Eine Welt bricht zusammen II

Das ist ein elektrisches Kazoo. Bis gestern abend dachte ich, das sei das Einzige seiner Art auf dieser Welt. Weit gefehlt. Elektrische Kazoos gibt es sogar mit Funkstrecke für unter 40 Euro. AliExpress. Ich dachte, als ich es 1985 zusammengebaut habe, ich hätte da was erfunden. Und zwar habe ich simpel eine metallisierte Membran auf das selbergesägte Holzkazoo geklebt und darauf ein Stück Gitarrensaite. Darüber einen Permamentstabmagneten, um den ich mal ein paar Hundert Wicklungen CuL-Draht praktiziert habe. Klinkenbuchse dran, fertig. Hat einen sagenhaft präsenten Sound. Viel besser als die billigen Metall- und Plastikkazoos, bei denen immer das Gehäuse mitscheppert.

Warum habe ich das seinerzeit überhaupt gebaut? Wir hatten kein Geld für Gesangsmikros und hatten mit unserer alten Klemt-Echolette dauernd Rückkopplungen. Das elektrische Kazoo hatte keine Rückkopplungen und man konnte es direkt ins Mischpult stöpseln.

War ich fett stolz drauf.

So sieht das von innen aus. Wie gesagt – hat funktioniert und funktioniert heute noch.

Feuertaufe war bei unserem ersten Konzert am 13.12.1985 (Upsi, fast 40 Jahre her…) in Erlangen in der Erbavilla. Da hat seinerzeit sogar einer irgendne VHS-Videokamera in die Gegend gehalten, so dass es da ne Doku dazu gibt. (Rauschen wird überbewertet….)

Und was ist jetzt das Problem?

Ich habe gerade nebenher ein Lied von Leroy Pullins gehört. Gypsy Rose and I don’t give a curse. Ein typischer Pullins-Song mit einem grausigen Text und einer dazu überhaupt nicht passenden Musik. Von den, den Fluß hinuntertreibenden Leichen abgesehen, spielt „Ricky Vanderpool“ in diesem Lied sein „elektrifiziertes Kazoo“. Bummtschackalack. Das Album von Pullins kam 1966 raus. Ich war 1985 ganze 19 Jahre zu spät dran.

Bei der Recherche bin ich übrigens zuerst über Kris Kristoffersen gestolpert, der den Song anscheinend mal als Demo eingespielt hat, als er frisch aus Deutschland zurück war und sich als Barmixer und Bauarbeiter durchschlug. Und in seinem ersten Song, den er geschrieben hat, die Antikriegsdemonstranten in Washington beschimpfte. Und siehe da, die Typen, die besonders gerne anderer Leute Musik „gecovert“ haben, das „Kingston Trio“ hat den Song auch mal gespielt. (Da gibt es eine ziemlich tragische Geschichte um den Song „Tom Dooley„. Der Enkel des Mannes, der den Song geschrieben hatte und der den Delinquenten „Tom Dula“ noch persönlich kannte fand den hüftenschwingenden Hatschatscha des Trios eher nicht so passend. Denn immerhin waren damals ziemlich viele der Meinung, es sei ein Justizmord gewesen.) Das Kingston Trio gibt’s heute noch. Die ganzen Urheberrechtsprozesse haben sie überstanden und wären nicht die Beatles gewesen, wären sie wohl bis in die 70er die große Nummer gewesen.

Egal. Sie haben kein elektrisches Kazoo gespielt und ich habe keine Ahnung, wer das elektrische Kazoo von Pullins erfunden hat.

Ich war’s auf jeden Fall wohl nicht. Schade.

Und Pullins kann man nicht mehr fragen. Er hat nach zwei LPs sein Geld als Feuerwehrmann verdient, starb mit 44 an einem Herzinfarkt und sein gesamtes Material ist 2008 angeblich zusammen mit den Universal Studios in Rauch aufgegangen.

