Die Widerspenstigkeit der Perspektive

Man muss es immer erst ausprobieren, bevor man es verstehen kann. Oder so.

Doros Corona-Projekt mit dem täglichen Baum hat mich animiert, mich mal eingehender mit dem Problem „Smartphone“ auseinanderzusetzen. Und warum ich als Smartphonebesitzer trotzdem noch bei jeder Gelegenheit mindestens ne PEN-F mit 75mm und Fishcap rumschleppe.

Die Gelegenheit kam am 16.2. als ich bei Raureif-Morgen-Wetter einmal keine Kamera dabei hatte und auf das Smartphone zurückgreifen musste. Das Foto oben ist also nicht aus einer Oly, sondern aus meinem Oppo.

Ich hatte da einen Eindruck. Dieser Eindruck war ein gedrängter Block aus hellen, strahlenden, bereiften Bäumen vor blauem Himmel. Nur eben zu weit weg für das Smartphone. Also so lange hingelatscht, bis die Baumgruppe bildfüllend war. Knips.

Was’n Mist.

Durch die grob zehn Meter, die ich zurückgelegt hatte, hat sich die Perspektive verschoben. Die Bäume waren nicht mehr komprimiert als Baumgruppe zu sehen, sondern gestaffelt, fast wie Alleebäume. Dass das Misthandy auch noch die harten Belichtungsunterschiede ausgeglichen hat, hat man natürlich auch vor Ort nicht gesehen weil das Display ja auf „Knack“ optimiert ist und auch die Kamera Bilder für’s Handy macht, nicht für den kalibrierten Monitor.

Was wäre die Alternative gewesen? Stehenbleiben und Zoomen. Nun hat aber eben selbst das Iphone14Proschwippdiwippdi kein Zoom, sondern nur vier Festbrennweiten, die der Kameraelektronik Anhaltspunkte geben, um irgendwas digitales zusammenzuschustern. Wenn man da nicht gerade die Brennweite des jeweiligen Objektivs erwischt, sondern irgendwas dazwischen, dann braucht man da nicht auf einzelne bereifte Äste zoomen. (Einschub: Sollte man bei Handys sowieso nicht machen. Das neueste Apfel-Ei macht da keine Ausnahme. Verschmierte Details, aquarellierte Farben. Für’s Display taugt’s…. Klar, Leute, die von Canon kommen, kennen das von den alten Canons. Überschärfte Kanten, vermatschtes Gemüse. Man fühlt sich wie zuhause. Für Oly-User ist das jetzt nicht so der Burner… Bei der Recherche bin ich über die Angaben von Apple und in in vielen Reviews gestolpert. 77mm Brennweite, f/2,8. Eingangspupille 27mm. Really? Nein, es sind knapp 24mm Brennweite und Eingangspupille von 8,5mm.. Genauso geben Sie bei 13mm einen Bildwinkel von 120° an. In Wirklichkeit sind es unter 4mm. Warum schreiben die da Kleinbildbrennweiten dran? Damit sie mit den für diese Brennweiten seeehr mäßigen Lichtstärken prahlen können?)

Also: das Zoom der Handys wird selbst vom 14-42EZ getoppt. Dann noch des Fishcap dazu und man hat mehr Winkel in besserer Qualität. Also nicht zoomen. Nicht mit dem Handy. Schon gleich gar keinen Digizoom.

Also ist man auf die eingebauten zwei, drei oder meinetwegen vier Festbrennweiten angewiesen, die aus einem brutal digital korrigierten Fishcap als „Weitwinkel“ einem „normalen“ Weitwinkel mit 12 mm FT, einer Normalbrennweite als „Tele“ und dann vielleicht, wie beim Iphone, knapp 40mm FT als „3x-Tele-Zoom“ bestehen. Der Rest wird vom Blechdepp dazuerfunden.

Über die Bildqualität gibt’s drei Millionen Reviews und noch mal soviele Meinungen und vielen reicht die Qualität, genauso wie den Leuten jahrzehntelang ne Minox, ne Pocket oder ne analoge Olympus PEN völlig gereicht hat.

Wenn ich meiner Angebeteten mitteilen will, dass es des morgens knackekalt ist, die Sonne aufgegangen ist, und ich mit Brötchen unterwegs bin, dann ist so ein Handyfoto knorke.

Wenn ich das dann hinterher am Rechner ankucke, dann hat das Foto halt gerade eben so ausreichend Daten für normalen Betrachtungsabstand = Bilddiagonale. Sobald man näher rangeht, ist alles nur noch Matsch und digitale Kante. Auch ein Milliardenkonzern aus Cupertino kann zwar alle Steuergesetze der Welt umgehen – aber nicht die der Optik.

