Fotografieren in Polen

Es gibt derzeit Meldungen, dass das Fotografieren von „strategisch wichtiger Infrastruktur“ in Polen problematisch ist. Mitte Juni hat ein Bahnfan eine Polizeiwache von innen besichtigen dürfen, weil er Bahnanlagen fotografiert hat und man ihn der Spionage verdächtigte. Sein Erfahrungsbericht, den er auf Drehscheibe-Online veröffentlichte, wurde von anderen teilweise bestätigt. In entsprechenden Foren wird das Gerücht verbreitet, selbst das Selfie vor einer Brücke sei bereits eine Straftat und in der Fotocommunity wird auch bereits der Abgesang auf polnische Züge angestimmt.

Trotz intensiver Recherche habe ich außer dem bewussten Post im Bahnforum nichts auch nur halbwegs belastbares zutage gefördert. Wenn es da eine behördliche Anweisung gibt, dann offensichtlich nur, dass die Polizei und der Geheimdienst die Augen offen halten sollen und verdächtige Personen befragen und im Zweifel die Speicherkarten kontrollieren sollen.

Ähnliche Anweisungen gibt es übrigens auch in Kroatien. Da gibt es anscheinend eine simple Lösung: Man beantragt Online eine Genehmigung, gibt Name und Geburtsdatum an und wo man was fotografieren will und dann kriegt man nach drei Tagen die entsprechende Erlaubnis auf Kroatisch als PDF zugeschickt. Damit kann man dann übereifrige Beamte ruhigstellen.

Ganz nebenbei gibt es das auch in Deutschland (wenn auch nicht behördlich), wenn man auf Bahngelände fotografieren und das NICHT auf einer Bahnfanwebsite hochladen will. Dann muss man in Berlin eine Fotogenehmigung beantragen. Solange das nicht kommerziell wird, kriegt man das auch gratis. (Das bedeutet nicht, dass man sich mit der Genehmigung im Gleisbereich aufhalten darf. Es geht drum, dass man auf dem Bahnhof knipsen und besipielsweise auch ein Stativ aufstellen darf.)

Sollte irgendjemand belastbare Quellen bezüglich der polnischen Geschichte haben, würde ich mich darüber freuen, auch meine polnischen Bekannten konnten mir nicht weiterhelfen.

UPDATE:

Michael hat mir den entscheidenden Tipp gegeben, ich hatte „INN“ schon gesucht, aber nicht gefunden. INN läuft eigentlich unter linksliberalen „alternativen Medien“. Sie berufen sich auf eine polnische Rechtsseite, die deutlich konkreter ist.

https://www.prawo.pl/prawo/zakaz-fotografowania-wykroczenie-konfiskata-sprzetu,522810.html

Es gibt also tatsächlich seit 17.8. einen neuen Paragraph 616a 1 im Heimatschutzgesetz, der eine völlig ausufernde Liste von Dingen enthält, die nicht fotografiert werden dürfen. Es ist sogar nicht mal sicher, ob man Wald fotografieren darf, denn dort könnte ja die Armee eine Übung abgehalten haben oder eine abhalten wollen. Mobilfunkmasten. Häfen, Banken, Universitäten, ja selbst Häuser, in denen jemand an wichtigen Dingen forscht. Was da gar nicht draußen dran stehen muss. Alles was teuer ist, wenn es kaputt geht – darf nicht fotografiert werden. Hochhäuser? Da sind Menschen drin, dürfen nicht fotografiert werden.

Laut einem Rechtsanwalt wird der entscheidende Punkt, ob etwas fotografiert werden darf, oder nicht, ein Schild sein, das an dem Objektiv angebracht wird. Rechteckiger roter Rahmen mit stilisierter Kamera drauf und ZAKAZ FOTOGRAFOWANIA. Ist ein bisschen doof, wenn man erst untersuchen muss, ob irgendwo an der Brücke ein Schild hängt, bevor man die Brücke fotografiert. Dazu kommt, dass es eben ganze Gebiete, wie zum Beispiel Häfen, gibt, die als Ganzes verboten sind – ganz ohne Schild.

Das Fotografieren ist eine Straftat, für die man verhaftet werden kann, die Strafe beträgt bis zu 500 PLN, das Problem ist, dass die Kameraausrüstung beschlagnahmt werden kann. (Dies kann allerdings nicht der Polizeibeamte oder der Staatsanwalt bestimmen, sondern nur das Gericht.)

