Die E-M1 – der Weltenwanderer.

Seit Wochen sind die einschlägigen Gerüchteküchen übergelaufen und unsereiner saß vor dem Computer, mit vielen, tollen Infos, die ich doch so gerne fast als erster veröffentlicht hätte. Aber nein, ein paar Journalistenkollegen konnten es sich nicht verkneifen, als “vertrauenswürdige Quelle” erwähnt zu werden und haben Specs und Bilder “geleakt” und der Abschuss war das lausige Video von engadget, das die Jungs in USA mal schnell auf Vorrat auf ihren Server gesetzt haben,damit sie zum OPR nur noch eine Taste drücken müssen…OPR ist der Termin, zu dem dann offiziell “nach draußen” gegangen werden darf, und der jetzt, da das hier öffentlich zu lesen ist, auch vorbei ist.

Im Endeffekt ist es aber E-Egal, schließlich kriege ich für meine Bloggerei von Olympus keinen Cent, und da spielt es keine Rolle, ob meine Infos schon wer anders gepostet hat – im Gegenteil, ich erspare mir die ermüdende Spec-Aufzählerei.

Ich kann also einfach ein bisschen davon erzählen, was diese Kamera bei mir ausgelöst hat, als ich sie da im Flughafen in München für eine halbe Stunde in die Hand bekommen habe. Das erste  Gefühl war: geht gar nicht – und zwar die Handschlaufe. Angepriesen als ultimatives Gadget – genauso wie die neue Tasche mit 60 Verkaufsargumenten – kriege ich mit der Handschlaufe den Finger nicht auf den Auslöser. Also eine Kamera ohne Handschlaufe, dafür mit Batteriegriff geschnappt und extra alles drangeflanscht, was meine Fototasche hergegeben hat: das 50-500er Bigma, das 35-100er, das 150er. Denn was hat nicht Nils Häussler bei der Präsentation der Kamera getrommelt, der Autofokus mit FT-Optiken wäre so toll.

Also da oben die E-M1 mit dem ehrwürdigen Bigma.

Der Autofokus ist wirklich so schnell. Ich habe extra meine E-5 mitgeschleppt um direkt vor Ort Vergleiche machen zu können. Der normale AF ist einen Kick schneller als bei der E-5, er ist vor allem exakter. Und der C-AF ist die Schau. 6,5 fps mit vollem C-AF. Das kann die E-5 nicht. Und das ist kein Werbegedöns – ich hab’s mit dem 50-500 ausprobiert. Klappt. Und mit den mFT-Objektiven klappt das mit dem C-AF jetzt auch. (Auch wenn ich da schon bei der E-P5 kaum Grund zur Klage mehr hatte.)

Die Kamera hat die Räder an der richtigen Stelle, das Moduswahlrad ist wieder, wie bei der E-1, gegen Verdrehen gesichert, sie hat ausreichend Tasten an den richtigen Stellen und an anderen richtigen Stellen keine. Man kann sie anfassen und sofort damit arbeiten. Die automatische Umschaltung von Display auf Sucher geht ratz-fatz ohne Verzögerung, die Kamera ist schnell, noch schneller. Vor dem Fenster flog ein startender Learjet vorbei, vielleicht zwei Sekunden sichtbar. Das reichte, um den Jet mit dem 35-100 knackscharf zu erwischen – obwohl die Kamera vorher im Raum fokussiert hatte und ich auf den Jet nicht vorbereitet war.

Das waren so die Optiken, die Olympus so zum Testen zur Verfügung gestellt hat. Aber ich habe dann gleich mal mit den großen Tüten ausprobiert. Schließlich arbeite ich ja dann auch später damit. (Außerdem weiß ich, wenn es mit dem 35-100 einwandfrei geht, dann geht es mit allen Optiken.)

Der direkte Vergleich E-1, E-3 und E-M1, ich hatte alle drei Kameras nebeneinander, war eindeutig: die E-M1 ist eine Mischung aus E-1 und E-M5. Eine erstklassige Mischung. Man gibt sie außerordentlich ungern wieder aus der Hand. Ich empfehle allen, denen der Preis zu hoch ist, sich die Kamera völlig aus dem Kopf zu schlagen. Nicht anfassen, nicht dran denken.

Für mich persönlich ist diese Kamera ein Problem. Sie hat so wenige Grenzen, dass ich sie vermutlich nie ganz ausreizen kann. Ich bin als Fotograf einfach zu schlecht. Aber was mache ich, wenn Olympus den Nachfolger herausbringt…….?

