OoC- ein paar Gedanken dazu.

Diesen Artikel habe ich Anno 2017 (!) geschrieben und nie veröffentlicht. Ich wurde damals durch einen Blogbeitrag von Patrick Ludolph dazu „inspiriert“: „Das Märchen vom Out Of Cam Bild. Es kann sein, dass die eine oder andere in diesem Artikel beschrieben Entwicklung mittlerweile überholt ist, aber im Prinzip ist der Artikel noch aktuell.

OoC bedeutet „Out of Camera“ – also ein Bild, das so ist, wie es aus der Kamera gekommen ist. „OoC“ ist eine Art Gegenbewegung zur recht weit verbreiteten Sitte, Bilder am Computer zu bearbeiten. Nun ist  „OoC“ aber nicht nur was für fotografische Hipster, sondern im journalistischen Bereich ein „Must“. Redaktionen, die einen Fotografen beim Photoshoppen erwischen, pflegen den freien Mitarbeiter auf schwarze Listen zu setzen. Reuters nimmt überhaupt keine Fotos mehr an, die nicht OoC sondern aus dem RAW entwickelt wurden. Manche Wettbewerbe verlangen im Zweifel das RAW zur Kontrolle und mittlerweile gibt es eine Nachrichtenagentur, die überhaupt nur noch RAWs annimmt. Warum? Weil zu viel beschissen wurde und die Nachrichtenagenturen davon leben, dass ihre Informationen zuverlässig sind. (Ich will jetzt nicht über „Lügenpresse“ oder „Lückenpresse“ diskutieren. Und ja, Agenturen holen sich mittlerweile ihr Bildmaterial von Twitter und aus anderen „Sozialen Medien“. Da postet irgendwer was und daraufhin kriegt er ne Mail von der Agentur „dürfen wir ihr Bild verwenden“ und manchmal auch nicht. Nur die freien Fotografen, die müssen Standards einhalten. )

Um das von meiner Seite abzuschließen: Ich definiere „Foto“ als das Ding, was die Kamera ausspuckt. Und „Bild“ als das, was präsentiert wird. Falls Foto=Bild, dann OoC. Falls Foto ungleich Bild, dann EBV (oder von mir aus LBV – Laborbildverarbeitung)

Ja, da können Dinge dran gemacht sein. LiveComposite. Doppelbelichtung. Unterschiedliche Gradationen oder ArtFilter und bei der PEN-F ganz abgefahrene Farbspiele. Das ist der Trick an digitalen Kameras, dass die das können. Und wenn man die Kamera beherrscht, dann kann man diese Dinge auch so einsetzen, dass sie dem Bild zugute kommen.

Was die Kamera nicht macht: Dinge hinzufügen oder Dinge wegnehmen. Und ich kann zwar die Gradation anpassen, aber das hat alles Grenzen. Eine Milchstraße mit wunderbar detailliert sichtbarem Vordergrund gibt’s OoC nicht. Diese ganzen „hyperrealistischen“ Landschaftsaufnahmen im Gegenlicht, die gerade so hip sind – Nein. 

OoC bedeutet, ich muss meine Kamera beherrschen, die technischen Grenzen der Kamera wissen und meine Motive so aufbauen und beleuchten, dass diese Grenzen nicht überschritten werden. Ich muss Lichtfarben kennen und Mischlicht beherrschen. Und wenn ich b/w fotografiere, muss ich meine Kontraste am Motiv beurteilen können. 

OoC ist schwer. Kurzerhand behaupten „Das gibt’s nicht“ ist eine billige Ausrede. 

Paddy argumentiert, dass es doch keinen Unterschied mache, wenn man in eine analoge Kamera einen bestimmten Film einlegt oder im Nachhinein in Lightroom eine entsprechende Filmsimulation draufknallt. 

Doch. Es macht einen Unterschied. Denn wenn der Film drin ist, dann muss man damit knipsen. Und wenn man den Film nicht beherrscht, dann hat man eben verloren. Wenn man in Lightroom am RAW rum bastelt, dann nimmt man halt solange Filter, bis irgendwas rauskommt. Irgendwas wird schon passen. 

„OoC“ bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass der Fotograf sich auf die Mittel beschränkt hat, die die Kamera zur Verfügung stellt. Die eine stellt halt mehr zur Verfügung, die andere weniger, aber um welche Kamera es sich handelt, steht in den EXIFs. Und jeder, der diese Kamera hat, könnte damit in der gleichen Situation das gleiche Bild machen – so er sich in die Situation begibt und die entsprechende Kreativität entwickelt.

Warum nun Menschen so stolz drauf sind, gute Bilder „OoC“ zu machen? Es ist ausgesprochen anspruchsvoll, mit einem kleinen Display und einem begrenzten Werkzeugkasten gute Bilder zu machen, an denen man nicht noch im Nachhinein herumschrauben kann. Nicht umsonst verlangen mittlerweile anspruchsvolle Fotowettbewerbe im Zweifelsfalle die RAWs, um zu überprüfen, ob der Fotograf in Wirklichkeit ein Mausschubser ist.

