Fotografie lernen: nicht soooo….

Immer wieder sehe ich auf Blogs von Selbstvermarktern „die wichtigsten x Anfängerfehler, die Du vermeiden kannst.“ Und dann die Aufzählung, von „zu viel Geld in Technik investiert“ bis „nicht zoomen, laufen!“.

Oder „Deine ersten 10.000 Bilder sind die Schlechtesten“. Das vermutlich nie jemand so gesagt hat, vielleicht ist Cartier-Bresson mal gefragt worden, ob er auch schlechte Bilder gemacht hat (irgendsoein Journalist wollte wohl witzig sein) und darauf hat er gesagt, „Die ersten 10.000“. So ganz genau weiß das aber niemand.

Wenn ich mir meine ersten 10.000 Bilder ankucke, da sind Bilder drunter, die heute noch auf Klavieren stehen, 35 Jahre später. Auf die ich heute noch stolz bin. Gerade auch weil sie mit einer Kamera ohne Belichtungsmessung und ohne Autofokus gemacht wurden. Im Endeffekt war das mit den 10.000 Bildern eine blöde Antwort auf eine blöde Frage. Und seitdem wird da irgendwas Schlaues hineininterpretiert.

Ich habe in den Jahren, in denen ich Leuten Fotografieren beigebracht habe, gelernt, dass viele im Bestreben, technische Perfektion zu erreichen, das Fotografieren schlicht verlernen. Das Kucken. Das Staunen. Die Faszination am Motiv, die Bildphantasie. Ich habe mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, mit Ehefrauen, die immer die abgelegte Kamera vom Göttergatten kriegen, damit sie ein bisschen mitknipsen können und mit Menschen, die ein halbes Jahrhundert fotografieren und vor lauter Technikverliebtheit den Bezug zum Motiv verloren haben.

Die Aussage „Kauf Dir keine teuere Kamera, dafür muss man besser fotografieren können.“ lese ich auch öfter. Und ich sehe immer wieder auf Seminaren, dass ich den Leuten mit den Einsteigerknipsen sagen muss „Das geht mit der Kamera nicht.“ Ich sehe das doch selbst – wenn ich mit den einfachen Kameras a la E-M10IV oder E-PL10 oder E-P7 arbeiten muss, kriege ich die Krise. Es ist nicht einfacher. Es ist schwerer. Die Kameras sind langsamer, haben weniger Möglichkeiten. Sie sind einfach die schlechteren Werkzeuge. Wenn man damit leichter arbeiten könnte, würden sich Profis die billigeren Kameras kaufen. Kein Profi gibt absichtlich tausende von Euros aus um sich die Arbeit zu erschweren. Warum kaufen sich die Handwerker ne Hilti? Weil die Löcher macht. Warum asten sich Hobbyisten mit nem kleinen Loch in ner Betonwand so ab? Weil sie eben keine Hilti haben. Und ja, die könnten mit ner Hilti auch schneller Löcher machen.

Genauso ist es mit den Kameras und Objektiven und Blitzen.

Und wegen der ersten 10.000 Bilder: Ich habe so oft Menschen gesehen, die Bilder zum Niederknien gemacht haben und ihre Kamera erst vor nem halben Jahr bekommen haben. Die waren neugierig, kreativ, unverdorben, originell und haben einfach Bilder gemacht. Und wenn man denen gezeigt hat, was sie da für ne Wundertüte in der Hand haben, dann sind da wirklich tolle Dinger bei rausgekommen.

Und manchmal habe ich erlebt, wie jemand, der so unbeschwert angefangen hat, dann auf einmal angefangen hat, Mainstream zu fotografieren. Weil es die anderen doch auch machen. Und genau das ist der Anfängerfehler. Der Größte.

Sich von der Meinung anderer abhängig zu machen.

Zum Beispiel von meiner.

9 Replies to “Fotografie lernen: nicht soooo….”

  1. Lieber Reinhard, wie bei den meisten Deiner Blogs kann ich Dir nur zustimmen.
    Auf einem anderen Gebiet ist es mir auch so gegangen: Ich wollte Oboe spielen lernen und bekam ein billiges, nicht sehr taugliches Leihinstrument. Es war so mühsam damit einen schönen Ton herauszubringen oder gebundene Passagen zu spielen. Ich wollte schon aufgeben. Meine Mutter kratzte ihr Geld zusammen und kaufte mir eine gute Oboe. Wie war ich glücklich, dass damit das Üben und Musizieren Freude machte. Ich habe dann 35 Jahre in verschiedenen Kammermusik Besetzungen und Orchestern (als Amateur) gespielt. Welche Bereicherung für mein Leben.
    Gruß Lutz

  2. Naja, lieber Reinhard, wie du weißt, widerspreche ich dir nur sehr ungern! Was mich betrifft, absolut ohne jeden künstlerischen Anspruch, so kann ich nur sagen, dass sich meine Bilder vom Wechsel von der EM 10 bzw EM 10 Mark 2 zur EM1 Mark 2 kaum geändert haben. Das tolle 12-100mm 4.0 nutze ich gerne, aber oft auch viel lieber das 9-18 mm, weil mehr Weitwinkel, kleiner und leichter… Wie gesagt, ich habe keinen künstlerischen Anspruch. Ich möchte einfach Szenen oder Anblicke, die mir gefallen, in ein Bild bannen. Manchmal gelingt das sogar tatsächlich mit einem der modernen Smartphones (weil ich gerade keine Oly zur Hand habe). Einfach so mal draufklicken, und ich bin zufrieden ( klar ist, keines meiner Bilder würde je irgend einen Wettbewerb gewinnen !).
    Ich würde es eher so formulieren: die teureren Kameras machen das Fotografieren einfacher, bequemer und schneller, weil die gesamte Bedien-Haptik auf die Profis abgestimmt ist. Dass man damit nicht automatisch bessere oder schönere oder überzeugendere Bilder macht, ist ja sicher auch jedem klar .
    LG, frohe Weihnachten, Saint-Ex

