Der DVF und die KI

Der Deutsche Verband für Fotografie hat schon Mitte Mai ein Statement zu KI in der Wettbewerbsfotografie veröffentlicht. Dem Statement sind monatelange Diskussionen unter Mitgliedern und Juroren vorausgegangen. Ein bisschen was davon habe ich mitbekommen, da wurde heftigst um Formulierungen gerungen. Ich habe damals nicht darüber berichtet, weil ich solche Statements von Verbänden immer etwas skeptisch beäuge. Papier ist geduldig und im Allgemeinen sortiere ich solche Statements irgendwo zwischen Folklore und Unternehmensleitbildern ein.

Ich habe mich anscheinend getäuscht.

Der DVF meint das bitterernst. Bei den ersten Wettbewerben werden nun schon Einsender nach den RAWs gefragt, wenn die Bilder verdächtig aussehen. Und dabei wird nicht etwa nur nach den üblichen KI-Fails gekuckt: verhaute Finger, zusätzliche Gliedmaßen oder völlig falsche Schatten. Selbst zu glatte Haut sorgt mittlerweile für gehobene Augenbrauen.

Himmel ausgetauscht und durch einen KI-Himmel ersetzt? Milchstraße aus der Retorte? Das wird jetzt schwierig.

Natürlich betrifft die Wettbewerbsfotografie, auf die sich diese neuen Regeln auswirken, erst mal nur eine überschaubare Zielgruppe. Das wird sich aber ausbreiten.

Angesichts der Tatsache, dass die KI-Nummer – sowohl im Text, als auch im Bildbereich – sich einen feuchten Kehricht um Rechte an eigenen und auch fremden Bildern kehrt (es gibt bereits Leute, die ein KI-Bild erstellen ließen und auf diesem von ihrer eigenen Visage angegrinst wurden.) und es bis heute noch kein Geschäftsmodell gibt, das auch nur die irrsinnigen Stromverbräuche refinanzieren würde, reden Analysten längst von der „KI-Blase“, die genauso schnell platzen wird, wie die NFT-Blase. (Vor ein paar Tagen hat mich ein wirklich guter Fotograf angerufen und mich gefragt, was er tun soll: Jemand wolle NFTs von seinen Bildern kaufen und habe vier Etherium pro Bild geboten. Als ich ihm dann gesagt habe, dass die Erstellung eines NFTs erstmal nicht zu knapp Geld kostet, bevor man es verkaufen kann, war ihm dann auch klar, dass da offensichtlich jemand versucht, unbedarfte Fotokünstler abzuzocken. )

Der DVF hat jetzt einen der Sargnägel für die Bilder-KI geliefert.

Update: Ich habe von einer Wettbewerbsfotografin folgendes Statement bekommen:

No RAW, No Problem!

Und- keine Panik! Sowohl bei deutschen, als auch bei internationalen Wettbewerben bin ich bislang bei einer Kontrolle mit den originalen jpgs ausgekommen. Auch jetzt nach Verabschiedung des KI-Statements.

Ich habe als Teilnehmer mental überhaupt kein Problem damit, im Sinne von FairPlay zu zeigen, dass ich regelkonform gearbeitet habe.
Als internationale Jurorin bitte ich bei einem begründeten Verdacht auf Regelverletzung den Veranstalter, die originale Datei anzufordern. Und das schon während der Vor-Jurierungsphase. Das ist ein ganz normales Prozedere wie eine Dopingkontrolle beim Sport.

Im DVF-Statement geht es es grundsätzlich um die Abgrenzung von Fotografie und rein KI-generierten Bildern oder Bildteilen, die zwar beides bildhafte Darstellungen sind, aber jeweils einem anderen Genre angehören, so wie Ölmalerei und Kartoffeldruck. Und wer schickt schon einen Kartoffeldruck zu einem Foto-Printwettbewerb?