Na, zurück zu den technischen Dingen:

Was auch schon bekannt ist: die E-M1 hat keinen AA-Filter mehr. Die Bilder, selbst aus dem bekanntermaßen offenblende suboptimalen Bigma sind klar besser als aus der E-5 oder aus der E-M5.
Und der Sensor: nein, er ist kein aufgebohrter E-M5-Sensor, sondern eine komplette Neuentwicklung.

Was gibt’s sonst noch an Neuigkeiten: die neue WIFI-Steuerung ist ja schon bekannt – das geht jetzt auch in A, P, S und M. Wirklich geil ist aber – das funktioniert auch bei LiveTime. Und zwar mit der Livebildübertragung. Nix mehr mit Hintern abfrieren draußen am Stativ. Jetzt kann man sich ins warme Wohnmobil setzen und gemütlich Sternschnuppen und Gewitter fotografieren und währenddessen einen heißen Tee schlürfen.

Neu, das 12-40, wegen dem ich dann doch meinen Mund nicht halten konnte – und im Forum losgelassen habe, dass die Leute doch bitte die Anschaffung eines 12-35 von Panasonic nochmal genau überdenken sollen. Das 12-40 wird von Olympus auf einer “TopPro”-Schiene geratet – oberhalb des 75er und des 60ers, die eigentlich problemlos alles andere auf mFT-Ebene in Grund und Boden abbilden. Also auf einer Ebene mit dem legendären 14-35. Da ich letzteres schon habe, habe ich auf das 12-40 nur einen kurzen Blick geworfen. Der umschaltbare mechanische Fokusring, AF gewohnt schnell, Streulichtblende wird mitgeliefert. Über die Bildqualität kann man dann streiten, wenn man Fotos aus dem Objektiv mitnehmen darf. Der Preis: passt – vor allem im Kit mit der E-M1.

Die aktuelle mFT/FT-Lenschart.

Eine kleine Hintergrundstory: Olympus hat in den letzten Jahren zwei Kameras entwickelt: die “E-7” mit Spiegel und die E-M1 ohne Spiegel. Beide waren an die gleichen Kunden gerichtet: FT-User. Schließlich hat man die beiden Kameras nebeneinander gestellt und sich gefragt – welche ist nun die bessere Kamera? Und dann hat man festgestellt, dass die E-7 die gleiche Bildqualität wie die E-M1 liefert, genauso dicht ist – aber nicht so klein und leicht gebaut werden kann, der klapperige Spiegel die Geschwindigkeit bremst und der optische Sucher einfach nie so groß und hell wie ein elektronischer Sucher gebaut werden kann. Also haben sie mit dem E-7-Prototypen schließlich die DSLR-Sparte begraben. RIP. (Nur zur Erklärung, warum es in den letzten beiden Jahren dauernd Gerüchte über eine Fortsetzung der DSLR-Sparte gab. Man entwickelte eben tatsächlich beide.)

So hat die E-7 ausgekuckt.

Wer also partout auf das Spiegelklappern steht, der möge seine E-5 hegen und pflegen. Sie ist die letzte ihrer Art.  Ich bin da etwas leidenschaftslos – nachdem ich die neue in der Hand hatte, habe ich sie sofort bestellt und ich bin mir ziemlich sicher, dass die E-5 sich in der Vitrine zu E-1 und E-3 gesellen wird. Alles feine Kameras – aber ich freue mich auf den schnellen, exakten AF der E-M1, die kristallklaren Bilder, das CA-freie Fisheye, den zentralen Diorama-Filter, und das neue Feature, den Color Creator. Bei dem man einen völlig eigenen Farbstyle in der Kamera erzeugen und als MyMode abspeichern kann. Artfilter im Eigenbau sozusagen.