Also: Wenn ich auch nur halbwegs brauchbare Bilder aus dem Hosentaschenwärmer haben will, muss ich mich auf die eingebauten Optiken verlassen. Zoom ist nicht. Um den Bildausschnitt zu wählen – denn Ausschneiden is auch nicht – muss ich meine Schuhe bemühen. Und damit verändert sich die Perspektive. Zwangsläufig. Nichts gegen eine veränderte Perspektive. Aber wenn ich zum Beispiel mit dieser Brennweite ein Bild machen will, bei der die Basislinie nur aus den vier Bäumen besteht und die Spitze des Dreiecks die Sonne bildet, muss ich näher ran. Damit wachsen die Bäume nicht nur im Verhältnis zur Sonne, sondern verändern sich auch im Verhältnis untereinander, denn sie sind mitnichten auf einer Linie. Die beiden linken Bäume würden deutlich größer werden, als die beiden rechten Bäume, das ganze Bild würde anders funktionieren. Der Weg, der jetzt nur ein schmaler Strich ist, würde breiter. Ich kann dann natürlich die Kamera tiefer halten, dann wird der Weg schmaler, aber der Horizont sinkt. Die Bäume werden größer, die Sonne steht tiefer im Verhältnis zu den Bäumen. Der Bildschwerpunkt ändert sich massiv.

Und natürlich – sobald ich näher ran gehe, ist der Bodendunst nicht mehr so dekorativ.

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein Fan des Turnschuhzooms bin. Also näher ran gehen wo es was bringt. Denn die Perspektive ist King. Aber gelegentlich muss man eben weiter weg bleiben. Oder man braucht einen bestimmten Abstand X damit etwas so aussieht, wie man das haben will. Deshalb haben schlaue Leute Zooms erfunden. Nicht nur, damit man den Bildausschnitt frei wählen kann, sondern damit man die Perspektive frei wählen kann.

Und Handys haben keinen Zoom.

Dir ist Perspektive wurscht? Nimm ein Handy.

Aber Reinhard – Du sagst doch oben auch, dass Du mit zwei Festbrennweiten losziehst. Jepp. Einem 75er und einem Fishcap. Als Minimalausstattung. Das nächste Add-On ist ein 14-42EZ, dann ein 12-40 – und dann kommt das große Besteck in die Tasche. Das 75er ersetzt mir mit Turnschuhzoom ein 45-100, weil sich da von der Perspektive nicht so viel ändert. Ultraweitwinkel erschlage ich mit dem Fishcap. Und für den Rest, der sich zwischen 17mm und 35 abspielt, also zum Beispiel Personen Ganzkörper, Gebäude und dergleichen, da habe ich dann einfach Pech gehabt. Wenn ich damit rechnen muss, kommt das 14-35 in die Tasche. Aber das ist ein anderes Thema und soll ein anderes mal behandelt werden.

15 Replies to “Die Widerspenstigkeit der Perspektive”

  1. Hallo Reinhard,

    mit der Brennweiten-Lücke „Pech gehabt“? Warum?

    Du könntest doch die Brennweiten-Lücke zw. dem Fishcap-Objektiv und
    dem 75mm-Objektiv mit einer „Panasonic Lumix DC-LX100 II“ oder einer
    „Leica D-Lux 7“ abdecken. Beide Kameras haben einen FT-Sensor und
    sind ungefähr genauso groß, wie die „PEN-F“ mit dem Fishcap-Objektiv.

  2. Von der Lumix LX 100 würde ich ganz massiv abraten. Eine tolle Kamera, mit der ich fotografisch sehr zufrieden bin. Aber: massiv verdreckter Sensor, Staub und (tatsächlich) Fusseln. Ab Blende 8 extrem deutlich. Und das bei einer Kamera ohne Wechseloptik – und ohne Möglichkeit der Sensorreinigung.

  3. Mit dem Smartphone als Kameraersatz bin ich bisher nicht warm geworden. Die Sony (Compact) lieferten seinerzeit nur leidliche Qualität und mein „aktuelles“ iPhone 14 (Mini) hat ja auch nur die beiden Weiteinkel-Linsen verbaut.

    Wenn das also überhaupt infrage käme, dann müsste ich bei einem späteren Gerät die Größe wechseln. Wäre es mir das – abgesehen vom Preis – wert?

    Die (KB)-Brennweiten der Linsen werden bei iPhone Pro (Max) wie folgt angegeben:

    0,5x 13mm
    1,0x 26mm
    2,0x 48mm
    3,0x 77mm

    Die 48mm sollen ein hochwertiger Crop aus dem 26mm sein, welches einen größeren Sensor besitzt, als die beiden anderen Linsen.