Dagmar

16 Replies to “Der DVF und die KI”

  1. Als DVF-Mitglied mache ich mir schon meine Gedanken: ich fotografiere fast nur in JPEG. Das kann wohl zukünftig schwierig werden …

  2. Sargnägel für die Bilder-KI?

    Das kannst Du in ein paar Jahren auch feiern als einer der krassesten Fehlprognosen. Schau mal bei Amazon, da sind bereits gefühlt die Hälfte aller Produktfotos gephotoshoped – und extrem schlecht, oft unter Verzerrung der Proportionen. Mich ärgert das als Kunde sehr, keine gescheite Produktbeschreibung zu bekommen, aber Beschwerden sind wirkungslos. Bei anderen Shops wird es sicher über kurz oder lang auch so kommen, wenige gallische Dörfer wohl ausgenommen. Es wird aber in der Fläche nicht aufzuhalten sein.

    1. Wir unterhalten uns in ein paar Jahren wieder.
      Aber wie Du selbst sagst: der KI-Mist nervt. Und genau das ist der Grund, warum dem Ganzen kein langes Leben beschieden sein wird. Der Betrieb der Server kostet ein völlig irres Geld. Das muss irgendwer zahlen. Solange alles wunderbar gratis ist, wird der Mist verwendet. Kost ja nix. Sobald das einen reellen Preis kostet, ist es vorbei. Dann werden wieder „echte“ Bilder verwendet. Weil die bei nur geringfügig höheren Kosten, deutlich besser „performen“.Und KI-Bilder bald nicht mehr „cool“ sind, sondern einfach nur noch „Billigkram“. Ich kenn da ne Firma, die setzt komplett auf KI-Übersetzungen. Der Effekt: die Leute lesen das Zeug nicht mehr oder zweifeln nachhaltig an der Kompetenz der Leute, die dort teures Zeug verkaufen wollen….

      1. Heute kamen fünf Tipps zum Fotografieren von Bären oder Menschen in „sensiblen“ Situationen.
        Wenn den Newsletter nur bestimmte Leute bekommen, ist das vielleicht die neue Strategie sich mit unliebsamen Kunden …

        1. Den Newsletter kriegen alle. Ich habe mir überlegt, ob ich was dazu schreibe. Von wegen sensible Personenfotografie mit 600mm. Früher hat man dazu Paparazzi gesagt. Ich bin mal mit dem Bigma auf die einfahrenden Luxusjachten in St. Tropez losgegangen. Da kann man schon… Kann allerdings passieren, dass einen dann ein Herr mit Sonnenbrille auf die Schulter tippt und freundlich um Herausgabe der Speicherkarte bittet. Mit Hinweis auf seinen sehr freundlichen, sonnenbebrillten Partner mit der Eisenstange…

    2. Meines Erachtens gibt es kaum schlechtere Grundlagen für mittel- oder langfristige Prognosen, als die Fortschreibung einer isoliert betrachteten Entwicklung der jeweils letzten Jahre.

  3. „Der DVF meint das bitterernst. Bei den ersten Wettbewerben werden nun schon Einsender nach den RAWs gefragt, wenn die Bilder verdächtig aussehen.“
    Das wird nicht helfen. Man kann inzwischen auch RAWs aus beliebigen Bildateien generieren, such mal nach „TIFF to RAW“.

    1. Die regulär verfügbaren Converter erzeugen ein Adobe DNG aber kein Canon CR3 oder Nikon NEF. Außerdem verlangt der DVF im Zweifelsfall auch die Bilddateien vor und nach dem zu prüfenden Bild. Also vermutlich alles machbar, aber die Hürde wird höher. Wie im Sport: wer unbedingt dopen will, wird einen Weg finden…

  4. Ich finde das Vorgehen des DVF prinzipiell gut (bin selbst im DVF), aber da sind noch viele Punkte im Detail zu klären: Aktuell wird zu jedem (!) Bild, dass eine Medaille oder Urkunde gewonnen hat, das RAW eingefordert. Damit steht für mich erstmal jeder Fotograf unter Generalverdacht. Finde ich nicht so witzig. Was machen wir mit Fotos zu denen es kein RAW gibt (ich kenne einige HobbyFotografen, die kein RAW verwenden)? Ich mache auch manchmal tolle Schnappschüsse mit dem Handy ohne RAW…

    Vielleicht gibt es ja bald eine KI die KI erkennen kann 😉 Dann wäre dieses Thema wenigstens einfacher zu klären. Ich glaube aber nicht, dass KI Fotos verschwinden werden, dafür ist der Nutzen in vielen Bereichen viel zu groß. Aber wohin die Reise geht, wage ich nicht vorherzusagen…

  5. Wenn der Künstler zum Modell keine Beziehung aufbauen kann, funktioniert das für den späteren Betrachter auch kaum bis gar nicht – da sehe ich z.B. die Schwächen von KI.