Die Kamera hat einen riesigen Puffer – 40 RAWs in Folge bei voller Geschwindigkeit von 10fps. Extrem fein. Dazu kann man nun TimeLaps mit 999 Bildern machen. Die Kamera hat, wie die E-5, einen eigenen Audio-Eingang. Und in Sachen HighISO haben sie die Farben verbessert. Nicht dass ich jetzt bei der E-M5 jemals produktiv über ISO 3200 hinausgehen musste (nicht mit TopPros vornedran) aber das Bessere ist halt der Feind des Guten….
Überhaupt schraubt der neue Bildprozessor nochmal in den feinen Details. Er hat eine blendenabhängige Schärfung drin, um Beugungseffekte zu minimieren. CAs werden aufgrund einer Objektivdatenbank entfernt.
Und auch der Sucher ist nochmal verbessert worden: da drin werkelt jetzt eine adaptive Umgebungslichterkennung. Die stellt das Motiv so dar, wie man es auch sieht, also mit dem natürlichen Lichteindruck. Ein Art Mischung zwischen den Vorteilen des optischen Suchers und denen des bisherigen elektronischen Suchers. Kann man aber abschalten, wie man ja auch bisher die LV-Erweiterung abschalten konnte.
Der Stabi: Da haben sie nochmal zugelegt. 500mm Freihand ist eine Ansage – kein Problem mit dem Stabi. War der Stabi der E-M5 schon verblüffend, der Wackeldackel in der E-M1 legt da noch mal ein Pfund drauf. Die längste Brennweite, die verfügbar ist, zum Test mitbringen – und am besten die E-5 oder irgendwas anderes als Vergleich.
Und der nächste Winter kommt bestimmt: die E-M1 ist als erste Oly auf -10° spezifiziert. Interessanterweise sind das alle (!) FT-Objektive schon seit Jahren. Also: wer finanziert mir im Winter ein Snowboardshooting?
Ach ja: nun gibt es HDRs auch direkt aus der Kamera, bereits fertig gemappt in zwei gewünschten Geschmacksrichtungen. Das habe ich noch nicht ausprobiert – dazu war die Zeit zu kurz, aber das werde ich nachholen…

Das neue HDR-Feature

Ausblick: und ein 40-150 f/2,8 kommt. Was mich in Gewissenskonflikte stürzt. Denn eigentlich habe ich mein geliebtes 50-200, das an der Kamera wunderbar läuft. Aber ein Objektiv mit TopPro-Qualität mit 40-150…

Update:
MingThein durfte die Kamera länger als eine halbe Stunde in die Hand nehmen. Er schreibt auf Englisch. Und man fasst es nicht: er beschwert sich, dass die Kamera einen Zentimeter größer ist als die E-M5. Hey – an die Kamera gehören die großen Tüten! Im Vergleich zur E-5 ist sie immer noch schlank. Und  – o weia – gleichzeitig mault er “Das ist ‘ne Pro-Kamera, was haben da die Artfilter auf dem Mode-Dial zu suchen?”. Ming: a) arbeite damit, dann weißt Du’s. und b) kannst du das natürlich auf einen MyMode legen, wenn Du lustig bist.
Was mich aber wirklich erschüttert hat: er sieht FT-Glas-Bedarf nur bei 50-200, 150er, 90-250 und 300er. Ansonsten gebe es leichteres und kleineres bei mFT. Weia. Wo gibt es ein 12-60 für mFT? Ein 11-22? Ein 7-14 in dieser Qualität? Ein 35-100? Nichtmal ein 14-54 sehe ich irgendwo….

Update 2:
Irgendein Witzbold hat meinen Text ins Englische übersetzt und bei Ming als Kommentar gepostet, mit der Bemerkung, ich würde einen “Bitchfight” starten. Wenn mich meine Englischkenntnisse nicht im Stich lassen, ist das ein “Zickenkrieg”. Ming hat daraufhin erklärt, das sei unter seinem Niveau, weil ich ja nicht mal ein anständiges Produktfoto zuwege bringen würde und mir einbilde, einen “Review” machen zu dürfen. OK – das Foto ist kein Hochgenuss. Aber da Olympus jede Menge tolle Produktfotos gemacht hat, die man überall bewundern kann – warum soll ich die wenige Zeit, die ich mit der Kamera habe, in etwas stecken, das jemand anderes mit besserem Equipment und Ruhe besser kann? Ich habe das gesehen, dass andere da eine Art Ministudio aufbauen und die Kamera knipsen. Ich habe lieber den AF mit mehreren FT-Gläsern ausprobiert – weil das die Leute im Forum von mir erwarten – dass ich weiß, wie die Kamera arbeitet – nicht wie man sie fotografiert. Dass ich das auch kann, habe ich schon ausreichend bewiesen.
Zurück zum Zickenkrieg: Argumente werden ganz offensichtlich heutzutage stark überbewertet…..

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