Unter einem meiner letzten Posts hat einer gefragt „Was ist ein gutes Bild“? Ich kenne den Mann und weiß, dass der durchaus anspruchsvoll knipst. Nicht unbedingt Massengeschmack. Und deshalb weiß ich, wie seine Frage zu verstehen ist. Da das aber durchaus grundsätzliche Dinge bezüglich Bildgestaltung betrifft, wäre das ein bisschen zu lang für eine Forendiskussion. Deshalb also einen eigenen Post zu diesem Thema.
Ein „Gutes Bild“ ist ein Bild, das seinen Zweck erfüllt.
Der Zweck kann mannigfaltig sein. Der Verkauf eines Produktes, das Erzeugen einer Stimmung, Provokation, Befriedigung des Fotografen, Dokumentation, Reproduktion, Werbung für das dargestellte Model oder Werbung für die Fotografen oder Gewinn von Wettbewerben. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Um ein Beispiel zu geben:
Das Bild kann man als mittelmäßige Streetfotografie durchgehen lassen. Ist so ein bisschen depri und hat was von „Boulevard of broken Dreams“. Die Pizzeria ist übrigens längst wieder dicht und durch eine andere Pizzeria ersetzt worden.
Ist es als Werbefoto für die Pizzeria geeignet? Nada.
Jetzt nicht so depri – das war ein Entwurf für ein Cover des PEN-F-PDFs, gleich im extremem Hochformat mit Platz oben drüber für den Titel. Für ein Cover finde ich das ganz anständig. Taugt das für ein Werbefoto für die PEN-F? Um Himmels willen, nein. Der Blick geht zuerst in die Augen des Models – und nicht auf die Kamera. Je nach dem Zweck des Bildes ist das hier also ein Totalversager oder genau richtig. Was ist also „gut“?
Der Zweck dieses Bildes ist es, die Einstellmöglichkeiten des Monochrome-Modes der PEN-F zu zeigen. Taugt es als Werbung für Yoga? Nope. Wettbewerbsfotografie? Nada, da müsste der Bretterboden noch weg, die Frau müsste, wenn möglich nackt sein und wahrscheinlich bräuchte es im Hintergrund noch eine strukturierte Pappe oder eine reinkopierte Milchstraße.
Das ist ein Bild, das den Renovierungszustand in Rocksdorf zu dem Zeitpunkt zeigt, als ich unter dem Putz die Jahreszahl 1807 gefunden habe, zu dem die Gewölbe in den Flur eingezogen und die „gute Stube“ frisch verputzt wurde. Das Bild zeigt die Bausituation, es ist korrekt belichtet, die Jahreszahl ist scharf und gut erkennbar, ebenso wie der alte Putz links. Auch die bereits ausgebesserten Stellen sind sauber zu erkennen. Ein „gutes“ Bild, wird sich aber wohl eher niemand übers Sofa hängen.
Ein Entwurf für ein CD-Cover. Rechts unten Platz für den Titel. Gutes Bild? Es ist halt immer die Frage. Für ein Cover für eine Metal-Band eher nicht, für Láng Lǎng auch nicht.
Ein letztes Beispiel:
Das ist nicht etwa ein Sonnenuntergang oder ein Komet oder irgendsowas. Es ist einfach nur beleuchtete, gewellte Hintergrundpappe. Sprichwörtlich „Nichts“. Das ist entstanden, als Canon mal ein paar Fotografen mit absolut nichts auf eine Pappe gesetzt haben, mit der Aufgabe, jetzt ein Foto zu machen. Die haben dann angefangen, ihre Schuhe auszuziehen und die zu fotografieren. Oder ihre Autoschlüssel zu werfen. Ich dachte mir, Nichts zu fotografieren ist doch mal ziemlich einfach.
Ist das Bild gut? Es gibt sicher Leute, die das gut finden. Es gibt Leute, die damit gar nichts anfangen können. Und ich fand des damals immerhin ganz witzig.
Es erinnert mich immer an meine Schulaufsätze. Da stand dann immer drunter, dass der Text eine hervorragende Glosse sei, aber man doch bitteschön einen Bericht abliefern hätte sollen. Themaverfehlung….. Vielleich sollte ich mal versuchen, meinen alten Deutschlehrer aufzutreiben und ihm meine 35 Bücher auf den Tisch klatschen….. Nein, lieber nicht.
Aber ich denke ich habe meinen Punkt gemacht. Ob Bilder gut sind, entscheidet der Betrachter oder der Auftraggeber.
Wenn ich trotzdem oft von Leuten spreche, die „Grütze knipsen“, dann meine ich damit, dass die einfach weit unter den Möglichkeiten des Motivs bleiben. Und das ist Schade. Wenn das auf Unvermögen zurückzuführen ist, dann kann man das abstellen. Aber wenn es darauf zurückzuführen ist, dass ein bestimmter Bildstil gerade „in“ ist, dann ist da halt nichts mehr zu machen. Wer es für eine gute Idee hält, sein Haus pink zu streichen, nur weil das in „schöner wohnen“ gerade als letzter Schrei bezeichnet wird, dem ist eben nicht zu helfen.
Ein gutes Bild ist eins, das mir gefällt, frei von allen Dogmen. Ob es anderen auch gefällt, ist mir egal. Will ich das Foto verkaufen, oder verschenken, ist es ein gutes Bild, wenn es dem Käufer oder dem Beschenkten gefällt. Wen es beiden gefällt, um so besser.
Über die Frage “Was ist gut und wie findet man das heraus?” sind schon viele dicke Bücher geschrieben worden. Ich empfehle einen Klassiker des Genres: “Zen and the Art of Motorcycle Maintenance” von Robert M. Pirsig.
Die letzten beiden Blog-Artikel dürften das Beste sein, was ich in letzter Zeit zum Thema Fotografie gelesen haben dürfte. Dass eine rhetorische Frage so beantwortet wird. Chapeau.
Wunderbar geschrieben und anregend. War es das Türchen #25?
LG Thomas