GfO: Zerstreuungskreisdurchmesser

Zerstreuung muss sein….

Was ist der „zulässige Zerstreungskreisdurchmesser“: Das ist der Durchmesser eines Unschärfescheibchens, der gerade noch nicht so groß ist, dass eine Unschärfe auffällt.

Der „zulässige Zerstreungskreisdurchmesser“ ist keine absolute Größe, sondern – um es deutlich zu sagen – eine relative Größe. Wird ein Bild aus einem Meter betrachtet, so ist der „zZD“ etwa 0,3mm. Kleinere Details kann das Auge nicht auflösen, also auch nicht beurteilen, ob etwas scharf ist oder nicht. Ausgehend von dieser Eigenschaft des Auges und der Tatsache, dass man Bilder, um sie komplett als Bild erfassen zu können, mindestens aus einem Abstand betrachten muss, der der Bilddiagonale entspricht, hat man zu analogen Zeiten den „zZD“ als 1/1500 der Bilddiagonale definiert. War ein Unschärfescheibchen größer, stellte man das im normalen Betrachtungsabstand als „unscharf“ fest.

Das funktionierte so lange, so lange die Bildauflösungen nicht über 5MP hinausgingen – das ist nämlich ziemlich genau die Auflösung, die damit realisierbar ist. Mehr kann das Gehirn auch nicht wahrnehmen.

Mit steigender Sensorauflösung wurde aber ein anderer Zerstreuungskreis wichtig: nicht mehr die Ausgabe, sondern der Sensor selbst wurde maßgeblich. Ein zulässiger Zerstreuungskreis wurde mit dem Doppelten des Pixelabstandes definiert. Wurden die Kreise größer, konnte man die Unschärfe bei der 100%-Ansicht sehen.

Seitdem gibt es Hauen und Stechen, welcher Wert nun „korrekt“ ist. In dem Sinne „korrekt“ gibt es hier aber nicht, das ist, um es mal so zu sagen, eine „Amateursichtweise“. Für einen Profi ist der Zerstreuungskreisdurchmesser wichtig, der vom Kunden gefordert wird. Bei Bildern für die Webpräsentation gelten andere Anforderungen als für großformatige Plakate, die an Bushaltestellen aufgehängt werden sollen, bei denen die Kunden mit der Nase vor dem Foto hängen.
Eine Schärfentiefenermittlung müsste also korrekterweise immer im Zusammenhang mit der geplanten Bildverwendung erfolgen. Dies ist aber oft nicht möglich, weil bei der Erstellung des Bildes nicht alle möglichen Verwendungszwecke berücksichtigt werden können. Da es aber prinzipiell immer möglich ist, Schärfe wegzunehmen, aber fehlende Schärfe nicht ohne Verlust hinzuzufügen ist, ist es im Allgemeinen sinnvoll, bei der Erstellung eines Bildes, bei dem die Endverwendung unklar ist (auch im Hinblick auf mögliche Crops) die notwendige Schärfentiefe auf Grundlage des doppelten Pixelabstandes zu ermitteln.

Hinzu kommt, dass bei Verwendung des alten „Bilddiagonale-Ansatzes“ jeder Crop einen Verlust an Schärfe bedeutet – und jede höhere Auflösung als 5MP uninteressant ist – sie ist aus dem Betrachtungsabstand= Bilddiagonale schlicht nicht sichtbar.

Mittlerweile gibt es Strömungen, die nicht mehr den doppelten Pixelabstand, sondern den einfachen Pixelabstand zur Berechnung heranziehen, um eine besonders knackige Schärfe zu erzielen. Dies kann aber nach hinten losgehen, weil man dann unter Umständen durch die dann stärker geschlossene Blende bereits wieder in den Bereich der Beugung gerät – und auch dadurch steigt der Zerstreuungskreisdurchmesser.

Fazit: jeder Schärfentieferechner sollte eine Möglichkeit besitzen, den jeweilig favorisierten Zerstreuungskreisdurchmesser einzugeben. „Falsch“ ist keiner, nur vielleicht für das konkrete Projekt „unpassend“. Man sollte wissen, was man mit dem Bild will – und dann kann man die jeweils passenden Werte eingeben.

