
Rafael Suárez hat auf der Website DroneXL.co einen langen Artikel geschrieben, in dem er sich fragt, ob die bei DJI noch alle Tassen im Schrank haben. Er hat zusammengerechnet, dass DJI seit 2022 im Durchschnitt alle zwei Monate eine neue Drohne auf den Markt gebracht haben. Also eine neue fliegende Kamera.
Er vermutet, das sich DJI darauf vorbereitet, aus dem amerikanischen Markt geworfen zu werden. Denn einige amerikanische Drohnenhersteller setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um die unliebsame Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern – die Patente, die DJI in Amerika hat, sind nichts mehr wert, par ordre de mufti werden sie an die amerikanische Industrie ausgegeben. Wegen die Security und überhaupt. Vastehste? Und wenn die Chinesen klagen wollen, dann sollen se mal.
Tatsächlich kommen ja in den nächsten Monaten weitere Produkte von DJI, nicht nur Drohnen, sondern auch ein Nachfolger für die Osmo Pocket und Action und ein ganzer Schwung anderer Gadgets – hat jemand mitgekriegt, dass DJI E-Bikes baut? Nö? Kuckst Du. Mittlerweile verbauen auch andere diesen Motor in ihren Rädern. EcoFlow hatten wir hier ja schon vor Jahren thematisiert – die haben mittlerweile eine ganze Produktlinie, mit der man sein Haus elektrisch autark machen kann. DJI hat jetzt auf ein paar Geräte von EcoFlow DJI draufgeschrieben und mit Anschlüssen zum Drohnenladen versehen. Und wer denkt, Powerstations, Drohnen, Vloggercams, Actioncams und E-Bikes, das wäre jetzt wohl alles – Ähhh – Nö. Lufttaxis. Und ein ganzer Schwung weiterer Produkte mit und ohne Räder, über die ich noch nicht reden darf. Ach ja, schon von der „Autodrohne“ gehört, die man jetzt zu BYD-Autos dazukaufen kann? Die Überwachung von Flugzeugen auf dem Rollfeld mit eingebauten Kameras, die dann auch noch an das Entertainment-System des Flugzeugs angeschlossen werden können haben wir ja schon angesprochen.
Sind die verrückt?
Nö. Sie haben ne Million 1″-Sensoren gekauft und hauen jetzt Produkte raus. Der Sensor ist das Beste, was der Markt zu bieten hat und solange niemand was vergleichbares hat, machen sie die Konkurrenz schlicht mit den besseren Produkten platt. Da so ein hochmoderner Sensor in 50.000er-Stückzahlen, wie sie für Kompaktkameras derzeit gekauft werden, knapp 70 Dollar kostet, bei ner Million aber weniger als die Hälfte, ist klar, dass eine kleine Firma gar nicht die Möglichkeit hat, da mitzugackern. Ganz abgesehen davon, dass andere Firmen den Sensor noch ne ganze Zeit gar nicht bekommen.
Wenn DJI eine „rugged“ Kamera mit 1″-Sensor und 50MP herstellt, verkauft Pentax von seiner WG80 kein Stück mehr. Dann ist der gesamte Rumpfmarkt für diese Art Kameras platt. Und natürlich kann DJI das. Das ist nicht die Frage, die Frage ist, ob sie das nur aus Mitleid noch nicht gemacht haben. (Oder ob das einfach keine Herausforderung ist. Die neue Action 6 hat einen 1,1″-Sensor, ein f/2,0-Objektiv, kann 8K mit 30fps, kann 4 Stunden filmen, 20m unter Wasser, hat einen Akku mit 2200mAh, arbeitet von -20°C bis +45°C, hat Wifi 2,4GHz und 5 GHz, Bluetooth 5.1, zwei Displays und ist grob 75mm breit und 45mm hoch. Wenn man das in das Gehäuse einer Tough oder WG baut, dann ist das Ding halb leer….)
Viele Hersteller haben sich auf die Fahnen geschrieben „Wir hören auf unsere Kunden! Meldet euch bei uns, wir tun alles für euch!“ und dann müssen Leute bei Change.org um Firmwareupdates betteln. Bei DJI ist das etwas anders. Hat sich jemand gefragt, warum die Mini5Pro 42GB NAND-Speicher drin hat? Der Grund ist simpel: ein User hatte einen Vulkanausbruch gefilmt und 50 Sekunden nachdem der Vulkan so richtig hochgegangen ist, war die Speicherkarte voll. Mit den 42GB wären noch 5 Minuten mehr in höchster Auflösung gegangen.