    Was wir präsentiert bekommen, ist ja nicht eine in Marmor gemeißelte Aphrodite, die irgend einem Hingespinst entsprungen ist. Da hat ja meistens eher Else Klabottnik aus der Nachbarschaft Modell gestanden, welche dem Meister schon seit seiner Jugend schlaflose Nächte bereitet hat.

    Mode auf dem Laufsteg funktioniert vielleicht noch, wie von YSL versucht, mit sich ähnelnden Models, die dann nur als Gruppe im Gedächtnis bleiben. Aber in den Magazinen waren es halt die osteuropäischen Prinzessinnnen, Schauspielerinnen, Top-Models. Also irgendwie schon Typen, die erstmal gefunden werden mußten.

    Schiefe Nase von Tatjana Patiz, wer hat die schon wahrgenommen? Männer wohl kaum und Frauen mussten dazu schon verdammt abgeklärt sein. Klar wurden die Bilder vom Laboranten optimiert. Nur hat der halt gewußt was er macht und war auch ein echter Kostenkaktor. Was heute die Software noch nichteinmal am realen Vorbild hinbekommt, soll die KI irgendwann komplett neu zusammenbasteln?

    Vielleicht können wir irgendwann objektiv nicht mehr erkennen was KI oder echt ist. Aber ein Pin-up aus den Fünfzigern wird dich anders ansprechen, als das was einige „Artisten“ derzeit auf Facebook und Co generieren. Eine Software die ansprechende asymetrische Gesichter entwirft – und nur die wirken ja auf uns faszinierend – dürfte noch in weiter Ferne sein. Für alles andere brauche ich keine KI, das gibt es schon. Collagen-Kunst wäre vielleicht ein Thema, die hat sich in den Gallerien hier aber schon immer bescheiden verkauft.

    Momentan haben wir doch eher das Problem der Reizüberflutung. Manchmal hilft da nur die Flucht in eine eher konservative Ausstellung. SW-Fotografien, alle 18×24 in schwarzem Rahmen und auf gleiche Höhe gehängt. Ist wie eine Kur – nicht nur fürs Auge, sondern auch für die Nerven.

    KI wird sicher noch lange ein Thema bleiben. Aber auch wenn die Leute heute noch einen Burger einschieben, dann ist der ja nur noch selten von Mc Doof. Es gibt Arte und 3 Sat, den Maßscheider und Schumacher, die Schallplatte und eine PEN-F für eine eher kleine Zielgruppe. Beim Thema Ernährung scheint langsam ein Umdenken in größerem Stil stattzufinden. Brauche ich eine KI generierte Marilyn Monroe oder Greta Garbo auf der Leinwand oder sind nicht die Diven aus dem hier und jetzt viel interessanter? Ich denke wir unterschätzen da unser Hirn – unsere Wahnehmung. Die perfekte Silikonhalbkugel ist ein Hingucker, aber wohl kaum so faszinierend wie eine natürliche Form der weiblichen Brust. KI ist der Reiz des Neuen , eine Sau die durchs Dorf getrieben wird, die hoffentlich in Bereichen wie der Medizin unserer Lebensqualität verbessert. Kreativität ist aber immer das Entdecken von Neuem. Vielleicht habe ich eine Vorstellung davon, wie das ideale Model für eine Kollektion auszusehen hat und treffe dann abends in einer Bar ein Mädel was alles wieder über den Haufen wirft.

