Falsch abgebogen

MG hat in einem Kommentar geschrieben, irgendwann sei die digitale Welt falsch abgebogen. Ich war seinerzeit Teil dieser „digitalen Welt“ und kann das beurteilen. Das Foto oben ist im Rahmen der „Wirtschaftswoche Unternehmershow“ 2001 aufgenommen worden. Der dekorative Herr mit Wuschelkopf neben mir ist Dr. Florian Langenscheidt und ich habe in dieser Show gegen Dr. Werner-Christian Guggemoos gewonnen, der seinerzeit Ciando gegründet hat. Ciando ist jetzt von der Mediengruppe Stein geschluckt worden, nachdem Guggemoos 2016 aus der Geschäftsführung genommen worden ist. Und die Mediengruppe Stein will zum „führenden Player im deutschen Fachinformationshandel“ werden.

Alle wollen immer zum „führenden Player“ werden. Wenn man Ende des letzten Jahrtausends für ein Business Kapital gesucht hat, dann musste im Businessplan drinstehen, dass man innerhalb von fünf Jahren in diesem Markt eine weltweit führende Stellung innehabe, an die Börse gehen will und dann die bisherigen Investoren im Geld schwimmen. Stand das nicht drin, sondern die Nummer war realistisch geschrieben: „Wir sind heilfroh, wenn wir die nächsten fünf Jahre überleben und dann langsam signifikante Marktanteile haben aber wir brauchen dafür ernsthaft Schotter.“ dann „fehlte die Phantasie“ und kein Mensch interessierte sich dafür. Der Kapitalbedarf musste mindestens 5 Millionen sein, sonst war der Aufwand für die VC-Gesellschaften zu groß – genauer, die Provisionen der Berater zu klein.

Die „digitale Welt“ ist nicht falsch abgebogen. Die war schon immer auf der „falschen“ Autobahn. Wir haben seinerzeit ein Business entwickelt, bei dem tatsächlich Dinge handwerklich produziert wurden. Der Mensch bekam also was für sein Geld. Mit einer Haltbarkeit von 500 Jahren. (Meine Reklamationsquote bezüglich Haltbarkeit ist demzufolge nach 20 Jahren exakt Null.) Das war Investorengift. Gefragt waren „Plattformen“. Also Geschäftsmodelle, bei denen andere, die Dinge produzieren, über die eigene Plattform vertreiben und deshalb Geld abdrücken. Also rein parasitäre Vertriebsmodelle. Amazon halt. Und da musste man natürlich Chef im Ring sein, denn die Leute schauen immer nur in ein Telefonbuch.

Das gesamte Internet ist auf dieser Strategie aufgebaut. Das war nie anders geplant. Trust me, ich war dabei und habe mit den Leuten gesprochen, die den Krempel finanziert haben. Es ging immer und ausschließlich darum, dass Leute mit Geld noch reicher werden. Auch den „Business Angeln“ a la Langenscheidt – denen waren und sind die Gründer piepegal. „Reiß Dir den Arsch auf, geh ins Risiko, und wenn der Laden läuft, dann verscherbel ich den und steck die Kohle ein.“ Wer’s nicht glaubt, ich kann euch die Verträge zeigen, die mir da vorgelegt wurden.

Ich habe irgendwann für mich beschlossen, ich mach da nicht mit. Ich hatte lange Zeit einen Blog bei Blogspot (google) ohne Werbung – hat nicht mich was gekostet, sondern Google – den musste ich wegen DSGVO zumachen. Eine Zeitlang hatte ich Google-Werbung bei oly-e.de und in der Olypedia. Die war noch vom Vorbetreiber. Dann hat Google mir nach nem halben Jahr das Konto gesperrt, weil ich auf die Werbung auf meiner Seite geklickt hätte. Ich kriege von Google also noch 48 Dollar und 50 Cent. Zuzüglich Zinsen seit 2009. Damit war auch das Thema Google-Werbung für mich erledigt. (Ja, ich habe drauf geklickt, man musste draufklicken, wenn man Google informieren wollte, dass man von diesem Anbieter keine Werbung auf der Seite haben will.)

Also: Das Internet läuft mit Fratzenbook, Bezos Butze und Alfabett völlig planmäßig. Wer falsch abgebogen ist, bin ich und andere Idealisten.

6 Replies to “Falsch abgebogen”

  1. Das Verfahren „ich verkaufe meine Idee bzw. mein Start-up – Unternehmen an einen Großen“, der dann tolles verspricht und bis zum Nimmerleinstag weitermacht, habe ich auch bei anderen Unternehmen beobachtet (ohne Innernätt).
    Die ursprünglichen Besitzer wurden gleich ent…, oder sind später geflüchtet (worden).
    Also, die Strategie geht auch ohne Internet, allerdings ohne Influenzer.

  2. Hallo,
    tja. Geht jetzt so ähnlich mit DPREVIEW. Nach 10. April keine neuen Inhalte, weil Amazon, der aktuelle Eigentümer, kosten sparen will. Die verantwortlichen Redakteure haben auch schon einen neuen Job
    Schönen Gruß
    Werner

  3. Das ist jetzt aber alles nichts neues und hat auch nix mit der digitalen Welt zu tun, das ging schon dem ollen Horch so …. und der war auch nicht der erste. Geld fließt in genau eine Richtung: dahin wo es noch mehr Geld gibt, da gibt es nur vereinzelte Spritzer die sich verirren….
    Und im Übrigen ist auch das Internet als solches gaaaaanz am Anfang „idealistisch“ gewesen …. bis es von den kommerziellen Größen gekapert wurde (hat nicht lange gedauert).

    Andy

    1. Hallo Andy
      naja, so ganz idealistisch war das ARPANET nicht. Es diente vor allem dem Militär und den Forschungseinrichtungen zur Kommunikation.

      Herzliche Grüße
      Thomas

      1. Zitat Wikipedia: „…Tatsächlich wurden hauptsächlich zivile Projekte gefördert…“
        Es war vor 1989 doch eher eine Spielwiese der Universitäten und deren Studenten.
        Das Militär hat sich eher später eingeklingt (Militärs sind grundsätzlich zuerst skeptisch gegenüber neuen Entwicklungen) und ab 1989 ging dann die Kommerzialisierung los, aber auch das erst langsam.

        Ist aber am Ende egal wie wir zu der aktuellen Situation gekommen sind – hier und heute ist das Internet eine kommerzielle Maschine – die gnadenlos ausgenutzt wird um Profit zu machen, wie eigentlich alles was nicht wehren kann oder will.

        Andy

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