React: Mal wieder Youtuber

Immer wenn einem der Stoff für Artikel auszugehen droht, kuckt man ein paar Fotoinfluencer und schon hat man wieder ausreichend Grund sich an die Tastatur zu setzen.

Einem YouTuber – ein „Naturfotograf“ – fiel auf, dass in den Kommentaren unter seinen Videos immer wieder Behauptungen auftauchten, das wäre mit dem mFT-System, der OM-1 und dem 150-400 alles ganz easy. Das konnte er natürlich nicht stehen lassen, denn „ja sind denn alle, die mit den großen, teueren Linsen wie dem 600mm f/4 rumrennen, dumm?“ und setzte dann an, die prinzipielle Überlegenheit von „Vollformat – äh Kleinbild“ über alle anderen Sensorformate zu beweisen. Erstes Argument: „Der Sensor ist größer, deshalb kann er mehr Licht einfangen.“ Den Rest habe ich mir dann nicht mehr angetan. Sollte ich was Wesentliches verpasst haben, bitte ich um Verzeihung. Für alle, die das Argument für schlüssig halten, sei dieser Artikel ans Herz gelegt.

Kopfkratzenderweise bin ich angesichts solcher Videos geneigt, die rhetorisch gemeinte, oben genannte Frage mit einem zweifelnden „Vielleicht?“ zu beantworten.

Mit einem anderen YouTuber bin ich derzeit auch nicht einer Meinung: Thomas Eisl. Der Wiener, der mit einmaligem Akzent und im Anzug englische Erklärbärvideos zu OMDS-Hartware macht. Die Videos sind ganz großes Kino, weil er es fertigbringt, Funktionen der Olys, die diese seit ewigen Zeiten haben, völlig neu zu nutzen. In einem Video verwendet er die Überlagerungsfunktion zur Erhöhung der Dynamik des Fotos. Quasi als „OoC“-HDR, nur, dass man auf die Anteile von Höhen und Tiefen Einfluss hat. Man braucht halt ein Stativ, das seinen Namen verdient und im Motiv sollte sich nicht viel bewegen. Dann die eingebaute HDR-Belichtungsreihe (nicht die mit dem fertigen HDR-JPG!) losrennen lassen und dann fröhlich „überlagern“. Was dabei rauskommt ist absolut verblüffend und eben kein JPG, sondern ein RAW. Klar hat das Grenzen. Man muss genau aufpassen, dass man die Strukturen in den Lichtern rettet und man darf kein Ergebnis wie bei einem „echten“ HDR erwarten. Dafür wirkt das Ergebnis sehr natürlich. Hier der Link zum Video.

Natürlich ist OMDS auf ihn aufmerksam (gemacht) worden und sie haben ihm vorab eine TG-7 in die Hand gedrückt, die er vier Wochen testen durfte. Er ist ziemlich begeistert davon und hat auch dazu ein Video gemacht, Die Kamera wäre einmalig am Markt und habe professionelle Features.

Jo, hat er natürlich recht. Nur gab’s die Kamera halt schon vor vier Jahren unter anderem Namen. Und die Bildqualität hat sich eigentlich seit der Einführung des Sensors und des Bildprozessors 2016 in der Vorvorgängerkamera nicht geändert. Klar. Wenn man die TG-Reihe neu in die Hand bekommt – geil. Stabil und wasserdicht und alles. Wenn man, wie ich, seinerzeit die TG-1 gekauft hat und seitdem auf den wesentlichen Fortschritt wartet, der eine Neuanschaffung rechtfertigt, tut man sich etwas hart mit den Lobeshymnen. Wenn die E-PL10 die erste Kamera ist – toll. Die E-PL8 hatte noch den Accessory-Port und mehr Möglichkeiten. Und da gab’s noch die E-PL7…

Ist es legitim, ein Produkt zu feiern, das für unbedarfte Kunden toll, für Kunden die sich auskennen aber „eine Frechheit“ ist? (Originalton ein YouTuber, der die Kamera gekauft hat und dessen kleine Tochter, die zu klein für’s Handy ist, jetzt überall damit rumrennt und sie nicht mehr hergeben will.)

Ich weiß es nicht. Jedem Tierchen sein Pläsierchen und es gibt auch Leute, die Coachingseminare von Systemvertrieblern buchen und glücklich damit sind.

Vielleicht bin ich ja der, der auf dem falschen Dampfer ist….

Andererseits ist es mir halt mehr als einmal passiert, dass ich auf einem Seminar dem Fotografen mit der E-M10III oder E-M10IV sagen musste „Das geht bei Dir nicht. Bei der II ging das noch…“ Wenn der von der Funktion nie was gehört hätte, wäre er dann zufriedener gewesen, und ich habe ihm die Freude an der Kamera versaut?

Ist Aufklärung gut oder böse?

Zum Titelbild: Ich habe Excire mit der Anweisung „Mensch verzweifelt“ losgeschickt. Das kam raus. Und auch ein paar andere sehr passende Bilder – aber auch ein Screenshot des Servicemenüs einer Oly-Kamera. Einer E-M10II….

4 Replies to “React: Mal wieder Youtuber”

  1. Auf deine letzte Frage muss ich mit einem klaren Ja antworten. Ist sie. Definitiv. Das ist der Stoff, aus dem die Dramen dieser Welt gestrickt sind.
    Alles heil, dann die zerschmetternde Erkenntnis, und wenn der Protagonist das überlebt, erfolgt die glorreiche Erlösung, ansonsten ewige Verdammnis. Wer wissen will, muss auch damit rechnen was zu lernen. Unfair wäre es, rum zu laufen und ungefragt den Leuten ihren Spaß zu verderben. Solange aber wer zu dir ins Seminar kommt oder hier liest, selber Schuld.
    Wage zu wissen, aber lerne auch damit umzugehen.
    just my 4 cent (inflationsbereinigt)

  2. Mundus vult decipi, ergo decipiatur (Cardinale Carlo Carafa, späterer Papst Paul IV, 1517-1561).
    Die Welt will betrogen sein, gewiss. Sie wird sogar ernstlich böse, wenn du es nicht tust (Walter Serner, 1912).

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