Im Schatten…

Acht Monate habe ich nun an einer Sache recherchiert, von der ich eine Zeit lang dachte, dass sie die Kamerabranche auf den Kopf stellen würde.

So kann man sich irren. Im Endeffekt ist es einfach ein bisschen simple Physik, nix Neues. Aber trotzdem sind die Effekte verblüffend und die Hersteller betreiben ziemlich viel Aufwand, um die Kunden von den Auswirkungen dieser Physik fernzuhalten.

Um was geht es?

Je lichtstärker ein Objektiv ist, desto stärker schlägt die Abdunklung am Rand zu. Das geht so weit, dass die Abdunklung so viel Licht frisst, wie das Aufblenden bringen müsste. Sprich: Durch das Aufblenden wird das Bild nicht heller. Dieses Problem kann man lösen, indem man die Frontlinse größer macht und mehr Glas verbaut. Viel mehr Glas. Viel mehr Gewicht. Viel mehr teuer.

Oder indem man diese Randabdunklung digital rausrechnet, sprich, das Bild digital aufhellt. Weniger Glas, weniger Gewicht, billiger.

Dabei geht es etwa um 0,7 Blenden, die aufgehellt werden, das kann man bei heutigen Sensoren und 12bit-RAWs problemlos bis etwa ISO 800 ohne Qualitätsverlust machen. Also wird das auch gemacht.

So simpel sich das jetzt anhört, bis ich da dahintergekommen bin, hat es etwas gedauert. Und immerhin bin ich mit meiner Begriffstutzigkeit in illustrer Gesellschaft: DXO ist bei seinen Transmissionstests in die gleiche Falle getappt – da die die Transmission nicht optisch messen, sondern erst nach dem Sensor, also im RAW, kriegen die vom Bildprozessor auch nur aufgehübschte Daten vorgesetzt.

Dieses Randabschattungsproblem haben, da Physik, alle Objektive und alle Hersteller. Die Strategien, damit umzugehen, sind höchst unterschiedlich und auch unterschiedlich erfolgreich. Im Endeffekt bleibt aber immer ein Rauschzuwachs in den aufgehellten Bereichen. Eine Rauschmessung an einer Kamera ist also schon rein prinzipiell fragwürdig, Vergleichsmessungen sind es noch mehr. Denn, und das ist eine der wichtigsten Ergebnisse: jede Generation Kameras hat eine ausgefinkeltere Randschattenkompensation – und da ist nicht das gemeint, was man im Menü abschalten kann – und seit einigen Jahren auch tunlichst abgeschaltet lassen sollte. Um also Rauschtests oder gar Vergleiche zwischen Sensoren zu machen, benötigt man ein Objektiv, bei dem es keine Randschattenkompensation gibt und braucht. Ein mechanisches Objektiv? Es gibt Kamerahersteller, die aufgrund der eingegebenen Brennweite das Objektiv identifizieren können und dann eine passende Aufhellungskurve einsetzen. Und es gibt sogar eine Standardkurve, die angewendet wird, wenn nichts anderes bekannt ist.

Also: wenn der eine über heftiges Rauschen an seiner Kamera klagt und der andere sagt, er hat keine Probleme, dann liegt es vielleicht an der verwendeten Blende.

Dass die Hersteller die ganzen Objektive per Software bereits vor dem RAW aufhellen, kann man finden, wie man will, der Bildqualität tut das gut, die Alternative sind eben mehr Glas und mehr große Scheine, die man auf den Tisch legen muss. Und jede neue Kamera macht das besser.

Ich habe zu diesem Thema mal wieder ein oly-e-paper geschrieben, in dem meine Testmethoden und eine kurze Anleitung zum Nachvollziehen drinstehen. Runterladen kann man es wie immer auf oly-e.de.