  3. Jo,
    Erinnert mich an die Zeit der Sportfotografie mit einer E-30, E-3, dem 12-60mm- 50-200mm.
    Radcross und Querfeldein Läufe im Winter. DM in Lorsch bei Nebel und Nieselregen, WM in 2011 in Sankt Wendel bei – 7 bis 0 Grad Celsius.
    Rothaus Marathon im Schwarzwald. Auch Hier war so manches Bild daneben. 100% Auslastung der Kameras … …
    Die Auflösung.
    Die Olys waren auf LF+RAW eingestellt.
    Die meisten Kameras der regionalen /überegionalen Presse, befanden sich in der kleinst möglichen Auflösung. Canon und Nikon beim Zielort ratternden wie blöd. Noch ein paar Bilder der ersten, eventuell noch beim sofortigen Interview, der Siegerehrung. Danach ab ins Zelt an den Laptop und raus damit an, Radsportnews, Mannheimer Morgen, Bergsträßer Anzeiger, etc….
    Mein Vorteil als Hobbyfotograf, die regionalen Jungs der Presse belohnten meine Ausdauer mit Tipps und Tricks und dem Zutritt an ihren Zugewiesenen Plätzen zum Fotografieren.
    Dafür bin ich heute noch dankbar.
    Weihnachtliche Grüße

    Wolfgang

  4. Das Zitat mit den ersten 10.000 Bildern soll wohl von Helmut Newton stammen. Obwohl es natürlich nicht zu verallgemeinern ist, steckt ein bisschen Wahrheit schon drin. Früher hat man gesagt: Übung macht den Meister. Das gilt natürlich auch für die Fotografie, wie für jede künstlerische Tätigkeit.
    „Ich habe in den Jahren, in denen ich Leuten Fotografieren beigebracht habe, gelernt, dass viele im Bestreben, technische Perfektion zu erreichen, das Fotografieren schlicht verlernen. Das Kucken. Das Staunen. Die Faszination am Motiv, die Bildphantasie.“
    Diesen Satz unterschreibe ich voll. Dazu trägt – ohne dass es beabsichtigt ist – der DVF mit den zahlreichen Wettbewerben bei. Bei den Bilder-Dikussionen in Fotoclubs wird nicht über die Wirkung, Ausstrahlung, Gestaltung eines Fotos geredet, sondern nur über technische Mängel. Etwa so: Also den Ast musst du wegstempeln. Und hier die dunkle Stelle neben der Tür muss aufgehellt werden. Und Hochformat geht gar nicht. Das fliegt bei der Jury am Monitor sofort raus….
    So haben die Amateur-Wettbewerbsfotografen in den Fotoclubs eine genaue Vorstellung, wie sie fotografieren sollen und das Kuriose daran ist, dass sie glauben, auch so fotografieren zu wollen. Und deshalb sind die Bilder in den Wettbewerbsausstellungen auch alle gleich: technisch perfekt, aber leider oft emotionslos, clean, steril. Eben so, wie man glaubt, dass die Jury die Bilder haben will. Glücklicherweise gibt es ein paar wenige Initiativen von erfahrenen Fotografen, die sich in kleinen Gruppen treffen, um „inhaltlich“ über Fotos zu sprechen. Fotos, nicht Bilder am Monitor!
    Letzter Satz: Wer fotografieren kann, kann es mit jeder Knipse! – Natürlich braucht man für spezielle Aufgaben auch spezielles Gerät. Eben die „Hilti“. Die ist bei uns aber nicht rot sondern schwarz. 😉

  5. Rückwirkend betrachtet hat man ja heute die ersten 10.000 Bilder schnell durch. Einfach Serienbildfunktion und etwas über 5x mit der Serienbildfunktion eine 32GB Karte füllen. Das dauert unter 20 Minuten mit einer schnellen Speicherkarte und einer E-M1 aber der ersten Generation 😉

    Vielleicht sollt man den Spruch mit den erstem 10.000 Bildern erweitern/umändern: „Man findet mehr gute Bilder in den ersten 10.000 als in den vielen darüber“
    Stimmt, Anfangs ist man unvoreingenommen und will einfach eine besondere Situation festhalten, nachher steigen die Ansprüche und immer weniger werden dem eigenen Anspruch gerecht.

    Aber letztlich ist es auch egal welches Hardware beteiligt war: Ein gutes Foto ist und bleibt ein Gutes Foto, egal womit es entstanden ist.

    Schöne Weihnachten!
    Siegfried

  6. Jetzt in der Vorweihnachtszeit habe ich für ein Vorhaben viel in meiner Bildersammlung gestöbert und war sehr erstaunt, daß eine große Anzahl meiner „besten“ Bilder ich in den Jahren 2010 – 2012 mit der EM5 gemacht habe, mit dem normalen 12-50, dem FT 2,0/50 und dem FT 40-150.

    Vielleicht lag es daran, daß alles „neu“ war und mit mehr Enthusiasmus fotografiert wurde????

    Später kamen noch die EM10II und die EM1 (I) dazu wie eine Menge toller Optiken….aber irgendwie beschleicht mich ein Gefühl…..ich war schon kreativer!

    Also das mit den ersten 10 000 Bildern unterschreibe ich NICHT.

    Gruß Jürgen

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