Gerade durch die Möglichkeiten von KI in den Bildbearbeitungsprogrammen ist so gut wie nichts mehr unmöglich. 

Aber spielt das überhaupt eine Rolle? Bild ist doch Bild, ist doch schnuppe, wie das zustandekommt? Ja, klar. Erlaubt ist, was gefällt – außer im Journalismus – aber es gibt halt Fotoverrückte, die haben den Ehrgeiz, ihre Bilder direkt aus der Kamera fertig zu haben. Und es gibt Profis, die machen das aus purem Selbsterhaltungstrieb. Denn je weniger man „dran machen“ muss, desto schneller kann man die Bilder abgeben. Mist ausbügeln wird nicht bezahlt. Also „Out Of Cam“ gibt’s. Das ist kein Märchen….

13 Replies to “OoC- ein paar Gedanken dazu.”

  1. Auch wenn viele (unter anderem auch ich) immer wieder das Gleiche schreiben, aber es ist leider so: Die prädestinierte Kamera für OoC ist, wer sie wirklich mit all ihren Facetten und Möglichkeiten kennt, die Pen-F! So eine Kamera hat kein anderer Kamerahersteller je gebaut und auch nicht mehr Olympus bzw. OMDS. Leider… Darum habe ich zwei. Die Erste habe ich gekauft, als sie rauskam. Mit dieser fotografiere ich immer noch und als Backup die Zweite vor zwei Jahren neu gekauft. Die kommt ab und zu zum Einsatz, damit sie nicht einrostet. Morgen gehts in die Ferien und natürlich kommt meine Erste mit. Immer… Keine Frage…

    Und die Pen-F hat, im Gegensatz zur OM-1, den Zoomrahmen im Videomodus! Konnichiwa

  2. Also ich persönlich bin sehr für “OoC”, vor allem weil ich einfach zu bequem bin, viel Zeit mit Bildbearbeitung am Computer zu verbringen (da gibt es Sachen am Computer, die mir viel mehr Spaß machen). Meine Olympus/OMDS-Kameras, nicht nur die PEN-F, liefern “OoC” schon so gute Resultate, dass zumindest für mich der Leidensdruck auch nicht wirklich da ist. Allenfalls schneide ich mal was zurecht oder rücke einen Horizont gerade. Ich fotografiere immer JPG+RAW, aber die RAW-Bilder verwende ich normalerweise nur da, wo es wirklich drauf ankommt – große Abzüge für die Wand und so – oder wo durch Nachbearbeitung ein signifikanter Blumentopf zu gewinnen ist.

  3. Als ich im September 1979 meine Ausbildung zum Werkzeugmacher begann, war meine erste Aufgabe, einen recht kleinen Hammer aus einem recht großen Stück Stahl zu feilen. Jeder der eine Ausbildung im Metallhandwerk abgeschlossen hat, musste so etwas oder so etwas Ähnliches produzieren. Gerade Flächen, im rechten Winkel zueinander, feilen bis der Meister und sein Haarwinkel zufrieden waren und die Blasen an der Hand auch die richtige Größe hatten. Zur Belohnung durfte man dann die Flächen wieder ballig feilen. Ein erstes Loch in den Stahl gebohrt und dann zum konischen Langloch aufgefeilt, diverse Fasen und Schrägen gefeilt, das Teil brüniert und teilweise wieder poliert usw. Selbst den Stiel habe ich auf der Drehbank selbst gedrechselt. Manchmal habe ich von dem Stück geträumt. Ein Jahr später hätte ich dann so einen Hammer, in einem Bruchteil der Zeit, deutlich präziser herstellen können. Etwas fräsen, bisschen schleifen und Bohren, Kinderkram. Das wäre aber keine Herausforderung mehr gewesen und ich wäre bei weitem nicht so stolz auf das maschinell gefertigte Teil gewesen, als ich es auf das handgemachte war. Viele andere Sachen, die ich gemacht habe, sind längst Asche, den Fäustel habe ich heute noch.
    Was das mit fotografieren und Bildermachen zu tun hat, überlasse ich jedem selber;-)

    1. „Was das mit fotografieren und Bildermachen zu tun hat, überlasse ich jedem selber;-)“

      Ganz einfach: Handwerk 😉
      Auch meine Metallausbildung war ähnlich: Feilen, feilen und feilen und die Blasen in der Hand erinnert dich an die Qualen. Heute blicke ich mit einem Lächeln zurück was für eine Zeit das war 🙂

      1. Bei mir war ein Lastwagen. Wir mussten aus „RAW“-Material die Einzelteile eines kleinen LKWs herstellen und das am Ende zusammenbauen. Wenn man nicht ordentlich gearbeitet hat, stand das Ding schief auf den Rädern.

