Ehrengärtner

Die niederländische Großgärtnerei Hendriks Gras hat den Scheichs abgesagt. Sie sollten nächstes Jahr das Gras für die WM-Stadien in Katar liefern. Egal wie groß eine Gärtnerei ist – das ist ein fetter Auftrag.

Als sie mitgekriegt haben, dass die WM in Katar bisher 6500 Arbeiter das Leben gekostet hat, haben sie gesagt „Ohne uns.“ Und den Auftrag storniert.

Nun haben die Scheichs ein Problem – anständigen Rasen in der Wüste zu verlegen ist nicht so ganz ohne. Kann nicht jeder.

Und ich feiere die Niederländer.

Nachdem ein ganzer Schwung deutscher „Influencer“ nach Dubai ausgewandert ist – weil sie da wie die Made im Speck leben, solange sie den Deutschen erklären, wie doll es da ist – und jetzt dann doch langsam ein kleines bisschen Gegenwind kriegen, die nächste Nummer, bei der jemand anfängt seinen Moralkompass neu zu justieren.

Und wir reden jetzt noch gar nicht über die Tatsache, dass die Provisionsgeschäfte im Bundestag auf einmal -trotz Maske – anfangen streng zu riechen.

In der Kamerabranche sind einige Hersteller auch schon auf den Trichter gekommen, dass Journalisten, die man schmieren muss, damit sie berichten, langfristig ihr Geld nicht wert sind. Und Lego stellt gerade fest, was das „#Internet“ so ist – und dass man nicht gegen seine Kunden gewinnen kann.

OMDS hat das Visionary-Programm mit Wirkung zum 1.1. eingestellt und nun versuchen die nationalen OMDS-Abteilungen mit „verschiedenen kleinen Projekten“ die Influencer bei Laune zu halten. Solche Projekte sehen normalerweise so aus, dass Olympus eine Leistung anfordert, die dann erbracht und anschließend in Rechnung gestellt wird. Für einige Visionaries war das mehr als nur ein Zubrot. Das war übrigens üblich in der Branche. Auch ich habe seinerzeit meine Einsätze für Olympus bezahlt bekommen. Für die Dokumentation des Events „Fit for Future“ 2015, habe ich von Olympus 300 Euro bekommen – zzgl 75 Euro Märchensteuer. (Meine Bilder, die damals in der Ausstellung hingen, Stückpreis 300 Euro, sind allerdings nach der Ausstellung spurlos verschwunden, nach drei Jahren habe ich aufgegeben, danach – oder alternativ nach dem Geld – zu suchen.) Bei der Dokumentation war auch die Begleitung der Preisträger über mehrere Tage, die Filmerei, der Schnitt dabei. (Ein Visionary, der was auf sich hält, kriegt für einen einstündigen Talk über seine Arbeit 250 Euro. Aber mir ging es damals um die Sache – und ich war ja nie Visionary. )

Die Zukunft der Wirtschaft bedeutet Transparenz. Die Zeiten, in denen man Sklaven ausgebeutet und Journalisten bestochen hat, sind langsam vorbei. Solche Geschäftskonzepte tragen nicht langfristig. Genausowenig wie Geschäftskonzepte tragen, die auf Fanboys aufbauen. Hier erzählt Tommy Krappweis (Bernd das Brot) wie gefährlich das für einen Produzenten ist, wenn er sich nur auf die Echokammer seiner Fancommunity verlässt. Denn die Community ist mächtig, sie kann zerstören, aber sie ist nicht mächtig genug, um eine Firma langfristig am Leben zu halten. Die Anti-Lego-Spendenaktion wird von weniger als 3000 Spendern getragen. Aber mindestens 1,5 Millionen Menschen wissen davon. Keine Firma kann von den fünfzig Fanboys leben, die in allen Foren jedwede Kritik an den Produkten im Keim ersticken. Und wenn sie davon auch noch die Hälfte selber bezahlen müssen, wird es noch schwerer.

