FunFacts: der erfolgreichste deutsche YouTube-Kanal ist “HaerteTest” mit 19,5 Millionen Abonnenten. In dem Kanal fahren Leute mit einem Auto über Dinge (Wassermelonen, Coladosen, Nudeln, Luftballons). Die erfolgreichste Social-Media-Tante ist Charli D’Amelio, 16, und hat innerhalb von eineinhalb Jahren 100 Millionen Follower bei TikTok erreicht – indem sie in ihrem Wohnzimmer täglich kurze Sequenzen tanzt.

FunFact Teil zwei: Damit Du bei Insta was wirst, musst Du drei Feed-Postings, zehn Stories, sieben Reels und drei Insta-TV-Beiträge pro Woche machen. Inhalt ist Shitegal – den kann der Algorithmus nicht beurteilen.

FunFact Teil drei: Twitter und Instagram sind “Micro-blogging” Plattformen. Man bloggt nicht mehr in mehr oder weniger langen Texten, sondern in Bildern und Stummelsätzen.

Ich blogge seit Januar 2006, damals unter Pseudonym, wer ein bisschen was sehen will, checke mal die Wayback-Machine zu emilule.de (Vielleicht pflege ich all diese Posts mal hier ein – passen ja, auch damals habe ich schon mit Oly fotografiert.) Damals war der Blog von erheblicher lokaler Relevanz, weil ich heiße Eisen angefasst habe. (Und ich hatte ein cooles Scribble-Layout, das wurde dann kurze Zeit drauf für ein paar Monate hip.)

Eine Zeitlang wurden Blogs auch von Firmen zur Unternehmenskommunikation genutzt, mittlerweile hat sich das auf FB, Insta und Twitter verlagert – Microblogging eben. Und man brauchte keine Leute mehr, die lange Texte formulieren können – zwei gerade Sätze pro Tag reichen völlig aus. Kosten sparen.

Die Blogsphäre in Deutschland ist entsprechend mittlerweile am Hund – die Industrie zahlt nicht mehr. Gerade weil die Influencer auf YouTube, Insta und Co längst professionalisiert sind – da gibt’s Management und die Influencer wissen haarklein, was ein Briefing ist und liefern zuverlässig. Die Blogger sind grauhaarige Personen aus dem letzten Jahrtausend, die einen halben Tag an einem Artikel rummachen und dann auch noch dauernd sowas wie “ich will meine Leser nicht bescheissen” blubbern. Und deswegen wird alle paar Monate von irgendwem ne “Blogparade” ausgerufen. “Kommt raus, zeigt euch, verlinkt euch, wir sind viele!”

Hilft nichts. Die meisten Blogger versuchen mittlerweile ihre Blogs mit einer konzertierten Aktion über Twitter, Insta, LinkedIn und FB zu promoten – für WordPress gibt es sogar Plugins, die die Posts gleich auf SM spiegeln. Und viele Blogger sind vor allem damit beschäftigt, anderen Bloggern Tipps zu geben. Die übliche Perpetuum-Mobile-Nummer. Fotografen leben davon, anderen Fotografen beizubringen wie man Fotografen fotografieren beibringt. (Mach ich ja auch. Ich lebe von meinen Büchern – glücklicherweise, denn mein Fotostudio ist derzeit per Order von König Markus geschlossen.)

Ich promote hier nicht über SM. Man kann den Blog hier über die Uralt-Technik RSS-Feed abonnieren und fertig. Und den RSS habe ich auch noch kastriert, weil RSS-Aggregatoren meine kompletten Posts samt Bildern automatisiert saugen und auf ihre eigenen Seiten stellen. Fand ich nicht nett. Ich mache keine Blogparaden, weil nur die wenigsten Blogs wirklich kontinuierlich Hirnfutter liefern. Die meisten packen dann halt doch Werbung drauf – weil sie von irgendwas leben müssen. Oder erschöpfen sich in Meinungs-Blabla. Recherche ist halt aufwändig. Der vielbeschworene Qualitätsjournalismus kostet eben Zeit. Und Zeit ist Geld und Geld ist Luxus und Luxus kann ich mir nicht leisten…