  6. KI ist nicht gleich KI. Wenn KI zum Kreieren völlig neuer, künstlicher Bilder verwendet wird, ist das doch eine andere Nummer als wenn KI zum Entrauschen oder für ähnlich „kleinere Eingriffe“ verwendet wird. Da gibt es sicher auch einen fließenden Übergang bzw. eine Grauzone dazwischen. Von daher glaube ich, kann man nicht pauschal sagen, dass KI eine Blase ist, die platzt. Möglicherweise wird sie viel unspektakulärer in unseren Alltag einziehen als aktuell prophezeit.

    Aber seit rund 6 Monaten setzen wir bei der Fotoretusche für (Werbe-)Kunden ziemlich intensiv drauf. Die Kollegen in der Grafik sparen damit massiv Zeit. Ein Klick mit ein paar nachträglichen Retuschen ist eine völlig andere Größenordnung als die manuellen Photoshop-Orgien, die uns bisher beschäftigten und die man kaum in Rechnung stellen konnte.

    1. Der DVF kümmert sich auch nicht um KI-unterstützte Bildretusche. Es geht um von der KI generierte Bildelemente.
      Es geht nicht um KI-unterstütze Übersetzung. Es geht um komplett von KI generierte Artikel, Bilder, Übersetzungen, Drehbücher. Ein KI-unterstütztes AAC ist eine geile Sache. Autonomes Fahren mit KI ein Desaster. (Und Autofahren ist noch nicht mal kreativ.)

      1. Da muss ich Dir leider widersprechen, ich sehe jeden Tag soviel kreatives hinter und am Lenkrad. 😀

        Ich experimentiere viel mit KI, nicht weil ich es gut finde, sondern weil mich interessiert was geht und vielleicht auch KI besser erkennen kann. Ich bin fasziniert, wie die Systeme jeden Monat besser werden.

        ich bin mir sicher, dass es Bereiche geben wird, aus denen die KI nicht mehr verschwinden wird weil sie unkomplizierter und vor allem billiger liefert. Es wird aber auch Bereiche geben und eventuell auch neue entstehen, immer wenn es um Ecken und Kanten geht und wenn bewusst was „falsch“ gemacht wird, wenn etwas eben nicht perfekt ist oder sein soll. was vermutlich auch nie funktionieren wird ist wenn etwas tolles im Zusammenspiel zwischen Menschen, Fotograf:in und Medel entsteht.

        ich bin gespannt und werde mir das weiter genau anschauen.

  7. Ich finde das Vorgehen des DVF prinzipiell gut (bin selbst im DVF), aber da sind noch viele Punkte im Detail zu klären: Aktuell wird zu jedem (!) Bild, dass eine Medaille oder Urkunde gewonnen hat, das RAW eingefordert

    Das kann ich nicht bestätigen, auch ich bin Mitglied im DVF, ich hätte das Problem des Nachweises, das ich nie in RAW fotografiere, wurde aber auch noch nie bei einer Urkunde, bzw. Medaille aufgefordert die Urversion zu senden

  8. No RAW, No Problem!

    Und- keine Panik! Sowohl bei deutschen, als auch bei internationalen Wettbewerben bin ich bislang bei einer Kontrolle mit den originalen jpgs ausgekommen. Auch jetzt nach Verabschiedung des KI-Statements bei der Deutschen Fotomeisterschaft. Auf Anfrage das Original-JPG hingeschickt, alles ok.

    Ich habe als Teilnehmerin mental überhaupt kein Problem damit, im Sinne von FairPlay zu zeigen, dass ich regelkonform gearbeitet habe.

    Als internationale Jurorin bitte ich bei einem begründeten Verdacht auf Regelverletzung den Veranstalter, die originale Datei anzufordern. Und das schon während der Vor-Jurierungsphase. Das ist ein ganz normales Prozedere wie eine Dopingkontrolle beim Sport.

    Im DVF-Statement geht es es grundsätzlich um die Abgrenzung von Fotografie und rein KI-generierten Bildern (oder Bildteilen), die zwar beides bildhafte Darstellungen sind, aber jeweils einem anderen Genre angehören, so wie Ölmalerei und Kartoffeldruck. Und wer schickt schon einen Kartoffeldruck zu einem Foto-Printwettbewerb?

    Dagmar

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