    Für jemanden der eher im Bereich der Standard- und Telebrennweiten unterwegs ist, erklärt sich bei dieser Betrachtung recht schnell, warum die Smartphone-Kamera bisher nur zum scannen von QR-Codes oder als Notizblock verwendet wurde.

    Die Standardbrennweitenbereich ist nach wie vor nicht physisch vorhanden und die 77mm sind für eine Portraitbrennweite auch noch recht kurz.

    Die PEN-F mit dem 12-45mm – ja sogar die E-M1X mit dem 12-40mm – am Gurt über der Schulter tut nicht weh und schränkt mich nicht ein. Ich habe damit alle fotografischen Freiheiten und kann auch weiterhin die kleinen kompakten Smartphones verwenden, die im Sommer nicht die Hosentaschen ausbeulen. Für mich persönlich steckt von Seiten der Hardware die Smartphone-Fotografie noch in den Kinderschuhen, obwohl die Mehrheit wohl Gefallen an den Weiteinkel-Perspektiven findet.

  4. Also ich benutze die Kamera in meinem Handy vor allem, um Schilder, Aushänge, … zu fotografieren, die ich sonst abgeschrieben hätte. Das klappt gut, aber für mehr ist die wirklich nicht zu gebrauchen. Auf der anderen Seite bin ich auch nicht bereit, mehr als 300 Euro (oder so) für ein Handy auszugeben, und das war zuletzt 2019.

    Das mit der PEN-F mache ich genauso, allerdings in Ermangelung des 75mm/1.8 typischerweise – je nach Laune – mit dem 17mm/1.8 oder 25mm/1.8.

      1. Habe ich auch und liebe ich heiß und innig – so sehr, dass es meistens in irgendeine Tasche gesteckt wird, um es zusätzlich zu dem jeweils anderen Objektiv dabei zu haben, just in case.

  5. Ich kann das Obstphone als weitere Kamera im täglichen Leben durchaus gebrauchen. Es werden ‚andere‘ Bilder aus anderen Perspektiven damit.
    Normalerweise habe ich eine Canon g9xII (28-84mm KB-equiv.) mit im Bauchgurt. Mit dxo und RAW reicht mir die Quali die da rauskommt für die meisten Dinge, die ich im Vorbeigehen knipsen will aus. Schon eine Pana GM5 mit 12-32 und 35-100 (4.0-5.6) war mir nach ein paar Tagen zu gross um sie immer mitzuschleppen.

  6. …. und führ mich nicht in Versuchung … meinem Handy gelingt das auch nicht mal ansatzweise (es ist auch alles andere als „smart“) ;-P – aber für mal ein Schild reicht es sogar noch aus…..
    Ich bin ja bekennender Suppenzoomfan – und so ist meine Mininmalausstattung halt das 14-150 – für Reinhards Bilder hätte es auch locker gereicht … ist aber eben „etwas“ dicker als so ein smartes Phone – um mit Reinhard zu sprechen: so what? Steckt unterwegs in der alten Oly-Kamera-Tasche, die wir mal für die E-20 gekauft haben – passt prima (und die hat auch noch eine Innentasche für einen zweiten Akku).

    Aber: es gibt inzwischen sehr viele Menschen, denen die Smartphonebildchen völlig ausreichen – weil sie sich sowieso nur auf eben diesem ansehen. Außerhalb von Fotoforen reicht die Bildqualität sehr viel weiter…..

    Andy
    imnichtsmartphonemodus

  7. Bei mir ist es eine Sony RX100 VI, die für alles herhält, wenn die Oly zu groß ist. KB-Äquivalent 24-200, und auch wenn im WW die Ecken manchmal nicht ganz so dolle sind, müssen sich die mittleren und längeren Brennweiten vor meiner mFt Ausrüstung nicht verstecken. Nicht immer exakt die gleiche Qualität, aber wirklich gut. Und ein ordentlicher OLED-Sucher, ganz wichtig!