DJI ist ein chinesischer Konzern. Das bedeutet, dass man dort nur nen Job kriegt, wenn man chinesisch spricht. Ernsthaft. Das chinesische Standpersonal auf der Imaging World war im Wesentlichen mit ihren Handys beschäftigt. Die haben noch weit schlechter Englisch gesprochen als ich. (Und ich bin einiges gewöhnt.) DJI ist auf dem Markt um zu gewinnen. Sie versuchen, mit allen Konkurrenten zusammenzuarbeiten, aber die meisten „Mitbewerber“, vor allem aus Japan, glauben, sie wären als Platzhirsche unangreifbar und lehnen alle Kooperationsangebote ab.
Aber es ist nicht mehr aufzuhalten. DJI hat ausreichend Mittel um Übernahmeangebote abzulehnen. Und sie haben ausreichend Innovationskraft um die westlichen Firmen in Grund und Boden zu entwickeln. Suárez schreibt es: andere Hersteller beschränken ihre Produkte um die höherpreisigen Geräte nicht zu kannibalisieren. DJI packt in jedes Produkt rein, was geht. Und – o Wunder – die Kunden steigen darauf ein.
Nein, DJI ist nicht verrückt. Die haben verstanden, was technischer Fortschritt ist und wie man Innovation verkauft. Viele Hersteller halten einen „Facelift“ für Innovation – weil es Fanboys gibt, die den Mist kaufen, weil sie auf keinen Fall mit dem Vorjahresmodell erwischt werden wollen.
Innovation treibt die Nachfrage. Canon hat seinerzeit mit der 300D eine DSLR unter 1000 Euro auf den Markt gebracht und damit den Markt aufgeräumt. Die E-1 kostete das Dreifache und hatte weniger Pixel. Die deutsche Kameraindustrie ist von den Japanern geplättet worden und jetzt passiert den Japanern das Gleiche durch die Chinesen.
Wenn der Westen die chinesische Konkurrenz aussperrt, wird nur der Konkurrenzdruck beseitigt. Das hatten wir schon mal. Und das Ergebnis waren 65 Jahre Käfer.
Zum Thema Kooperation fällt mir nur ein, wie das aussieht, wenn zwei japanische Hersteller, die immerhin zusammen ein halb-offenes DSLR-System betrieben und zum ersten kommerziellen spiegellosen Kamerasystem weiterentwickelten, es schon ganz am Anfang kaum zwei Jahre lang schafften, auch nur so weit zusammenzuarbeiten, dass zwischen ihren beiden Geräteportfolios keine fürs Publikum völlig unverständlichen Inkompatibilitäten entstanden wären. Und dieser Zustand wurde dann mit dem Übergang ins spiegellose System nicht etwa beseitigt, sondern unverändert übernommen und weitergeführt. Was beide auch in den folgenden siebzehn Jahren nicht heilten – sondern im Gegenteil mit neuen, noch deutlich gravierenderen Inkompatibilitäten nur schlimmer machten.
Hier ein Doku-Film über Computer-/IT-Innovation in Deutschland,
wo man sehen kann, wie die Innovation tlws. sogar vorsätzlich
ausgebremst wurde. Wenn es solche Leute gibt, dann muss man
sich nicht wundern, dass bestimmte Firmen ihr Verhalten anpassen:
https://www.youtube.com/watch?v=5KbWSr5GBuY
– 32:10 Min.: Metager
– 13:54 Min.: Computermaus
– 15:11 Min.: Glasfasernetz
Innovation allein war noch nie ein Garant, die Konkurrenz platt zu kriegen – und ein Monopol will eigentlich niemand, weil niemand langfristig was davon hätte.
Viele wichtige Komponenten, die DJI verbaut kommen vorwiegend aus Taiwan, Japan, USA, Südkorea, sogar Europa.
„und ein Monopol will eigentlich niemand“
Mit Ausnahme solcher Leute wie Peter Thiel, die aktuell wohl mehr Einfluss haben, als den meisten bewusst ist.