17 Replies to “Im Schatten…”

  1. Da hast du ja einen enormen Aufwand betrieben um der Sache auf den Grund zu gehen.
    Danke das du uns deine Erkenntnisse zur Verfügung stellst.
    Da können dann auch die Ergebnisse von ISO-Testreihen, mit unterschiedlichen Objektiven und Blendeneinstellungen, nicht einfach so verglichen werden, weil man gar nicht nachvollziehen kann was die jeweilige Kamera so korrigiert. Das verliert auch so manch anderer Test seine Aussagekraft.
    Ich bin ja sowieso kein großer Freund von Tests und probiere das lieber im Fotoaltag selber aus.
    Die Ergebnisse deiner Recherche sind auf alle Fälle sehr erhellend.
    Danke!

  2. Der Grund, warum ich immer innerlich lächle, wenn zum Beispiel jemand vom suuperlichtstarken Obi für AVL schwärmt. Die Schärfentiefe wird noch geringer, der AF ist im Dunkeln eh schon am Schwitzen. Von der 1,0er Blende bleiben in der Bildmitte T1,3 o.ä. am Rand ist es richtig dunkel. Aber Hauptsache ein geiles, großes, teures Obi vorn drauf, vor dem Klapperspiegel, der bei leisen Stellen nervt.

    Heute Abend mach ich wieder ganz unspektakulär mit Blende 2 Bilder im Club. Mit dem, 35-100 und dem 14.35.

  3. Danke für die spannende Lektüre!

    Apropos Lek … der Lektor hat versagt :-). Zitat: „Wenn man also 100mm Brennweite und 100m Durchmesser der Eingangspupille hat, dann hat man ein Objektiv der Lichtstärke 1.“

    Wer findet den Fehler 🙂

  4. Hallo Reinhard, danke fürs Teilen Deiner Recherche!
    Habe mir das e-paper gerne herunter geladen und mit großem Interesse gelesen.
    Tolle, sehr aufschlussreiche Arbeit!
    Gruß, Manfred

  5. Danke Reinhard, sehr, sehr aufschlussreich und wie immer auch für Laien verständlich beschrieben.

    Diese Thematik, also Randaufhellung noch vor der RAW-Aufzeichnung, Micro-lens-Shifting etc, wird übrigens von Hr. Uschold (den du ja in deinem Vorwort auch erwähnst) auch sehr gut in der „Objektivreihe“ bei Krolop und Gerst erklärt.

  6. Vielen Dank Reinhard für Deine Mühe und dafür dass Du das hier teilst!

    Wenn man also weniger Rauschen haben möchte muss man abblenden und wenn man exakt eingestellte Parameter (Werte) haben will, sollte man in M fotografieren, wobei auch das kein Allheilmittel ist. Auf jeden Fall lohnt es sich wohl trotz allem, in Pro Objektive zu investieren, da man sich dort, so die Hoffnung, auf Grund des Budgets noch die meiste Mühe gegeben hat, alles im Rahen zu halten.

    Fast könnte man ja den Eindruck gewinnen, es ist wie bei Damenoberbekleidung, da wird ja auch eine Größe 36 hineingenäht obwohl das Wäschestück Größer ist…

    Bis bald Torsten

    1. Es gibt kein Allheilmittel. Wenn es stockdunkel ist, muss man die ISO hochdrehen und die Blende aufmachen. Aber wenn es wirklich nur darum geht, dass es einfach nur dunkel ist, kann man auch bei f/1,4 bleiben. f/1,2 ist dann interessant, wenn genug Licht da ist, man bei ISO 800 oder darunter bleiben kann und man Bokeh und Freistellung haben will. That’s all.
      Und nein, der Eindruck täuscht. Kein Etikettenschwindel. Es ist f/1,2 – nur dass f/1,2 eben nur bedeutet, dass die Eintrittspupille entsprechend groß ist- nicht wie viel Gesamtlicht da auch tatsächlich hinten rauskommt. Ist wie beim Gartenschlauch. Du hast eine tolle Wasserpumpe am Wasserfass – und dann schließt Du 30m Gartenschlauch an und am Schlauchende kommt nur ein müdes Rinnsal raus. Mit 10 m Gartenschlauch ist das prima – aber damit kommst Du halt nicht ans Ende vom Garten.

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