Wenn das Smartphone Daten in „die Cloud“ überträgt, kann auch die Wohnung des Besitzers durchsucht und Computer und Festplatten zur Auswertung mitgenommen werden.

Der Artikel schließt mit der Feststellung, dass der Gummiparagraph vermutlich der Polizeiwillkür Tür und Tor öffnet.

Wer also in Polen demnächst fotografieren will, sollte sich die Mühe machen und den Artikel auf Prawo.pl übersetzen und lesen.

10 Replies to “Fotografieren in Polen”

  1. Moin,
    verstehen kann ich das irgendwie …
    Spekulatius:
    Ich kann mir vorstellen, dass es in Polen – als ehemaliges Ostblock-Land – seit dem kalten Krieg verboten ist, Eisenbahn zu fotografieren, nur hat es seit der Annäherung an Westeuropa niemenden mehr interessiert, ohne dass irgendwelche Vorschriften ausgesetzt wurden.*
    Jetzt wurde wahrscheinlich aus gegebenem Anlass mal an diese erinnert.
    Finde ich zumindest verständlicher als die Rück- und Rechtsschritte bzgl. moderner westlicher Vorstellungen, Stichworte Homophobie, Abreibungsverbot und Nationalismus.

    *) Kann mich als Eisebahn-Fan etwas dran erinnern, dass es mindestens in der DDR und UdSSR entsprechende Vebote gab.

    1. In der DDR war das Fotografieren von Bahnanlagen nicht verboten! Lediglich beim Fotografieren von Militärischen Anlagen und Transporten hätte man sich nicht erwischen lassen sollen. Sicherlich gab es Transportpolizisten, die ihren Dienst überwichtig getan haben und (wie die BP und DB-Sicherheit heute – mehrfach erlebt) Fotografen ärgern wollten. Ein striktes Verbot galt damals allerdings nicht.

  2. Ich habe „Poland Photography Restrictions“ gegoogelt und bin nach zwei Klicks auf die unten verlinkte Seite gelangt. Darin ist von Art. 616a des Gesetzes zur Verteidigung des Heimatlandes die Rede. So soll die Übersetzung des polnischen Textes lauten:
    „Art. 616a im Gesetz zur Verteidigung des Heimatlandes lautet wie folgt: „Es ist ohne Genehmigung verboten, ein Bild oder Bild zu fotografieren, zu filmen oder auf andere Weise aufzuzeichnen:
    1) Einrichtungen von besonderer Bedeutung für die Sicherheit oder Verteidigung des Staates , Einrichtungen des Verteidigungsministeriums, die nicht als Einrichtungen von besonderer Bedeutung für die Sicherheit oder Verteidigung des Staates anerkannt sind, Einrichtungen kritischer Infrastruktur, sofern sie mit einer Grafik gekennzeichnet sind Zeichen, das dieses Verbot zum Ausdruck bringt
    2) Personen oder bewegliche Sachen, die sich in den in Nummer 1 genannten Einrichtungen befinden.“

    Das ist alles sehr vage formuliert und im Einzelfall sicherlich Auslegungssache.

    https://innpoland.pl/197803,fotografowanie-zabronione-zrobisz-zdjecie-zabiora-ci-telefon-albo-aparat

    1. Ergänzung zum Text oben:

      Der verlinkte Artikel enthält weiter unten noch eine ausführliche Liste mit nahezu allem, was man fotografieren kann 😉

  3. Man muss das mal aus der Sicht der beteiligten Polizisten sehen. Für die ist es besser, erst der verdächtigen Fotografiererei einen Riegel vorzuschieben und dann Fragen zu stellen. Ansonsten kriegen sie eins auf den Deckel, weil sie den vermeintlichen Spion nicht dingfest gemacht haben. Dass man in Polen da gerade jetzt ein bisschen sehr empfindlich ist, ist vielleicht auch irgendwo verständlich; immerhin tobt im einen Nachbarland ein heftiger Krieg und im anderen treiben sich Söldner rum, von denen man nicht genau sagen kann, was sie vielleicht noch so vorhaben könnten.

    Für Fotografen ist das natürlich doof. “Recht haben” und “Recht bekommen” sind bekanntlich zwei grundverschiedene Sachen, und wenn man erst mal im Ausland auf dem Polizeirevier sitzt und bohrende Fragen beantworten muss, ist man auf jeden Fall in einer unangenehmen Position. Ich persönlich würde mir wahrscheinlich einstweilen weniger verfängliche Fotomotive suchen.

