Inside Berlebach

Im Augenblick findet mal wieder das „große“ Oly-Usertreffen statt, diesmal in Waltersdorf in der Lausitz, im Dreiländereck Deutschland/Polen/Tschechien. Auf der Fahrt dorthin kommt man, wenn man aus Süden oder Westen kommt, fast zwangsläufig an Chemnitz vorbei – und von dort ist es nicht mehr weit nach Mulda. Seit fast einem halben Jahr habe ich Herrn Fleischer von Berlebach jedesmal, wenn ich ihn gesehen habe, gelöchert, ob ich mal mit einer Horde Fotografen bei ihm aufschlagen darf. Und vorgestern war es dann so weit. Nach wilder Kurbelei durch verschneite Landschaft (kein Witz!) kamen wir in der Mittagspause in Mulda an. Unser erster Ortstermin war die Metallfertigung.

Das oben sind die Klemmmuttern, die von unten an die Wechseleinheiten im Stativkopf geschraubt werden. Wer noch ein altes Berlebach hat: Vor ein paar Jahren hat Berlebach das Kopfsystem umgestellt, so dass jetzt jederzeit jedes Stativ simpel per Wechsel des Kopfeinsatzes eine Mittelsäule, eine Panoplatte oder etwas anderes eingesetzt bekommen kann. Diese Dinger sind ein Teil dieses Systems.
Eine der wesentlichen Unterschiede von Berlebach zu anderen Firmen der Fotobranche ist die unglaubliche Fertigungstiefe – 90% aller Tätigkeiten, die für die Herstellung eines Stativs nötig sind, werden hier in Mulda erledigt. Die Berlebach-Stativköpfe werden tatsächlich hier gefertigt:

Und zwar komplett. Der Maschinenpark ist teilweise noch aus den Zeiten als Berlebach mal VEB Foto-Kino Mulda hieß.

Klar – als Fotografen sind wir natürlich vor allem über die älteren Maschinen her:

Hier eine russische Ständerbohrmaschine. Die hochmodernen CNC-Fräsen stehen da natürlich auch – aber wie Herr Fleischer, Chef von Berlebach, uns erklärt hat – was grün ist, ist noch aus der VEB-Zeit. Die Maschinen sind für die Ewigkeit gebaut – und selbst wenn da mal was kaputt geht, kann man es problemlos reparieren. Bei Berlebach ist man generell ziemlich schmerzbefreit, was Äußerlichkeiten angeht.

Hier erklärt uns der Chef und Inhaber von Berlebach, Herr Fleischer im blauen Laborkittel, wie die Qualitätskontrolle bei den Stativbeinen funktioniert. Anzugträger haben wir bei Berlebach keine gesehen. Prinzip ist: „Produktion und Qualität haben Vorrang“. Diese recht antike Philosophie hat ein paar interessante Ergebnisse: Im Sozialraum gibt es weder Wellness noch Loungebereich. Aber dafür einen langen Tisch, an dem gemeinsam Mittag gemacht wird. Und wenn die Mittagspause rum ist, dann ist der gleiche Raum auch dafür da, solche Gestalten wie uns zu empfangen und Geschäftskram zu besprechen. Die Stimmung im Betrieb ist – wie soll man sie beschreiben – wohltuend. Es wird gearbeitet. Konzentriert. Aber nicht verkniffen, sondern selbstbewusst. Die Leute sind teilweise seit einem Vierteljahrhundert und länger im Betrieb – es ist ein Haufen von 14 Verrückten, die beschlossen haben, gemeinsam Produkte für andere Verrückte zu bauen. Für Leute, die sich genausowenig mit halbseidenen Dingen abgeben, wie sie selbst. Und sie haben einen erstklassigen Kaffee in der Kantine.

Die Stativbeine kommen als 5 Meter lange Eschebohlen von etwa 7 Zentimeter Dicke bei Berlebach an. Was die beiden in der Holzwerkstatt da in der Hand haben, sind Stativbeinteile für Reportstative – quasi das, was von der Bohle übriggeblieben ist, nachdem Rinde und das unbrauchbare Kernholz in Richtung Holzheizung abgewandert sind. Trotzdem schaffen es von diesen bereits gefrästen Teilen bei weitem nicht alle in ein Stativ. Äste und Verwerfungen werden gnadenlos aussortiert – das könnte sich beim Gebrauch verziehen. Pfusch gibt’s nicht. Berlebach-Stative werden nicht deckend lackiert – Murks würde sofort auffallen.

Endmontage von Astro-Stativen. Was ich hier nicht gezeigt habe, sind die tausend kleinen, genialen Zubehörteilchen, die sich Berlebach rund um seine Stative hat einfallen lassen. Was mich sehr begeistert hat, war der MonkeyGrip. Das ist eine Klemme mit einem Stativteller auf einem Ausleger, den man höchst simpel an ein Report klemmen kann, wo man dann entweder eine zweite Kamera draufschrauben kann, oder einen PCM-Recorder oder einen Blitz oder was auch immer. Ich habe dafür bisher immer ein Gorillapod genommen und kam mir ziemlich schlau vor – der MonkeyGrip ist da eine andere Hausnummer.
Überhaupt vielleicht noch ein Wort: Die Leute bei Berlebach sind seltsamen Ideen gegenüber extrem aufgeschlossen. Es gibt für das Zuiko 90-250 einen  Ersatz für den unteren Teil der Stativschelle, so dass der Hebel, den das Objektiv nach oben hat, kürzer wird – und dass das 90-250 direkt in eine Arca-Suiss-Klemmung passt. Kleines Teil, große Wirkung. Wer jemals mit einer solchen Tüte auf einem Kopf gearbeitet hat, ist froh für jeden Zentimeter, den das Objektiv tiefer kommt – die gesamte Kombination wird stabiler, weil die Masse dann näher am Drehpunkt des Kopfes konzentriert ist. Man merkt es einfach, dass Herr Fleischer seit über einem halben Jahrhundert mit Fotografen  – und zwar mit denen von der extremen Sorte – zu tun hat

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