichtig. Relevant sind Industriekunden. Die Stückzahlen, die in der Industrie ein einziger Kunde abnimmt, sind so hoch, dass sich das ganze Endkundenmarketing überhaupt nicht mehr rentiert. Wenn DJI für eine neue Drohne mal 1,2 Millionen Sensoren abnimmt, dann sind Systemkamerahersteller mit 20, 50 oder vielleicht hunderttausend Sensoren uninteressant. Bitte hinten anstellen. Ich habe von einem Hersteller die Geschichte gehört, dass ein Sensorfertiger bereits abwägt, wo der Profit des einen Vertrags höher ist als die Konventionalstrafe des anderen. Dadurch, dass überall mittlerweile alles überwacht wird – in Containerschiffen, Flugzeugen, Bauwerken, Kabelkanälen, ja sogar in der Kanalisation – werden Unmengen optische Sensoren und Optiken benötigt und dabei ist die Autoindustrie nicht mal der Hauptabnehmer.

Die Endkunden liefern vergleichsweise wenig Umsatz bei hohen Marketing- und Betreuungskosten. B2B ist eben die Zukunft, die Endkunden kriegen das Zeug, das hinten runter fällt.

Braucht ein Endkunde zwanzig verschiedene Videocodecs- und Auflösungen und drei verschiedene Flat-Formate? Nö. Anamorphe Videoobjektive? Nö. Laowa hat jetzt Mikroskopobjektive für PL-Mount für Kleinbildformat rausgebracht:

Das sind Geräte von Form und Format eines Baseballschlägers. Das Set wie es da liegt kostet 10k Euro. Für Studios ein NoBrainer, weil sie damit abgefahrene Commercials drehen können. Rent-Firmen kaufen das Zeug auch. Die haben ein andere Problem: Wenn die Objektive zu billig sind – also z.B. nur 3000 Euro – dann kosten die Objektive am Tag halt nur 30 Euro im Rent, und das lohnt sich nicht. Da nimmt man lieber das Objektiv für 20.000 Euro – das kostet am Tag 500 im Rent. Da im professionellen Bereich – also in dem Bereich, in dem ernsthaft auch Löhne gezahlt werden – die Kosten für das Equipment irrelevant sind, solange bei Ausfall sofort ein Ersatz zur Verfügung steht, werden hier ganze andere Summen umgesetzt und auch verdient.

Natürlich baut Laowa auch für den Amateur noch Kram:

Das hier ist das 6mm f/2 von Laowa. 629 Euro, an den Olys funktioniert alles außer dem Autofokus. Sucherlupe beim manuellen Scharfstellen, Blendensteuerung, EXIFs, alles funktioniert. Die optische Korrektur ist irre, nach der Tonne muss man extra suchen und in F2 kriegt man sogar Bokeh her, weil die Naheinstellgrenze so kurz ist. Tatsache ist: man kann nicht nur sehr fein scharfstellen, man muss das auch. Denn einfach so mal in die Nähe von Unendlich stellen, dann hat man doch sicher die HyFo – nein. Man nutze den MF-Assistenten zum Scharfstellen. Und NICHT nur das Fokuspeaking, das ist nämlich zu ungenau.

Dann bin ich ein bisschen bei den Herstellern rumgelaufen und habe nach Firmwareupdate gefragt – ich hatte ja da vor kurzem nen Artikel geschrieben, in dem ich OMDS vorgeworfen habe, dass sie außer Bugfixes bisher nichts, aber auch gar nichts auf die Kette bekommen haben. Panasonic hat mir erklärt, sie würden so viele Firmwareupgrades raushauen, dass sich die Fachhändler schon beschweren würden, es seien zu viele, man könne ja gar keine neuen Kameras mehr verkaufen.

Fett krass.

Aber der Kollege Wagner will halt alles ganz genau wissen und hat mal nachgeforscht. Das letzte Firmwareupdate bei Panasonic stammt vom 11.7.2023 für die GH6. Für alle anderen Kameras war Juli 2022 das letzte Update. Die letzte „neue Funktion“, die bei Panasonic per FW-Update kam, war für die GH5M2 im November 2021 „Fokus Ring Control“, Live View Composite, Anschluss per Kabel an Lumix Tether, und elektrische Zooms können mit Lumix Tether angesteuert werden. Seitdem haben sich die Firmware-Updates bei Panasonic ebenfalls auf Bugfixes und Unterstützung neuer Hardware beschränkt. (Wer selbst recherchieren will, ich habe die Panasonic-Updates hier verlinkt.)

Ist das ne Ausrede für OMDS? Nein. Immerhin hat Panasonic allein in einer Kamera mehr Funktionen per FW-Upgrade eingebaut, als OMDS in drei Jahren in allen. Und natürlich, wenn die Konkurrenz im Tiefschlaf ist, muss auch Panasonic sich nicht wirklich anstrengen.

Generell habe ich auf einigen Ständen auf der Messe eher einen Abgesang auf mFT gehört. Blackmagic bringt eine Kamera mit L-Mount raus, Voigtländer hat noch, aber gaaanz unten in der Vitrine.

