6 Punkte für Non-Profis

Ich sehe ganz oft Fotografen, die sich das Leben schwer machen, weil sie Einstellungen verwenden, die selbsternannte „Profis“ als unbedingt notwendig für das Profidasein bezeichnet haben. Die Fotografen machen das nach, weil sie das glauben, woher sollen sie es auch anders wissen? Man macht Dinge, weil einem erklärt wird, das würden die Profis so machen und das müsste dann sicher die richtige Methode sein.

Das endet dann darin, dass Fotografen nur in RAW fotografieren, aber das RAW auf Adobe-Farbraum umstellen. (RAW hat noch keinen Farbraum. Der wird erst im Rahmen der JPG-Entwicklung zugewiesen. Man stellt also lediglich den Farbraum des hochkomprimierten 8bit-Vorschaubildes um. Ich habe ernsthafte Zweifel, ob man auf dem Winzmonitor der Olys einen Unterschied zwischen AdobeRGB und sRGB sieht.)

Also Punkt 1: „I shoot RAW

Könnense machen. Sie haben bei der Schärfekontrolle schlechte Karten, weil Sie beim Reinzoomen ins Vorschaubild nur Artefakte sehen, aber hey, wer muss vor Ort schon wissen, ob das Bild scharf ist. Sämtliche Bildmanipulationen, Weißabgleich, ArtFilter, Stacking in der Kamera, Gradation – braucht kein Mensch. Machen Sie alles hinterher in der „Post“. Ich kenn einen Profi, der grundsätzlich niemandem ein Bild direkt aus der Kamera gibt oder auch nur sehen lässt. Kann man machen. Ist übrigens auch so, dass man, wenn man per Capture in den PC ballert, auch nur das JPG anzeigt. Wenn das miese ist, macht das auf den Kunden einen Supereindruck. Niemand hat was gegen RAW und hintennach Dinge optimieren. Aber schießt parallel JPGs. Immer. (Wenn ich auf Familienveranstaltungen fotografiere, habe ich immer einen ArtFilter Softfokus parat. Der sieht am PC oft etwas seltsam aus. Aber am Display ist er gerade bei älteren Damen ein Gamechanger. Gute Stimmung vor Ort ist wichtig. Noch wichtiger. RAW-Fundamentalismus ist vor Ort irrelevant.)

Und nebenbei: die Kamera auf AdobeRGB umzustellen, ergibt exakt in zwei Fällen Sinn. Wenn Sie einen Druckdienstleister haben, der auf AdobeRGB besteht (kenne ich mittlerweile keinen mehr). Und wenn Sie in JPG in Süßwasser fotografieren. Adobe RGB liefert nämlich etwas mehr Grüntöne im 8bit-JPG. Und da in Süßwasser unter Wasser alles Grün ist, ist jeder zusätzliche Grünton Gold wert. 8bit Adobe RGB hat übrigens nicht mehr Farben als 8bit sRGB. Nur andere.

Punkt 2: Aufnahmeansicht aka Bildrückschau

Jede zweite Kamera, die ich von Leuten in die Hand gedrückt bekomme, hat die Aufnahmeansicht deaktiviert. Und wenn ich die beim Fotografieren sehe, sind die dauernd am Chimpen. Voll der Profi.

Nein. Ein Profi kuckt aufs Motiv, nicht aufs Display. Systemkameras haben zwei unschätzbare Vorteile: wir sehen vorher, was wir wahrscheinlich kriegen. Und wir sehen sofort hinterher, was wir tatsächlich bekommen. Nun gibt es Leute, die ihre analoge Kamera so sehr lieben, dass sie den S-OVF aktivieren – den Simulated Optical Viewfinder, der die Vorschau abschaltet – und dann die Aufnahmeansicht deaktivieren – also die Möglichkeit, sofort zu sehen, was man fotografiert hat. Bevor sie dann nicht chimpen, wissen sie also nicht, ob Weißabgleich, Belichtung, Fokus und Pose gepasst haben. Aufnahmeansicht auf 0,5s und sie wissen unmittelbar nach dem Drücken des Auslösers, ob sie getroffen haben. Was ich an gelangweilten Models auf der Pappe gesehen haben, die Fotografen beim Chimpen zugekuckt haben – unfassbar. Sportfotografie: während der Kollege noch kuckt, ob er die letzte Aktion getroffen hat, bin ich schon wieder am knipsen, „Chimpst Du noch, oder fotografierst Du schon?“ Das Argument: „Dann sehe ich ja im Sucher nicht, was passiert“ – Sobald irgendeine Taste gedrückt wird, ist die Aufnahmeansicht spätestens wieder weg. Gewöhnen Sie sich an die Aufnahmeansicht.

