
Neustadt an der Aisch hat auch eine nette Altstadt. Es ist aus dem nahegelegenen Königshof, der bereits 741 nachweisbar ist, durch Order de Mufti (Burggraf von Nürnberg) im 13. Jahrhundert entstanden. Wem die „Aisch“ nichts sagt – ein Fluss, der durch den „Aischgrund“ fließt und dort dafür sorgt, dass es da die „Aischgründer Karpfen“ gibt. Wer mal Karpfenessen gehen will, mal in der Kneipe fragen, ob sie auch „Karpfenflossen“ haben. Kriegt man nicht mehr überall. Das sind panierte, frittierte Karpfenflossen. Der Knüller daran: grätenfrei.
Neustadt ist für mich untrennbar mit dem „Tempel“ verbunden, einem Jugendzentrum am Festplatz mit ein paar Säulen vor dem Eingang. Winzig. Aber ausreichend, dass man da mit der Band richtig Krawall machen konnte.

Den „Tempel“ haben sie längst abgerissen und obwohl das Internet angeblich nichts vergisst, gibt es keine Spuren mehr davon. Auch von der damals extrem lebhaften und kreativen Neustädter Musikszene gibt es keine Spuren mehr. Egal ob die Christrocker von Asante Sana oder die Anarchomusiker vom Projekt „1000 Sonnenbrillen tanzen Samba“ – nichts mehr zu finden.
Nun war ich geschäftlich mal wieder in Neustadt und war geflasht.

Ein griechisches Restaurant. Statt der Speisekarte ein Zettel im Schaukasten: „Liebe Freunde und Gäste. Wir haben unser Lokal geschlossen. Wir bedanken und für eure langjährige Treue und Freundschaft. Dafni und Timo.“

Nicht überall hängen Zettel an Tür oder Schaufenster.

Manchmal doch. Das ist eine Buchhandlung. Und DHL Paketshop. Die Buchhandlung war mal gegenüber, da stehen im Schaufenster handgeschriebene Plakate, dass das Haus renoviert wird. Man bitte um Geduld, weil das nun mal dauere.

Immerhin steht eine Garnitur vor dem Haus.

Auch das hier ist leer, in den Schaufenstern Zeichnungen von Personen an der Bar, in der Gastwirtschaft.

Auch das war mal ein griechisches Restaurant.
Das ist alles nicht verstreut in Neustadt, sondern an einer einzigen Straße auf wenigen hundert Metern. Der Hauptgeschäftslage. Christine aus NRW, die seit einem Jahr in Neustadt lebt, erzählt mir, dass Sie heulen könnte, wenn sie die Straße entlang geht. Der ganze Ort wunderschön, die Häuser außen renoviert und die Läden leer. Man könne zusehen, wie die Altstadt verwaist. Sie sagt, die Ortsansässigen würden sich beschweren, in wie schlechtem Zustand schon die Straßen seien – aber die sollten mal nach NRW kommen. Da würden sie überhaupt erst sehen, was ein Schlagloch ist. Was der Grund ist? Sie weiß es auch nicht. Was man dagegen tun könne? Vielleicht dass der Bürgermeister die Gewerbesteuer senkt? Aber sie schüttelt selber zweifelnd den Kopf.