Ich habe auch Leute, die meinen Blog und meine Bücher gut finden. Die in meine Seminare gehen, sogar als Wiederholungstäter. Aber ich kann von ihnen nicht leben. Und ich will das auch nicht. Ich bekomme immer wieder die Ansage „Du bist viel zu billig.“ Ja, ich könnte vielleicht mehr verlangen. Und ich hätte damals auch sicher Olympus mehr für meine Tätigkeit in Rechnung stellen können. Aber viel Geld bedeutet auch viel Abhängigkeit. Ich muss meinen Kunden keinen Honig ums Maul schmieren. Ich konnte Olympus sagen, wenn ich Dinge miese fand. Ok, sie haben mich dann nicht mehr engagiert, aber da mir diese Aufträge sowieso immer nur die Unkosten gebracht haben, war mir das piepegal. Meine Seminare sind in der Pandemie komplett ausgefallen. So what? Das war immer nur eine Null-auf-Null-Aktion. Viel Geld macht gierig. Und Gier frisst Hirn.

Man muss auf Geld verzichten können. Denn Rückgrat und Hirn sind wichtiger. Womit wir wieder bei dem niederländischen Gärtner sind. (Und bei Armin vom Titelbild, der sich auch weigert, Steinwüsten anzulegen und lieber weniger verdient, aber sich dafür in den Spiegel kucken kann.)

8 Replies to “Ehrengärtner”

  1. Den Bericht über die Weigerung des Rasenlieferanten habe ich auch gelesen und kann nur den Daumen nach oben. Meine Hochachtung vor dem Gärtner.
    Daumen runter bei den „christlichen“ Politiker bei uns die wegen den Masken eine goldene Nase verdient haben.

  2. Chapeau – so einen Auftrag zu stornieren, das zeugt von Charakter.
    ABER irgendwie beschleicht mich so ein ungutes Gefühl, dass da was mächtig schief gelaufen ist in unserer Gesellschaft, dass wir extra erwähnen müssen, wenn sich ein Mensch/Firma/Institution an moralische Grundsätze hält – sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht mehr…
    Mir ist natürlich auch klar, dass die Zeiten rauher geworden sind und anscheinend andere Regeln gelten aber das mulmige Gefühl bleibt trotzdem.

  3. Hallo Reinhard,
    ich möchte mal freundlich nachfragen, wie es zu dieser Aussage kommt: „OMDS hat das Visionary-Programm mit Wirkung zum 1.1. eingestellt“?
    Mir ist nicht bekannt, dass das Olympus Visionary Programm eingestellt wurde, oder OMDS plant das Programm einzustellen.
    Vielleicht hast Du ja Informationen, über die ich (noch) nicht verfüge, aber als Olympus Visionary müsste ich doch wissen wenn das Programm eingestellt wurde. Wäre nett, wenn Du uns mal die Quelle nennst von der Du diese Information hast.

    Mit freundlichen Grüßen
    Jörg Steinborn-Flügger „Olympus Visionary“

    1. Das Visionary-Programm wird von den einzelnen Orgas unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Abteilungen, die das Programm „nahtlos“ weiterführen oder es zumindest wollen oder die das Programm abspecken. Das ist aber alles derzeit im Umbruch. Wenn der Umbruch bei Dir noch nicht angekommen ist – super für Dich.

  4. Schön, dass es noch Firmen gibt, die nicht jeden Auftrag zu jedem Preis durchführen. Leider viel zu wenige, die sich über moralische Verpflichtung Gedanken machen.
    Hut ab, wenn da trotzdem wer aus der Reihe tanzt.

  5. Gute Aktion der niederländischen Gärtner. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten wie viele von “uns” Gedenkminuten für die Toten vor den Fussballspielen abhalten, oder das Spektakel ganz boykottieren.
    Wer genauer darüber nachdenkt, oder sich informiert wird feststellen daß die Toten leider auch nur die Spitze des Eisberges der Unmenschlichkeit sind und das nicht nur die Stadien in Doha vollständig von Arbeitern, gehalten in moderner Sklaverei, errichtet wurden.

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