  4. *lol*
    Letzte Woche mit Kollegen zusammen in einer Schule fotografiert:
    1.400 SchülerInnen plus Lehrkräfte, Schulleitung, weitere MitarbeiterInnen (Büro, Hausmeisterei, Mensa, …)
    Von jeder/m 5 (in Worten: fünf) Portraits.
    Locker 7.500 Bilder, die alle (!) den Kunden auf einem Online-Portal zum Bestellen angeboten werden.
    Das MUSS ooc sitzen, denn niemand bezahlt es, wenn da noch dran herum geschraubt werden müsste.
    In diesem Fall auch keine RAW als Backup; das wären viel zu viele Daten.
    Ja, ooc gibt es wirklich – und ist in diesem Fall überlebenswichtig!
    jm2c, Martin

  5. Umso weniger Einfluss man auf das Motiv, das Licht und die Umgebung hat, desto schwieriger wird OoC. Je mehr man über das, was man ablichtet weiss, desto einfacher wird es OoC zu bleiben. Studio- und studioähnliche Szenen mit Menschen sind OoC deutlich einfacher als gute Portraits von tobenden Mauerseglern in der Abendsonne.
    Ich würde das Thema weniger dogmatisch sehen, aber ich muß weder mit meinen Bildern Geld verdienen, noch interessieren mich Fotowettbewerbe. Trotzdem fummle ich mit meinem RAW-Konverter (DXO) nur wenn mich etwas an meinem Bild so stört, daß ich bereit bin dafür vor einem Rechner zu sitzen.

    1. „gute Portraits von tobenden Mauerseglern in der „Abendsonne“.
      Du bist gut…
      Einer der schnellsten Vögel überhaupt, Habitus praktisch Monochrome grau, Fotostandort auf Augenhöhe sehr schierig zu finden (Shoots nur von unten eher langweilig), Lichtreflex im rundum kontrastlos „toten“ Auge reiner Glückstreffer – musst Du tatsächlich das absurdeste Projekt für OoC hier zelebrieren?

      Sray cool, bin orniphotogrischer Leidensgenosse zu diesem Thema, verstehe Dich zufiefst und bekenne mich zu (sehr beschränkter) häuslicher Schnipselei. Wer in Ooc einen dieser irrsinnigen Luftjäger halbwegs formatgerecht vorzeigen kann, kriegt von mir eine gute Flasche Südtiroler Roten; und wer mir sinnvoll erklären kann, warum die Antenne des Nachbarhauses zwingend meinen einzigen halbwegs getroffenen Segler begleiten sollte, kriegt zwei.

  6. Ich selbst habe für mich entschieden, dass ich RAW Bilder auf den Computer lade und dann „entwickle“, fast so wie früher, als ich meine Bilder in der Dunkelkammer selbst entwickelt habe. Auch damals schon habe ich mit verschiedenen Papieren, Belichtungen, Ausschnitten und Entwicklen herumprobiert und stets mehrere Varianten von Papierabzügen erstellt. Ich fotografiere gerne, aber ich beschäftige mich auch gerne mit meinen Fotos (auch nach dem Entwickeln… ins Album kleben, sortieren, etc). Neulich habe ich alte RAW Aufnahmen aus den PEN (EP-1) gesichtet und noch einmal mit der neuen Version von DxO PL6 „entwickelt“ und mich gefreut, dass der neue „Anti-Rausch-Algorithmus“ mein altes Bild „verbessert“ hat (so sehe ich das zumindest). Außerdem habe ich für mich festgestellt, dass ich heute einige Bilder von mir „anders“ sehe als früher und da empfinde ich das RAW-Format als hilfreich.
    Heute ist das eben alles digital (sogar meine alten Negative habe im RAW-Format abfotografiert).
    Jeder Anwendungsfall hat seine eigenen Vorgaben und das tolle ist doch, für jeden ist was dabei, man kann sich jederzeit umentscheiden (zumindest als Hobbyfotograf). Und manchmal, aber wirklich nur manchmal fotografiere ich „Schwarzweiss OOC“, weil ich Bock drauf habe und weil ich es kann bzw. die Kamera SW-OOC liefert.

    Gruß aus dem bunten Ruhrgebiet

    1. Ich habe für mich entschieden: RAW pur.
      OOC nur wenn ich mit der PEN-F mit Artfilter fotografiere.
      Ich will Reserve und wenn ich OOC wegen Artfilter haben will, dann kann ich das noch nachträglich in der Kamera machen.

  7. Grundsätzlich stimme ich dir zu: je weniger Nachbearbeitung desto besser. Aber manchmal läuft es eben nicht so wie geplant und wir machen alle Fehler. Viel Spaß bei der Korrektur eines verunglückten Weißabgleichs ausgefressenen Lichtern oder abgesoffenen Schatten im JPG! Das soll keine Ausrede für schlampige Arbeit sein, aber das RAW Bild kann dem Fotografen den Arsch retten.
    Ich durfte mal Portraits von Firmlingen machen, die bei der Vorstellung gezeigt werden sollten. Auf der Hälfte der Gesichter stand die Akne in voller Blüte. Ohne das Versprechen, die Pickel verschwinden zu lassen, hätten sich die meisten Mädchen gar nicht erst fotografieren lassen. Wenn die Kamera das könnte, wäre es ooc gegangen, so aber nicht.
    Zum Glück reicht mir fast immer das JPG und ich kann das RAW löschen. Aber manchmal bin ich froh, es zu haben.

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