Eine riesige Halle, direkt vor der Stadtmauer leer bis auf einen alten Ford Transit der ganz hinten im Eck steht.
Was kann diese Abwärtsspirale noch aufhalten?
„Was kann diese Abwärtsspirale noch aufhalten?“
Ein Verbot des Internets. 😉
Vielleicht sollte man auf die Essenslieferungen und/oder den Versand von
Post-Paketen (Ware, die im Internet bestellt wurde) eine Steuer erheben,
damit die Leute weniger im Internet und mehr in physischen Läden einkaufen.
Ich bestelle auch in diesem Internet. Gerade habe ich einen neuen Tacho für meinen Roller bestellt. Der kommt aus den Niederlanden. Die Ersatzteile für meine Ente kommen aus Vechta. Auch per Post. Es ist unrealistisch, vor Ort diese Artikel vorzuhalten. (Ich bestelle aber nichts bei „Plattformen“. Ich gehe direkt auf die Website des Anbieters und bestelle dort.)
Ich denke, Einzelhandel und Gastronomie jenseits von Discountern und Systemgastro haben Zukunft – aber sie funktionieren nicht mehr als „Verteiler“, sondern sie müssen einen Mehrwert gegenüber dem Versandhandel bieten. Wenn die Pizza beim Italiener genauso nach Pappe schmeckt, wie der Fladen, den ich mit Lieferando kriege, dann bleibe ich halt auf dem Sofa hocken.
Unaufhaltbar, die Abwärtsspirale, vermutlich. Die Leute bestellen auch dann im Netz, wenn der Laden um die Ecke ist. Und wenn ich dann sage: „Amazon, Jeff Bezos“, bla,bla,bla…ja, alle wissen Bescheid, aber handeln nicht. Ist ja soooo bequem….
By the way: Wir haben ums Eck einen Italiener – der Beste weit und breit. Die haben ihre Preis in den letzten zwei Jahren um ca. 30% plus X erhöht und zwei Tage in der Woche ist jetzt nix mehr mit Spaghetti, ect., weil zu. Der Laden brummt, super Qualität, die man schmeckt. Und ich bin froh drüber.
Ich kriege Hunger…
mach dir ein Curry 🙂
da komme ich nur ab und zu mal vorbei, wenn die A3 voll ist.
Noch 2 Tipps zu Karpfen und grätenfrei:
1. es gibt oft auch Karpfenfilet, da sind die Gräten feingehakt und nicht zu spüren
2. das „Ingreisch“ gibt es nicht überall aber lecker. Das sind die Innereien, also Milchner und Rogner. Die haben keine Gräten.
Wieder was gelernt. Ich habe mich immer gewundert, welcher Sklave in der Küche den Karpfen filetiert. Habe ich nie bestellt, deshalb wusste ich das nicht.
jupp, das ist alles Handarbeit. Deshalb sind die Filets ja auch deutlich teurer als der am Stück fritierte Fisch.
Hallo Reinhard,
das Gastrosterben ist seit den siebziger ein Trend und nicht nur in meiner neuen Heimat, Dortmund. Erst waren es das Sterben der Zechen und der Tradition, dass die Arbeiter und Bergleute nach der Sicht einen trinken waren. Dann war eine große Welle mit der Währungsreform und einer damit einhergehender Preissteigerung zu verspüren, weiter wurde das Rauchverbot verantwortlich gemacht, schließlich die Cornawelle und jetzt die.aktuelle Rezession. Was da tatsächlich Ursachen oder Symptome eines stetigen Wandels sind mag ich nicht zu beurteilen.
In meiner alten Heimat, einem schwäbischen 2.300 Seelenort, kann ich mich zu Spitzenzeiten an sieben Orte erinnern an denen Leute primär zum Biertrinken zusammen kamen, man überall aber auch was zum Essen bekam.
Heute hat sich eine Bürgerinitiative gefunden die das größte Gasthaus einmal im Monat einen Abend lang für die Bevölkerung öffnet. Ein Versuch seit in paar Monaten einen Ort für Ortsleben zu schaffen. Mal gespannt ob und wie lange es klappt.
Einen ähnlichen Versuch im Sauerland eine Dorfladen für die alten Leute durch einen Verein zu erhalten wurde mangels Kundschaft und Umsatz nach ein paar Jahren wieder aufgegeben.
Es spielt der Wandel in der Gesellschaft, das deutlich breitere Angebot durch z.B. Fernsehen, … und schließlich dem Internet eine Rolle, dass Kneipen / Gaststätte, aber auch Geschäfte sterben.
Es liegt aus meiner Sicht an uns, unserem Verhalten und nur wir könnten es ändern.
Schöne Grüße
Es ist schwierig das aufzuhalten. Die Konkurrenz im Netz ist billig, das Paket auch nicht viel teurer als der Parkplatz, man kann aus zig Shops in der Welt wählen (selbst wenn man Amazon vermeidet) und man darf es auch einfach wieder zurückgeben. Die Läden im Ort können preislich nur dagegenhalten, wenn sie den gleichen Schund nicht viel teurer anbieten und leiden dann aber an der Qualität – denn das gleiche Zeug wie aus dem Internet taugt eben halt genauso nix. Der Unterschied ist: Die Konkurrenz vom Laden vor Ort ist einer der tausend im Netz. Und die vom Namen-bereits-vergessen-Versandhändler? Halt auch. Qualitativ gute Ware kostet, wie schon früher auch, aber entsprechend auch Geld. Qualitativ gute Beratung dann nochmal mehr – das Internet bietet, wenn überhaupt, eine schnell hinkopierte 3-zeilige Hersteller-Beschreibung. Und andernzeits war man aber eher bereit, nur eine gscheite Sache zu kaufen anstatt 15 mal Mist, dafür aber einmal weniger im Jahr nach Malle zu jetten. Das Geld wird nur einmal ausgegeben, wie eh und je, und das spürt man innerorts.
Im ersten Bild sieht man schön das obere Ende der Fußgängerzone. Wenn man nicht mehr mit dem Auto am Geschäft vorbeifährt, sieht man das nicht mehr, entsprechend fällt die Laufkundschaft weg.
Auch zu Fuß kommt da kaum jemand hin, das Ende der Fußgängerzone liegt recht weit vom kostenpflichtigen Parkplatz weg. Bei Aldi und Lidl am anderen Ende der Stadt kann man umsonst parken.
Stichwort Parkplatz, die gezeigten Bilder liegen alle in den beiden Straßen, aus denen der Verkehr und die Parkplätze verbannt wurden, und der naheliegende Parkplatz ist kostenpflichtig. Das mag in einer richtigen Stadt mit funktionierendem Nahverkehr ins Umland funktionieren, aber hier, im am dünnsten besiedelten Landkreis von Bayern, geht ohne Auto wenig.
Konzepte aus Großstädten, die auch da nur begrenzt funktionieren, lassen sich halt nicht so einfach aufs Dorf übertragen, auch wenn die Kommunalpolitik das gerne anders sieht.