8 Replies to “Eine Welt bricht zusammen II”

  1. Moin, wenn ich mir so die letzten Unterhaltungen anschaue klingt es wie ein Abgesang.
    Es wird vielleicht zeit mal ein neues Kapitel aufzuschlagen, das was war ist eben nicht mehr.
    Für mich ist das Thema Oly jedenfalls nach 11Jahren Geschichte und schlage gerade ein neues Kapitel mit neuer Inspiration auf. Ich habe das System gerne genutzt, aber Stillstand ist für mich Rückschritt und ich brauche mal neue Möglichkeiten und Impulse.
    Es gibt noch soviel zu entdecken.
    Ich bin wieder dabei – Werner

    1. „Ich halte keinen mehr, der gehen will. Wer gehen will, soll dies tun!“ (Autor unbekannt).
      Viele sind schon gegangen, und andere werden folgen. Aber da hinten liegt noch etwas, was mehr ist als heiße Asche.
      Die Gemeinschaft, Inspiration, Tausende von alternativen Horizonten, die um ein paar Brocken aus Glas und Metall HIER gewachsen sind, ist intellektuelle Subkultur, an der es in vielen technologischen Biotopen mangelt.
      Alle werden wir weiterziehen, spätestens dann, wenn die strahlende Avenue vergangener Tage zu einem morastigen Knüppelweg verkommen ist.
      Aber bis dahin, und vielleicht auch danach, werde ich um ein Lagerfeuer hocken, das ich nicht vergessen kann.

      1. Ich kann und will nicht jeden Tag zum Thema „mFT“ ist tot, halbtot oder lebendig einen Post raushauen. Mich beschäftigen auch andere Dinge. Leroy Pullins ist jetzt nicht die Musik, die massentauglich ist, Georg Kreisler war das auch nicht. Ist so. Nicht jeder interessiert sich für alles.

        Es kommen wieder explizite Fotothemen – aber es ist einfach so: Interessen wandeln sich. Bei mir, bei Lesern, überall. Menschen kommen und gehen. Menschen sitzen bei mir am Lagerfeuer, legen selber nach und spendieren ne Flasche guten Roten und andere kucken nur von Ferne zu und sagen sich dann „jetzt wird’s mir aber kalt“. Alles gut – auch andere Leute schüren Feuerchen. Und vielleicht sind da auch Leute, die dauernd über’s Feuer springen. Bei mir ist jetzt halt erstmal wieder private Unterhaltung angesagt. Feuerhüpfen kommt wieder.

        1. mfT ist nicht tot, neue Ideen, Pläne und Unternehmen sind nicht tot; das „Lichtbuch“ leuchtet und das „Objektivebuch“ ist wichtiger denn je, weil viele sich jetzt am Gebrauchtmarkt orientieren.
          Wir wissen aber, wer tot ist und wer in Agonie liegt, dafür braucht es kein Nulllinien_Ekg.
          Ich freue mich über jeden gutmeinenden Zündler und Feuermacher, aber mein bisschen Wehmut werde ich nicht therapieren.
          Auch das ist Musik.

  2. Du HAST das elektrische Kazoo erfunden!
    Vielleicht nicht als erster und nicht patentgeschützt…
    …aber wenn du ohne Kenntnis des älteren Exemplars es gebaut hast, hast du es erfunden (oder zumindest „entwickelt“).

    Viele große Erfindungen oder auch wissenschaftliche Entdeckungen wurden unabhängig von verschiedenen Menschen(gruppen) getätigt. Und das ist auch gut so.
    Blöd wirds nur, wenn es irgendwann ums kommerzielle geht und Patent-, Lizenz- oder andere Streitigkeiten ausbrechen.
    Aber das ist beim elektrischen Kazoo offensichtlich nicht der Fall!

  3. Tja, das ist das Los der Erfinder. Manche sind am falschen Ort oder in der falschen Zeit unterwegs. Früher konnte man nicht so einfach mit ein par Klicks feststellen, wer was schon gemacht hat.
    Studienkollegen haben mit mir mal über ein Schild in einer Auslage gelästert. Da stand (1982) an einem Fernseher „volltransistorisiert“ zu lesen. Wir fragten uns spöttisch, wo bei dem Fernseher denn der Bildtransistor sei, denn da war natürlich eine Bildröhre eingebaut.
    Hätten wir das nur konsequent weiter gedacht, hätten wir den Flachbildschirm erfunden. So ist die Idee als dummer Witz verpufft. Andere scheren sich nicht drum und machen eben einmal, und schon gibt es ein elektrisches Kazoo.

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