GfO: Auge und mFT

Ich hatte drauf gewartet, dass bei Angabe der Brennweite des Auges jemand auffällt, dass die Normalbrennweite des mFT-Systems in einer ähnlichen Größenordnung ist. Ich habe mir überlegt, das anzusprechen, aber man muss ja nicht alles…. aber dann kam da ein Kommentar…..

Also dann jetzt hier, nochmal:

Das Auge hat mit mFT nichts zu tun. mFT ist ein System, das mit einem ebenen Sensor arbeitet, der auf einmal belichtet wird. Dann ist das Bild fertig, wenn man von vergleichsweise kleinen Geometriekorrekturen, Gammakorrektur und Demosaicing absieht. (was natürlich Rechenleistung braucht.)

Das Sehsystem des Menschen hat einen gewölbten, runden Sensor mit einem winzigen scharfen Bereich. Alles, wo wir nicht hinkucken, ist unscharf. Und je dunkler es ist, desto schwieriger ist das mit der Schärfentiefe. Wir können nicht bewusst abblenden und die Belichtungszeit verlängern.

Unser Sehsystem ist darauf eingerichtet, schnell Ziele und Gefahren zu erkennen. UV-Licht interessiert uns nicht, weil Dinge, die UV-Licht reflektieren uns nicht fressen und wir sie auch nicht essen. Wir müssen kein Adlerauge haben und auf zwei Kilometer eine Maus erkennen. Bis wir bei der Maus sind, um sie eventuell fangen und grillen zu können, ist die längst woanders.

Das Titelbild sehen wir in etwa so:

Und wenn wir woanders hinkucken, dann so:

Und wenn wir aufs Gras kucken, dann ist eben das scharf. Und unser Gehirn baut daraus einen Eindruck unserer Umwelt zusammen.

Die Linse in unserem Auge hat die üblichen optischen Beschränkungen: Schärfentiefe zum Beispiel, die sich mit dem Abblenden ändert. Wir nehmen die veränderte Schärfentiefe aber nicht bewusst wahr, außer wir konzentrieren uns darauf. Wenn man im Halbdunkel einen bestimmten Punkt fixiert dann fällt einem auf, dass der Umkreis sehr schnell unscharf wird. Macht man das bei starkem Sonnenlicht, wenn die Pupille stark geschlossen ist, dann ist dieser „scharfe Bereich“ größer.

Das ist aber alles für das schnelle Erkennen einer Gefahr oder einer Nahrung nicht optimal. Deshalb speichern wir in Grenzen ein aus den ganzen einzelnen scharfen Bildchen zusammengesetztes Bild. Und wenn sich da irgendwo in diesem Bild etwas ändert, dann kucken wir hin, um eben ein „Update“ des internen Bildes zu machen.

Das Auge liefert also immer nur Schnipsel und ansonsten vor allem unscharf. Aber dafür schnell und hat einen ausgesprochen leistungsfähigen Prozessor hinten dran. Ein mFT-System hat einen weit überlegenen Sensor, weit bessere Optiken, aber dafür einen vergleichsweise prähistorischen Prozessor.

Alle Vergleiche unserer Augen mit einem Kamerasystem hinken also auf beiden Beinen.

In einem Punkt sind Auge und Kamera aber wieder verbunden. Normale Kameras sind dafür gebaut, ein Bild zu erzeugen, das ähnlich dem ist, was wir uns einbilden zu sehen. Sie werden bewusst technologisch beschränkt, sowohl von der Dynamik als auch von der Farbwiedergabe her, um ein Bild zu erzeugen, das so grob unser eigenes, seltsames Sehen imitiert. Die Wünsche nach noch mehr Dynamik oder „Full Spektrum“ oder dergleichen sind Forderungen kleiner, aber sehr lautstarker Gruppen, die sich entweder wichtig machen wollen oder eben speziell für ihre Anwendung eine Kamera haben möchten, aber nicht das Geld für diese Kamera ausgeben wollen. Denn es gibt schon lange „HDR-Kameras“, die extrem große Dynamiken abbilden können. Es gibt Full-Spektrum-Kameras. Es gibt spezielle Wärmebildkameras. Aber mit all diesen Spezialkameras kann man halt nicht mehr „normal“ fotografieren. Und deshalb ist es auch für die Kamerahersteller ziemlich schwierig, noch „technische Innovationen“ in die Sensoren einzubauen. Denn im Prinzip geht das alles längst – aber die Erweiterung der Fähigkeiten darf halt die Fähigkeit der Kamera, Tante Erna vor der Freiheitsstatue abzulichten, nicht beeinträchtigen.

Man kann längst Displays mit einem Dynamischen Kontrast von 1:4000 bauen. Brauchen halt viel Strom und es macht auf Dauer keinen Spaß reinzukucken. Der Goldstandard, der derzeit verkauft wird, sind 1000:1, was in etwa 10bit entspricht. Viele „10-bit“ Displays machen „nur“ 10bit Farbe, nicht 10bit Helligkeit. Sie unterteilen die normalen 256 Stufen der Helligkeit in 1000 Stufen, weil sie damit Farbverläufe über den gesamten Bildschirm ohne Streifen realisieren können. Es geht dabei nicht darum, tatsächlich den Kontrast auch zu zeigen – weil das eben auf Dauer nicht anzukucken ist. Mittlerweile gibt es 12bit-Displays mit 10bit-Panels. Die können 4000 Farbabstufungen mit einem Kontrast von 1:1000.

Für Fotoanwendungen ist das eine fragwürdige Entwicklung. Print kann mit Müh und Not einen Kontrast von 255:1. Im Web dominiert sowieso 8bit JPG, und 1:255 ist sowieso der Kontrast, der halbwegs ermüdungsfrei zu genießen ist. Wer also seine Fotos auf seinen 12bit-Monitor optimiert, hat keinen Weg, die Fotos irgendwem zu zeigen. Diese Hochkontrastfarbhypedisplays werden also – Überraschung – meistens an Gamer verkauft. Damit die Explosion so richtig, richtig hell ist….

Das ist vergleichbar einem Tonstudio, das seine Musik auf High-End-Boxen und Verstärkern abmischt. Die meisten Kunden hören jenseits von 14kHz sowieso nichts mehr und der Rest hört die Musik mit Bluetooth-Brüllwürfeln und im Auto. Profis mischen so, dass die Musik auch mit Schrottequipment halbwegs gut klingt….

3 Replies to “GfO: Auge und mFT”

  1. Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass wir Objekte in unseren Sehfeld auch noch nach Intessenlage „bewußt“ in unserer GHV (Gehirn-bild-verarbeitung) ausblenden können, dann wird der Unterschied zur Kamera auch noch deutlicher. Störende Mülleimer übersehen? Fürs Gehirn kein Problem:-)

  2. Reinhard, es ist schon bewundernswert wie viele auch nicht fotografischen Themen Dich interessieren und Du Dich dann richtig „reinkniest“. Danke für den Beitrag zum Auge. Ich hatte mich vor allem mit dem „astronomischen Sehen“ beschäftigt, also Funktion von Stäbchen, Zäpfchen und dem daraus resultierenden indirekten Sehen zur Beobachtung sehr lichtschwacher Objekte im Teleskop.
    Lutz

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