Punkt 3: Blitzbelichtungsmesser

Das ultimative Profitool. Wer ohne Blitzbelichtungsmesser im Studio arbeitet, ist ein blutiger Amateur. Safe.

Ich kenne meine Blitzanlage und meinen Raum. Ich stelle mein Lichtsetup auf, stelle meine Kamera ein und in den allermeisten Fällen stimmt schon das erste Bild ohne dass ich irgendwas gemessen habe. Warum? Weil ich die Erfahrung habe. Wozu einen Blitzbelichtungsmesser? Gerade im Studio kann es passieren, dass die Kleidung des mit dem Belichtungsmesser rumlaufenden Fotografen einen signifikanten Einfluss auf die Belichtung des Bildes hat.

Dazu kommt, dass Blitzbelichtungsmesser eine bestimmte Abbrennzeit der Blitze voraussetzen. Systemblitze brennen zu kurz, so dass Blitzbelichtungsmesser in Setups, in denen extrem kurz brennende Blitze verwendet werden, falsch messen. Letztes Argument: Dinge und Menschen brauchen unterschiedlich viel Licht. Ein Afrikaner braucht bis zu zwei Blenden mehr Licht als ein Skandinavier. Wenn ich ein silbernes Objektiv knipse, brauche ich weniger Licht als bei einem mattschwarzen Objektiv. Hilft mir da der Blitzbelichtungsmesser? Nö. Also wozu?

Punkt 4: Graukarte

Ein Tool, das ich in ganz wenigen „was sind wir hier so tolle Profis“ – Videos gesehen habe. Vielleicht ist es zu billig? Vielleicht gibt es niemanden, der solche Videos sponsort? Eine Graukarte ist tatsächlich wichtig. Ja, es gibt Leute, die schwören auf ihren Colorchecker. Vorteil der Graukarte: ich kann in der Kamera einen Sofortweißabgleich machen. Das geht mit dem Colorchecker immer erst hinterher. Und was ich vor Ort versemmel, das macht hinterher immer graue Haare. Ich hatte einmal eine Kundin da, die wollte ein ganz spezielles Kleid fotografiert haben. Glitzer und komische Farbe. Bis ich die Farbe vor Ort hinbekommen habe, hat das gedauert. Und es lag dann im Endeffekt nicht am Weißabgleich, sondern an einem speziellen Winkel der Beleuchtung, der notwendig war. Hätte ich mich auf einen Colorchecker verlassen, hätte ich verloren gehabt.

Punkt 5: WB Auto

Ich höre es so oft: Der WB Auto ist doch so treffsicher. Ist er nicht. Sehr oft sieht er ziemlich brauchbar aus. Aber wenn er danebenliegt, erfahren Sie das nicht oder zu spät oder sie merken es sofort – können aber mangels Erfahrung nichts dagegen tun. Gewöhnen Sie sich den WB Auto ab. Außer Sie haben brutalstes Mischlicht, in dem nichts wirklich funktioniert.

WB Auto

Die Farbstimmung seines Bildes ist einer der wesentlichen Parameter, die ein Fotograf unter Kontrolle haben sollte – und zwar, man glaubt es nicht, auch im Schwarz/weiß. Diesen Parameter an ein Entwicklerteam in Tokio mit Massengeschmack abzugeben ist nicht professionell. Stellen Sie den WB per Hand ein. Es ist völlig irre, was man damit anstellen kann. Ob ein Objektiv 1,4 oder 1,2 hat – interessiert nicht. Ob Sie eine Aufnahme mit 6000 oder 7400 Kelvin machen, ist ein himmelweiter Unterschied.

WB selbst festgelegt.

Punkt 6: AutoISO

Je höher die ISO, desto geringer der Dynamikumfang und desto schlechter die Detailauflösung. Das Rauschen kriegen Sie mit modernen Tools wunderbar glattgebügelt, der Verlust an Dynamik und Auflösung ist nicht korrigierbar. Die ISO ist ein wesentlicher Teil der Bildqualität. Geben Sie die Kontrolle darüber nicht aus der Hand. Die künstliche Dummheit kann natürlich Schärfe und Rauschfreiheit erzeugen. Aber das Bild sieht dann halt genau danach aus. Es gibt Situationen, in denen die AutoISO sinnvoll ist – wenn Sie mit fixer Blende und fixer Belichtungszeit mit schnell wechselnden Beleuchtungssituationen kämpfen müssen. Aber im Normalfall schalten Sie die AutoISO ab.