pen-and-tell ist dafür, dass ich hier eine absolute Nische beliefere – nämlich anspruchsvolle Winzsensorknipser – ziemlich erfolgreich. Ich werde weltweit verlinkt und entfalte sogar Wirkung in chinesischen Cloneklitschen und in Vorstandsetagen japanischer Großkonzerne. In Zeiten, in denen von einem ganzen Kamerasystem – etwa dem L-System von Sigma/Leica/Pana – weltweit nicht mal 30.000 Kameras verkauft werden, sind 3000 User pro Tag auf einer deutschen Website zum Thema FT/mFT nicht unflott. Mittlerweile habe ich fast 10.000 Kunden, die meine PDFs bei sich rumstehen haben – über die 100.000 Franzis-Bücher die ich verkauft habe, reden wir noch gar nicht. Von denen habe ich ja die Adressen nicht…. ;-). Insgesamt habe ich auf meinen Seiten im Monat knapp 2 Millionen Pageviews.

Dazu kommt noch, dass ich viele Leser habe, von denen ich gar nichts mitkriege, weil die über Newsaggregatoren und RSS-Feeds mitlesen. Das merke ich vor allem dann, wenn ich was zu Corona schreibe und die üblichen Schwurbler auf einmal im Kommentarpapierkorb auftauchen. Und wenn sich Hersteller auf einmal beschweren, was diesem Blogger in Deutschland da einfalle, ihr Produkt zu kritisieren. (Ich hab da nen guten Trick für euch: baut bessere Produkte und fragt nicht die Leute, die ihr dafür bezahlt, euch gute Kritiken zu schreiben.)

So bekannt ich vielleicht in der Oly-Szene bin, die meisten Canon-User oder Nichtfotografen, die vielleicht Charli D’Amelio kennen, haben noch nie was von mir gehört.

Geht in Ordnung.

9 Replies to “Blogrelevanz”

  1. Sehr wohltuender Artikel. Ich selbst hatte noch nie etwas mit Fratzenkladde, Insta, Twitter & Co. zu tun. Ich habe nicht das Gefühl, daß mir etwas fehlt …

  2. So, so, wer im Kommentarpapierkorb schreibt ist ein „Schwurbler“.

    Schwurbler sind doch Leute welche Unfug von sich geben, quasi nicht die hellste Kerze auf der Torte sind.

    Was sind dann eigentlich die Leser des Kommentarpapierkorbs?

    1. Lesen muss das der arme Mod…. 😉
      Es geht drum, dass es Leute gibt, die grundsätzlich nur Zeug von sich geben, wegem dem der große Umpf in USA von Twitter gesperrt wurde. Die lasse ich gar nicht erst in die Moderation. Die landen direkt im Papierkorb.

      1. Jetzt habe ich etwas verstanden.
        Die lieber Reinhard vielen Dank dafür.

        Die lesenswerten Antworten landen im „Kommentar“.
        Schwurbel, Schwarbel landet Schwubs im Kommentarpapierkorb, den sich dann niemand antun muß.

        Weiter oben im anspruchsvollen Text steht etwas über „SM“. Auch da hatte ich etwas anderes im Hinterkopf…

        LG Andreas (im Kurzarbeitsmodus)