Und welches Management denkt heute noch langfristig?
Ich freue mich schon auf die Kameras, die DJI in der Pipeline hat. Beim aktuellen Facelift der Hasselblad X2D haben sie ja schon gezeigt wo die Reise hingeht: verbesserter AF, neue Features und Preis runter.
Ein kleines Märchen – oder doch nicht 😉
Es war einmal ein großer deutscher Hersteller, der u.a. die ersten „tragbaren Telefone“ erfolgreich vermarktete.
Ein paar Ingenieure dieses Herstellers entwickelten einen neuartigen Prototyp. Dieser konnte fotografieren, Musik abspielen und vieles mehr. Sie stellten ihn stolz der Konzernspitze vor…..
Der Prototyp verschwand aber in der Schublade – Kommentar: „So etwas brauchen die Kunden nicht, die wollen nur telefonieren“!
Wohl die richtige Entscheidung – oder doch nicht?
Wer mir das Märchen erzählt hat: Ein Freund, der früher bei diesem Hersteller als Ingenieur tätig war.
Ich hatte das Ding sogar in der Hand. Es wird bei uns an vielen Stellen komplett am Markt vorbei entwickelt. Chancen verworfen, weil sie eben auch Risiko bedeuten. Da ist es doch viel leichter, eine Firma durch Umstrukturierung, Aufteilen, Fusionieren und Handeln mit Teilen so geschickt an einer brauchbaren und realistischen Bilanz entlang schrammen zu lassen, bis davon nichts mehr übrig ist.
Die Sanierer, Aufbauer und Umstrukturierer geben sich die Türklinke in die Hand und kassieren Boni, während die Belegschaft allen Spaß verliert und um den Job fürchtet.
Hab ich mehrfach erlebt, und die Firma, die das oben genannte Telefon nicht auf den Markt gebracht hat, ist ein Meister in diesen Planspielen.
Moin,
Pentax/Ricoh schafft es ja leider nicht mal ein UW-Gehaeuse fuer seine GR-Reihe zu entwickeln. Die buendeln lieber ihre Resourcen, um sich auf dem Riesenmarkt der Halbbild-Filmphotographie eine tolle Ausgangsposition zu sichern.
Die waren mit die Ersten, die gemerkt haben, dass man so einem IBIS auch ziemlich gut fuer HiRes/PixelShift benutzen kann. Das funzte bei denen so gut, dass sie bis heute ein 3rd party tool (pixelshift2dng) benoetigen um RAWs zu erzeugen, die z.B. dxo ueberhaupt erst verarbeiten kann.
Ich fuerchte dji wird es schwer haben gegen diese geballte Innovationskraft.
(nicht falsch verstehen. Ich mag Pentax. Ich habe eine K-50, eine KP ein halbes Dutzend Objektive und eine WG-8.)
DJI entwickelt wie eine sehr große Anzahl anderer chinesischer Hersteller Produkte auf höchstem Niveau. Die fleißigen Menschen dort brauchen weder die USA noch das sterbende Europa.
Deutschland hat seit über 20 Jahren jeden Anschluß an die Elite verspielt. Die Zeit das sich hierzulande jemand solche High End Produkte noch kaufen kann sind gezählt. Jucken tut das in China niemanden, hierzulande haben die Entscheidungsträger nichts begriffen. Den Bürgern fehlt bald das Geld für solche Spielzeuge…
Gefühlt betreibt die etablierte Kamera-Industrie heute das Gleiche wie Apple mit dem iPhone: Neue Modelle werden minimalst verbessert, große neue Ideen oder echte Innovationen bleiben aus. Wozu auch? Läuft doch (noch einigermaßen). Von daher hoffe ich, dass DJI frischen Wind in die Branche bringt.
Ich wünsche mir zB längst eine Kamera mit einem vernünftig großen und hellen Display. Wer vom Smartphone verwöhnt ist, hat einfach keinen Bock mehr auf die DSLM-Displays, die sich seit mehr als einem Jahrzehnt nicht wirklich verbessert haben. Warum ist außerdem das Pairing und die Steuerung der Kamera per Smartphone immer noch so ein nervtötender Krampf?