Eine kleine Randbemerkung: Speziell dann, wenn die Bilder für ein Panorama verwendet werden sollen, sollte man die anspruchsvollere Formel wählen, weil der Stitcher sich mit scharfen Konturen deutlich leichter tut, als mit unscharfen. Zudem verleiten gute Panoramen dazu, in die Details hineinzuzoomen.

Für alle, die der Meinung sind, nur englisches Bullshitbingo ist das Wahre: da heißt das „Circle of confusion“, abgekürzt „CoC“.

(Für die, die’s ganz genau nehmen: die Auflösung wird korrekt nicht in Anzahl Pixel angegeben, sondern in Linienpaaren pro Millimeter. Der Begriff ist hier also – wie fast überall – falsch verwendet. Weiß ich.)

9 Replies to “GfO: Zerstreuungskreisdurchmesser”

  1. Danke Reinhard für diese interessante Weiterbildung! Davon hatte ich noch nie gehört, typisch Knipser-Amateur halt. Trotzdem auch für mich sehr interessant! Übrigens: Von Linienpaaren pro Millimeter hatte ich durchaus schon gehört ;-). Aber das war ja hier nicht das Thema.
    Lg, Saint-Ex

  2. „Circle of confusion“, also „Verwirrungskreis“ passt zu diesem Thema fast noch besser. 😉
    Entsprechend zum für maximale Schärfe wichtigen „zulässigen Zerstreuungskreisdurchmesser“ wäre noch der für die ach so wichtige Freistellung vom unpassenden Hintergrund oder Trioplan-Seifenblasen „erforderliche Zerstreuungskreisdurchmesser“ zu definieren, je nach Geschmack zwischen 1/10 und 1/100 der Bilddiagonale.

  3. Ich habe mal gerechnet und bin auf seltsame Ergebnisse gekommen: Bei doppeltem Pixelabstand als Referenz komme ich für die Oly auf einen mindestens 10 mal kleineren Unschärfekreis als mit der 1/1500-Regel. Das hätte fast unrealisierbare Arbeitsblenden zur Folge.

    Ich habe den Vorteil, dass ich keine Tabellen brauche, sondern meine Erfahrung aus der Analogzeit anwende und einfach eine Blende mehr schliesse als erwartet. Bei f 11 ist Schluss. Damit bin ich mit der Oly immer recht gut durchgekommen. Meine Referenz sind allerdings A2-Drucke bei 30 cm Betrachtungsabstand und nicht die 100%-Monitordarstellung.

    Wenn man obigen Bericht genau liest, erscheinen die neuen Kameras mit 60 MB in FF und 100 MB im kleinen Mittelformat (gleicher Pixelabstand wie Oly bei 20 MB) völlig absurd, wenn man nicht Bokehorgien feiern will. Die notwendigen Arbeitsblenden beugen den Qualitätsvorsprung wohl gnadenlos weg. Allerdings findet man im Netz und in Ausstellungen viele gute Aufnahmen mit Tiefenschärfe.

    Wo ist mein Denkfehler?

    1. Da hast Du einen Rechenfehler drin. Der zZK für den FT-Sensor mit 1/1500 ist 0,0147mm. Bei 10MP hast Du 0,01mm, bei 16MP 0,0071 und bei 20MP 0,0067mm.

      1. Welcher Abstand? Rechtwinkelig (horizontal|vertikal)? Oder diagonal?
        im letzten Fall (den ich bevorzugen würde), käme noch der Faktor 1,4 ins Spiel und siehe da…

    2. Letztlich habe ich das in der Analogzeit bei meinen Dias gleich gehandhabt. Man arbeitet dann etwa mit eine m ca. 1/2000 der Diagonalen Streukreis und landet etwa beim 10 MP Bild.
      Was die hohe Pixelzahlen bei FF betrifft, so sind diese der Qualität ja nicht hinderlich. Auch wenn man abblendet hat man eben mehr oversampling, was ja auch kein Fehler ist. Gerade beim Bayer Sensor kann man noch mit Farbauflösungs Aspekte argumentieren.
      Allerdings in Effizienz/ Nutzen sehe ich Sensoren jenseits von 24 MP für allgemeine Fotografie kaum mehr sinvoll. Deshalb erfreuen sich solche Kameras ja so hoher Marktanteile. Wo man Vorteile hat, wenn man bei den Bilder Objektiv-Fehler digital korrigiert.

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