  8. Hallo zusammen,

    bis vor einiger Zeit habe ich Reinhards Argumenten komplett zugestimmt. Ein Handy war aufgrund seiner technischen Grunddaten für mich noch deutlich unter jeder Kompaktknipse angesiedelt.
    Dann kam aber meine Frau, die nicht so stark fotografisch interessiert ist, wie ich. Auf Ausflügen hat sie früher immer eine meiner kleinen zweit oder dritt Gehäuse genommen, z.B. die GX7 oder die E-M5II. Diese wurden Ihr inzwischen auch zu groß, sie nahm einfach ihr iPhone. Da ich diese Bilder auch zentral verwalte, konnte ich sie auch immer direkt vergleichen.
    Ergebnis: Heute haben wir beide ein iphone Pro, wegen der dritten Optik. Ist wie oben geschrieben kein richtiges Tele, sondern eher zwischen Normal- und Teleobjektiv angesiedelt, aber immerhin.
    Die Realität hat uns hier eingeholt: Aus den Bildern unseres Norwegenurlaubs vom letzten Sommer habe ich einen A2 Kalender drucken lassen. Darin sind Bilder mit der OM1 und auch vom iphone meiner Frau. Diese Bilder fallen nicht auf, man kommt nicht auf die Idee, dass sie mit einem Handy gemacht wurden! (Und jetzt bitte keine Kommentare, dass meine Bilder mit der OM-1 einfach so schlecht sind … 😉 )
    Aufgrund von Telewirkung kann man sicher bei einigen Fotos ausschließen, dass sie mit einem iPhone gemacht worden sind, innerhalb der verfügbaren Range aber nicht.
    Wie gesagt, aufgrund der Theorie hätte ich das nie erwartet, die Praxis zeigt aber ein anderes Ergebnis. Ein gutes Handy ersetzt damit sicher immer noch nicht eine ordentliche Kamera und aufgrund der Tele-Thematik und vieler anderer Punkte wird das auch absehbar nicht passieren. Im Bereich der verfügbaren Brennweiten (WW bis Normal) ist es aber für mich wirklich überzeugend, was aus einem iPhone 13/14 Pro (3. Optik und die können auch Raw) rauskommen kann. Sicher ein teurer Spaß, aber dafür auch bei einer Jeans hosentaschentauglich…

    1. Ich habe Jahrelang Fotokalender gestaltet – für Motorradforen. Da kamen die unterschiedlichsten Kameras zur Anwendung, weil die wenigsten Motorradfahrer mit einer „großen“ Ausrüstung unterwegs sind (vom MotOly mal abgesehen 😉 ). Und zum Schluss kamen auch immer mal Fotos aus Smartphones dazu – darunter wirklich gelungene Motive.
      Im fertigen Kalender musste man sich dann wirklich konzentrieren um die Smartphonebilder rauszufinden und den meisten ist das sicher nicht gelungen. Teils weil andere Bilder aus Kompaktkameras auch nicht besser waren und teils weil die Bilder niemand mit „Fotografenaugen“ angesehen hat.
      Also ja: man kann tatsächlich gute Smartphonbilder (und hier kommt es natürlich vor allem auf das Motiv an) auch für einen Kalender verwenden, aber der Mensch am Smartphone muss das auch wissen und sich entsprechend Mühe geben.

      Andy
      imkalendermodus

  9. Hallo zusammen,
    Bei „normalen“ Spaziergängen habe ich seit vielen Jahren eigentlich immer die XZ-2 dabei. Die Qualität reicht mir idR aus und hat am Gürtel Platz. Die Pen (E-PL3) war mir da schon zu groß für das minimal bessere Ergebnis. Da ich nur 2 Standard-Zooms hatte, hat die XZ-2 auch in der Dämmerung gut bestochen mit ihrem lichtstarken Objektiv. Und auch zum Filmen (z.B. Trachtentänze) war ihr Format besser.
    Wenn ich mir gezielt vornahm, auch zu fotografieren, war aufgrund der Griffigkeit dann die E-620 mit den Pros und Tele dabei. Die „Neue“ (E-M1II) war hierfür bisher nicht im Einsatz. War mir bisher zu kalt heuer ^^.
    Das Smartphone (Samsung A40) ist nur geschäftlich als Photomaschine im Einsatz. Um defekte Beschläge zu fotografieren und instant weiter zu leiten für den Händler. Ansonsten kann ich den damit gemachten Fotos nichts abgewinnen.
    Schönen Gruß
    Werner

  10. Bei mir ist die Pen-F mit den kleinen 17 und 45 in der handlichen Fototasche „immer dabei“. Ein Bekannter mit Smartphone bemerkt regelmässig „immer noch mit einer richtigen Kamera“ unterwegs? Aber ich mag halt den Blick durch einen Sucher, oder bei Bedarf, Frosch- / über Kopf Perspektive, auf das Schwenkdisplay.
    Trotzdem bin ich manchmal beeindruckt was computational-photography aus dem Ringpuffer eines Smartphones heraus destillieren kann.
    Sonnige Grüsse aus den Alpen

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