  3. Hi, Ich habe selber zwei Blogs. Eines für Fachthemen und eines für meine privaten Dinge. Meist einfach nur von mir gemachte Fotos. Beide auch schon über 10 Jahre online. Allerdings bin ich nicht der typische Blogger. Leider, oder vielleicht auch gut so. Schreiben kann ich nicht so gut wie du z.b.. Und meine Zugriffszahlen lagen nie höher als im dreistelligen Bereich/Monat. Das ist OK, ich muss nicht davon leben. Für das private Blog überlege ich schon länger, von WordPress weg, zu einem leichter zu wartenden System zu wechseln. Ich nutze nicht alle Funktionen von WP, lese aber immer wieder, wo ein Bug gefunden wurde. Der Aufwand, das zu warten ist mir zu kostbar. Inzwischen bin ich soweit, komplett weg von einem CMS, hin zu einfachen HTML-Seiten (mit wenig JS) zu gehen. Benutzerverwaltung/Kommentare usw. brauche ich nicht. Was hält mich bisher zurück? Die DSGVO. Selber mag ich die nervenden Banner nicht und wenn man heutzutage mit einer eigenen Präsenz im Netz unterwegs ist, ist die Gefahr groß, dass man da Fehler macht.

    Wenn du sagst und ich zitiere “Blogsphäre in Deutschland ist entsprechend mittlerweile am Hund” kann ich nur hoffen, dass es nur für den Moment ist und die Leute sich irgendwann auf guten Kontent besinnen. Podcasts waren auch mal der große Scheiß (sorry), dann eine Weile weg und kurz vor der Pandemie erhielten sie einen zweiten Frühling.

    Ich konsumiere Blogs ähnlich wie Podcast. Das erste als RSS-Feed in einem Reader und die Audioteile in einer App auf dem Handy. Macht sich gut beim täglichen Spaziergang mit Kopfhörern. Was die Blogs angeht habe ich da eine gute Mischung und im Moment genug Quellen, dass ich mich informiert fühle. Es gehen Tage ins Land, wo ich nie direkt auf eine Webseite surfe, sondern die ganze Zeit im RSS-Reader unterwegs bin. Deshalb hoffe ich, Blogs gehen nicht verloren, sondern räumen sich selber ein wenig auf. 😉

  4. Der größte Vorteil den ich am Blog sehe ist, dass man Informationen wiederfindet. Auch wenn ein Blog kein Wiki ist, aber wenn ich weiß, dass Reinhard mal die E-M1ii mit der E-M5iii verglichen hat, dann finde ich in kurzer Zeit den Betrag dazu.
    Bei Social Media habe ich immer das Gefühl, dass die “Information” nur im Moment der Veröffentlichung relevant ist und dass gar nicht gewünscht ist alten Content zu durchsuchen.

    Ich wollte mir gerade mal Emilule.de auf achive.org anschauen, leider mit mäßigem Erfolg, da ständig irgendwelche Fehlermeldungen und Timeouts.

  5. Nichts gegen RSS und Feed-Reader! Wenn ich zu allen RSS-Feeds, die ich verfolge, die jeweiligen Webseiten besuchen müßte, käme ich zu gar nichts anderem mehr.

    1. Das einzige Problem bei RSS ist, dass es nicht mehr alle anbieten.
      Ich betreibe seit Jahren einen TTRSS-“Server”, um mir interessante Feeds aggregieren zu lassen und dann geräteunabhängig den gleichen Stand (gelesen/ungelesen) zu haben.
      Einziges Problem dabei: Ich bin letzten Sommer von Android auf iOS umgestiegen und habe für iOS noch keinen guten TTRSS Client gefunden – hat da jemand eine Empfehlung?

      1. Ich verstehe, dass Blogautoren RSS abschalten. Da sind die RSS-Aggregatoren wie Bloglovin und ähnliche schuld. Die ziehen sich den gesamten Content inklusive Bilder, und veröffentlichen das auf ihrer eigenen Seite. Samt Kommentarmöglichkeit. Da steppt dann der Bär und ich weiß nichts davon. Für Leute, die von der Werbung auf ihren Seiten leben, ist das ein SuperGAU. Und ich wüsste halt schon gerne, wer meine Bilder und Texte klaut und wozu. Denn dagegen tun kannst Du nichts – es sei denn, Du hast mal schnell richtig Geld auf der hohen Kante, mit dem Du ein amerikanisches Unternehmen wegen Copyrightverletzung verklagen kannst. Auf Mails reagieren die gar nicht.

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