Nachdem ich den Artikel geschrieben habe – war so eine Nebenbaustelle des Lichtbuches – bin ich bei Hauke vorbeigesurft und siehe da: der erzählt gerade über die Entbehrlichkeit von eingebauten Belichtungsmessern. Wieder mal muss ich ihm prinzipiell zustimmen. Vor allem, was seine Beurteilung von AutoISO und AutoWB angeht. Aber ich verwende trotzdem den internen Belichtungstrottel, und wenn er mir auch nur nen groben Anhalt gibt, weil ich sowieso die Belichtung nach Gusto korrigiere. (Im Studio und wenn ich blitze ist die interne Belichtungsmessung sowieso für die Katz.) Mein Grund ist ein sehr persönlicher: Ich habe zwanzig Jahre mit einer vollmechanischen Exakta Varex geknipst. Ohne Belichtungsmesser. Ohne irgendwelche Automatik. Die Exakta hat nicht mal ein Moduswahlrad. Die hat ein Einstellrad für die Belichtungszeit und eines für die Einstellung des Selbstauslösers. Aus. Hat funktioniert – obwohl ich fast nur Dias gemacht habe. Und jetzt will ich mit A – utomatik. Will ich einfach.

9 Replies to “6 Punkte für Non-Profis”

  1. Ich hätte da noch einen, aber auch speziellen Fall, für Adobe RGB: der eigene (kalibrierte!) Drucker zuhause, der bei entsprechender Papierwahl den grünen Bereich reproduzieren kann.
    Sieht man’s auch? Ab und an, meistens jedoch selten und dann kaum wenn mann’s nicht nebeneinander stellt. 😉 Kann man mal probieren.

  2. Vielen Dank für diese Tipps. Seit einem halben Jahr versuche ich mich etwas ernsthafter mit Fotografie zu beschäftigen und Folge seit einiger Zeit deinem Block. Ich hatte das Gefühl, mir schnell eine halbwegs solide Basis über die technischen Hintergründe des Fotografierens (Brennweite, Blende, ISO, etc.) geschaffen zu haben. Ausnahme war der Zusammenhang Blende – Schärfentiefe. Klar, „Blende auf, Schärfentiefe runter“ ist einfach gesagt. Besser zu merken ist aber eine Erklärung des Prinzips. Dafür muss man dann aber schon etwas im Netz graben. Als Anfänger bekommt man in dieser Phase schnell den Eindruck, kauf dir eine Vollformatkamera und deine Fotos sind auf einem anderen Level. Und natürlich habe auch ich mich direkt nach entsprechenden Kameras umgesehen. Budget bedingt habe ich mich dann aber doch erstmal mit den Einstellungsmöglichkeiten der vorhandenen Kamera auseinander gesetzt. Und nach und nach hat sich herausgestellt, dass mein erster Eindruck eher dem Sprichwort „Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, liegt es an der Badehose“ gefolgt ist. Mittlerweile sehe ich die verschiedenen Vorzüge unterschiedlicher Systeme. Aber ich komme für mich persönlich immer mehr zu dem Fazit, dass es wesentlicher ist, Technik, Einstellungsmöglichkeiten und Komposition zu verstehen, als darauf zu hoffen, durch Investitionen ins Material besser Fotos zu bekommen. Deshalb habe ich mich insbesondere über Punkt 5 gefreut, ein Thema mich aktuell beschäftigt. Mittlerweile beschleicht mich das Gefühl, dass es mit manuellen Einstellungen wahrscheinlich möglich ist, direkt JPEGs zu schiessen zu können, die meinem momentanen Ansprüchen gerecht werden. So komme ich vielleicht darum herum, die ebenfalls aufgenommen RAWs mit Darktable und Co. immer zeitaufwändig bearbeiten zu müssen. Erfahrungsgemäß bleibt bei mir dann eigentlich das meiste liegen. Bearbeiten kann ich dann zwar immer noch, aber das ist dann für mich als Hobbyfotograf ein „kann“ und kein „muss“ mehr. Abgesehen davon, dass es ein neues Rabbithole ist …

    Ein Systemwechsel steht für mich deshalb aktuell nicht mehr zur Debatte, da für mich die Vorzüge von MFT deutlich überwiegen. Mich beschäftigt nur noch die Frage, ob ich meine E-M10 Mark IV besser gegen eine OM-5 oder OM-1 bzw. irgendwelche Vorgängerversionen davon tausche. Und zwar im wesentlichen wegen der besseren Abdichtung. Könnte bei Urlauben in Skandinavien und Co. nützlich sein. Wenn ich dann noch ein intuitives Verständnis für die hyperfokale Distanz entwickeln kann, bin hoffentlich gut vorbereitet für mein im Urlaub häufigst entstehendes Motiv „Mensch vor Berg“.