Ich habe die übrigens wegen des 10,5er 0,95 angesprochen. Dass das ein Leser das zur Rep geschickt hat und es mit „ist in der Spezifikation“ zurückbekommen hat. „Dann wird das so sein. War das der, der viele DIN A4-Seiten mit Fehlerbeschreibung geschickt hat?“ Ich habe gesagt, nein, wird ein anderer gewesen sein. Also, wenn einer meiner Leser ein 10,5er mit einer mehrseitigen Fehlerbeschreibung eingesandt hat – Sie haben einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen….

Wenn ich gefragt habe „Mft Tot? Echt?“ dann kamen immer deutliche Hinweise auf den schwarzen Stand da hinten in der Ecke.

Und was sagen die in diesem „schwarzen Stand“ dazu? „Dieses Jahr kommt nichts mehr. Keine Kamera, keine Objektive.“ Im Frühjahr 2024. Was genau? Da sagen sie nichts zu. Aber sie haben tolle Sachen vor und die vorhandenen Produkte verkaufen sich glänzend. Auch die OM-5 verkaufe sich jetzt besser.

Was der echte Vorteil der Ringfotomesse ist: da das eine geschlossene Händlermesse ist, gibt’s da immer Mittagessen. Selbst der hungrige Journalist wird da satt.

Im Ernst: man erfährt viel. Dinge, die noch nicht spruchreif sind, Dinge die kommen, Hintergrund. Denn natürlich werden Händler vorab über Produktplanungen informiert, denn auch die Händler müssen ja planen. Die einzige Firma, die etwas gemauert hat, war die Firma da hinten im Eck mit dem schwarzen Stand…..

12 Replies to “Ringfotomesse 2023 Teil II”

  1. Danke für die vielen Infos.
    Und den Sidestep zum Laowa 6mm f2. Möchte es anschaffen, weil ich ein Fan von geometrisch auskorrigierten Objektiven bin; defishen bei den Fishs ist mir zu mühsam. Nach meinen Erfahrungen mit dem Laowa 7,5mm ist die Güte dieser Objektivreihe über jeden Zweifel erhaben (Achtung: Stabi immer aus, sonst unscharfe Bilder).
    Was ich nicht verstanden habe, warum die Scharfstellung so minutiös gemacht werden muss und warum die HyFo hier nicht greift.
    Danke für Nachhilfe im voraus
    Werner

    1. Die HyFo greift hier schon, aber der Verstellweg im Nahbereich ist vergleichsweise groß, sobald es aber über einen Meter rausgeht, wird es eng. Da muss man sehr genau scharfstellen. Ich habe den Fehler gemacht, vor Ort eben mit Fokuspeaking scharf zu stellen und habe Bilder bekommen, die in der 100%-Ansicht unscharf waren.
      Ich kriege demnächst das 6mm zum Testen und werde dann berichten.

      1. Wenn man realisiert hat, dass beim 6mm Laowa die Unendlicheinstellung bei 0,5m auf der Entfernungsskala ist, klappts vielleicht auch mit der Hyperfokaleinstellung. Ich verwende aber auch immer die Sucherlupe, eben weil die Entfernungsskala falsch justiert ist.

  2. Von laowa gibt es aber auch relativ neu ein ein interessantes Mikroskopobjektiv-Set (10-50x) unter dem Namen Aurogon. Es wird derzeit für 19859 € angeboten.

    1. Du hast am Ende der Preiszahl zwischen 5 und 9 ein Komma vergessen. Der Setpreis sollte bei knapp 1860 Euro kosten. Allerdings nicht für mFT-Anschluss.

      1. Stimmt! Danke für den Hinweis. Ich wollte ja darauf hinweisen, dass es auch günstigere Neuerungen gibt. Das habe ich vermasselt wie damals immer der Butler von Kuhlenkampf.

  3. Interessant, dass diese Messe in Heilbronn stattgefunden hat. In einer Stadt (offiziell „Großstadt“ mit 130.000 Einwohnern), in der der letzte Fotoladen schon vor Jahren geschlossen hat…

  4. Schade dass das LAOWA 6 mm f/2 Zero-D keinen Autofokus hat.
    Ich plane es trotzdem mir nächstes Jahr zu kaufen.

    Bei Voigtländer warte ich noch bis die MFT-Nokton-Reihe mit
    elektrischen Kontakten auf den aktuellen Stand der Technik
    gebracht wird, damit wenigstens die EXIF-Daten in die Fotos
    eingefügt werden können. (Laowa schafft es sogar die Blende
    anzusteuern, warum schafft Voigtländer nicht?)

    1. Elektrische Kontakte bei LAOWA gibt es IMHO erst seit dem 6 mm f/2 Zero-D.
      Das 7,5 f2 ist noch voll manuell und mit fokussieren bei Arbeitsblende.

      Hat Voigtländer denn Neuentwicklkungen bei MFT oder ist „ganz unten in der Vitrine“ schon älter aber noch verfügbar?

      1. Hi Tobias, das 10er LAOWA hatte auch schon el. Kontakte samt Blendensteuerung.

        Zu Voigtländer: mein 42,5er nutz ich nur noch selten seitdem ich das Oly 45/1,2er hab.

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