Bildergeschichte I

Seit einiger Zeit ist auf den Blogs Sauere-Gurkenzeit. Die Gerüchteküche ist ruhig, die E-M5III auf dem Markt, die ersten Videos mit „den besten Einstellungen für die E-M5III“ sind draußen. (Sorry Leute, ich habe zwar ein Grundeinstellungskapitel in jedem meiner Kamerabücher drin, aber da geht’s darum, Rauschunterdrückung auszuschalten, oder den Dateiname von Reset auf Auto zu stellen. Ich habe da ein Video gesehen, in dem an der Kamera rumgestellt wird, als gäbe es kein Morgen. Vielleicht sollte ich meine Bücher mal ins Finnische übersetzen lassen, um da vielleicht die eine oder andere Lücke im technischen Verständnis der Kamera zu schließen.)

Ich könnte mich dem Trend anschließen und jetzt alte Hardware rauskramen und drüber „berichten“. (Das dient ja oft nur dazu, Affiliate-Links zu promoten.) Aber ich denke, ich mach das anders. Ich werde jetzt immer dann, wenn ich gerade nichts habe, worüber ich mich aufregen muss, ein oder zwei Bilder rauskramen und einfach ein bisschen Hintergrund dazu erzählen. Warum ich das Bild genau so und nicht anders gemacht habe. Wie immer werden diese Bilder ohne Bildbearbeitung auskommen.

Das oben ist die Markthalle in Vézelise. Holz, 16 Jhd. Auf den Fotos wirkt die Halle immer riesig, wenn man aber davor steht fällt einem auf, dass es wohl im Mittelalter in so einem Provinzdorf halt doch nur ein Dutzend größere Marktstände gegeben hat und entsprechend groß ist die Halle. Etwa 30 Meter lang, 12 Meter breit. 360 qm überdachte Fläche.

Als ersten Versuch habe ich das Standardzoom gegen das Fishcap getauscht. Damit wurde die Halle natürlich deutlich größer, aber so wirklich spektakulär war das immer noch nicht, vor allem, weil die ganzen Stützen einen Eindruck von „Raum“ verhinderten. Also habe ich mich an Regel Nummer 1 zum Thema „Weitwinkel“ erinnert, dass man ein Motiv im Vordergrund braucht. Die Stützen waren als Motiv ungeeignet- hinter jeder Stütze fing langweiliger Raum an und dahinter hatte ich wieder ein Stützen- und Linienwirrwar – abgesehen davon, dass natürlich die Stütze links dann doch etwas gebogen wurde und die ganze Halle nach rechts stürzt, wenn man nicht zentriert fotografiert.

Also bin ich nach draußen gegangen, da hingen Blumenkörbe. Der Fisheye-Effekt war stark reduziert, weil ich die einzige wirklich von unten nach oben laufende Linie auf die Drittellinie geschoben habe und die Dachkante durch die drunterhängenden Blumen aus der Aufmerksamkeit geschubst wurde.

Mit der PEN-F habe ich die Holzkonstruktion und die Töpfe etwas entsättigt, dafür die Pflanzen und Blumen verstärkt. Etwas noch die Lichter angehoben, so dass die Häuser auf der anderen Straßenseite heller wurden. Das größte Problem war dann, ohne Leiter nah genug an die Töpfe ranzukommen – die ziemlich hoch hängen – und dann die Kamera noch so genau zu justieren, dass nicht alles durch die Gegend kippte. Ein schwenkbares Display ist da eine Bank.

Warum ich das Bild so gemacht habe? Vézelise ist ein deprimierendes Dorf. Heruntergekommen, leere Läden, leere Straßen, leer Häuser. Die einzige Touristenattraktion ist diese Halle, sogar die Kirche ist geschlossen. Und hier hängen so ziemlich die einzigen Blumen im ganzen Dorf, außerhalb der Verkehrsschilder die einzigen Farbflecke.

Eigentlich sollte man in dieser Markthalle ein Dutzend Nonnen oder Witwen versammeln und mittendrin einen Clown mit roter Nase. Da bräuchte man gar keinen Colorkey.

Leider hatte ich nur die Blumenpötte, die die Rolle des Clowns spielen konnten.

2 Replies to “Bildergeschichte I”

  1. Ist das zweite Bild (s/w) der erste Versuch? Gefällt mir spontan besser als das obere Bild. Ich finde, das vermittelt auch mehr Eindruck von einem Raum in der Halle.

    1. Ja, das verstehe ich. Das zweite Bild entspricht mehr der normalen Erwartungshaltung. Die b/w – Gestaltung und der Fish-Eye-Effekt machen das Bild eher zum Hingucker. Aber ich wollte in dem Fall versuchen, die Dinge, die mir wichtig waren, herauszuarbeiten – ganz ohne Rücksicht auf eventuelle spätere Betrachter. Durch die dezente Korrektur in der PEN-F sieht das Bild auf den ersten Blick „natürlich“ – und damit unspektakulär aus. Klar – ich hätte auch ein paar Studioshots oder Modelfotografien als erstes Bild nehmen können. Spektakulärer. Aber ich wollte eben mal so – des Menschen Wille ist sein Himmelreich… 😉

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