    1. „direkt JPEGs zu schiessen zu können“…
      Lass Dir versichern, Norbert: das geht in M, in A und S und sogar in P (wo ja immer noch jede Menge einstellbar ist).
      Grundsätzlich sollte es das Ziel sein, mit den Out-of-Cam-Bildern so dicht ans Ergebnis zu kommen wie irgend möglich. Also möglichst „fertige“ JPGs zu produzieren. Es sei denn, Du hast mit den Bildern etwas vor, was real gar nicht da war (Himmel blauer machen z.B.). Wenn du das ORF mitschreibst kannst du ja immer noch drauf zugreifen. Aber je besser des JPG schon ist, desto weniger musst du ggf. am RAW arbeiten. Z.B. ein falsch belichtetes Bild kann man aus dem RAW besser retten als aus dem JPG, aber noch besser wird es, wenn es gleich richtig belichtet wurde… 😉
      Wenn ich nach einem Auftrag mit gerne deutlich über 1.000 Bildern pro Tag zum Kunden komme mag die niemand aus den RAWs entwickeln! Und schon gar nicht einzeln! Da ist es überlebenswichtig, dass die JPGs auf den Punkt sind. Und das geht tatsächlich…
      🙂
      Knipsende Grüße, Martin

  3. Zu Punkt 2: Ja, aber…
    Ich hatte die Aufnahmeansicht genau so lange aktiviert, bis ich mich an einem fliegenden Storch versucht habe. Bei Serienaufnahmen eines bewegten Motivs gehört das abgeschaltet.

    1. Solange der Auslöser zumindest halb gedrückt ist – bei Serienaufnahmen ist der normalerweise gedrückt – gibt es keine Aufnahmeansicht. Erst wenn Du den Auslöser loslässt, wird das letzte, gespeicherte Bild angezeigt.

    2. Mit Punkt 2 hat mich Reinhard auch erwischt. Bei einzelnen Aufnahmen ist die Aufnahmeansicht prima, bei Serienaufnahmen nervt die mich eher. Ok Du siehst in den 0,5s ob die Belichtung passt. Eigentlich braucht es für mich aber mehr Zeit und da wird das dann mit der ständigen Aktivierung auch wieder nervig. Das manuelle Einblenden über die Wiedergabetaste ist für mich angenehmer. Hängt aber sicher auch mit meiner damaligen E-M1 II zusammen. Die hat halt gezickt und da war die Anzeige nicht immer zuverlässig durch den halbgedrückten Auslöser deaktiviert oder es war halt sehr träge. Beim Chimpen wird man mich trotzdem nicht erwischen, der Monitor ist stets zugeklappt. Als Brillenträger bin ich dankbar, dass seit der E-M1 II die komplette Menüstruktur im Sucher verfügbar ist, nicht nur das SCP.

      Ich denke das ist eine Gewöhnungssache. Mich macht das eher nervös und unsicher. Wahrscheinlich würde ich da den Schritt zuviel machen und im Hafenbecken landen. Ist für mich ähnlich wie mit der Sucherstabilisierung, die ich auch nur bei langen Brennweiten nutze, wenn sie wirklich eine Hilfe beim Fokussieren bietet. Sonst nervt auch die eher beim Ausrichten der Kamera und mir läuft wie bei Paulchen Panther das Wasser, wegen des schiefen Horizonts, aus dem Bild.

      Wer aber damit klarkommt, hat sicher einen Vorteil.

      1. Dann hatte deine E-M1II ernsthaft ein Problem. Ich hatte bisher noch keine Kamera, bei der die Aufnahmeansicht nicht mit halbgedrücktem Auslöser sofort weg war.
        Bei der Sucherstabilisierung stimme ich Dir zu. Da kriegt man manchmal echt die Krise – vor allem, wenn man denkt, alles passt, man löst aus und sieht dann in der Aufnahmeansicht (!) dass die Linien überall hinlaufen, nur nicht in die Ecken….

  4. Danke für die Tipps, vor allem für die Erinnerung an meine graukarte

    einer fällt mir noch ein: „fotografiere NUR in M“

    Ich nutze meistens A und bin ganz zufrieden.

    Ausnahmen : a)Mit Blitz
    b)Im Eishockeystadium, da stelle ich auf M da bei S beim Testen kürzerer Belichtungszeit das Display sich irgendwann nicht mehr ändert,bei M schon (so kann ich sehen um wieviel zu dunkel das Bild würde)

    Grüße
    tom

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