    1. Nach der Meinung des Juristenportals geht es hier nicht um die Verhinderung von Spionage, dafür gibt es ausreichend bestehende Gesetze, sondern um die Unterdrückung von Journalisten. Deshalb die schwammige Formulierung.

  4. In vier Wochen bin ich (wie schon 2022) eine Woche in Danzig und werde es fototechnisch einfach drauf ankommen lassen. Im Gegensatz zum letzten Jahr ist Fotografie aber nicht der Schwerpunkt, sondern meine Frau ist dabei, die sich auf eine fotoarme Zeit freut … Ich werde nur eine Kamera mit einer WW-Festbrennweite mitnehmen, was spion- und journalistenuntypisch sein dürfte.
    Ich werde mich bei der Touristeninformation erkundigen, ob da was bekannt ist, aber ansonsten darauf bauen, als unbedarfter Tourist durchzugehen. Falls es sich ergibt, werde ich Polizisten ansprechen und fragen, wie das Thema gesehen wird. Danzig ist weltoffener als manche andere Region in Polen, womöglich sieht man die Sache dort locker(er).
    Nach dem Urlaub kann ich gerne von meinen Erfahrungen berichten, falls das interessieren sollte.
    Letztes Jahr habe ich zufällig auf der langen Rückfahrt im Zug eine professionelle Fotografin kennengelernt; eine Polin, die in Berlin lebt und Themen in Polen bearbeitet, die sie ausstellt etc. Aufgrund ihrer kritischen Haltung zum Militär kommt sie in Polen nicht gut an. Wer sich dafür interessiert, ihr Name ist Natalia Kepesz, mit ihren Arbeiten leicht zu finden im Netz.
    PS. Da sich hier auch ein anderer Michael tummelt, habe ich was ergänzt.

  5. Hallo in die Runde,
    hier mal zur Ergänzung das Papier der Deutschen Bahn AG: https://www.deutschebahn.com/resource/blob/1304188/55be4366e9cc7ffdb3df2b511fd18605/Informationen-f%C3%BCr-Hobbyfotografen-und—filmer-data.pdf

    – Aktuell kann ich zum Thema Polen nichts beitragen, weil ich selbst keine wirklich negativen Erfahrungen gemacht habe. Bin öfter dort, bietet sich ja an von Berlin aus. Generell kann man aber sagen, dass seit jeher die Kollegen mit den gelben Westen und Aufdruck „straz“ einen eher mal ansprechen als die deutsche Bundespolizei. Es kommt dort auch öfter mal vor, dass unter ihnen welche sind, die sich unverhofft bewusst ins Bild stellen. Das ist dann halt so, davon nicht provozieren lassen. Die polnischen Eisenbahner hingegen sind nett und auch noch recht stolz auf ihre Tätigkeit. Sie sind es gewohnt, dass wegen der noch teils vorhandenen historischen Technik viele Eisenbahnfreunde anreisen.

    – Zum Thema Fotografierverbot von Eisenbahnen im damaligen Ostblock. Das ist ein Märchen, was Eisenbahnfreunde selbst erfunden haben. Es gab Fotografierverbote von kritischer Infrastruktur. Das ging mit Brücken los, wurde aber erst wirklich zum Problem, wenn es um Hafenanlagen wie Mukran, Anschlüsse von speziellen Militär oder Industrieanlagen ging. Kontrolle von Fotografen war hingegen reine Willkür. Die Stasi-Akten von den bekannten Fotografen und Filmern wie zum Beispiel Ton Pruissen zeigen aber, dass es nicht um Spionage sondern im Gegenteil eher darum ging, Annäherungen der Hobbyisten über Grenzen hinweg zu kontrollieren oder erschweren – vermeiden war abwegig und das wusste man wohl auch. Nicht selten wurden einem nach einer Kontrolle Fotos ermöglicht, von denen man vorher nichteinmal zu träumen gewagt hätte.

    – Nicht alles wo Schienen liegen ist auch Bahn AG. Da kann es auch bei uns in Deutschland haarig werden. Auch hier ist das Fotografieren in und eigentlich auch von Hafenanlagen verboten auch wenn diese immer zugänglicher werden. Während man in Werken von Netrina oder Bombardier nach Anmeldung oder zu bestimmten Anlässen fotografieren durfte ist das bei Stadler so gut wie ausgeschlossen. Für einen Bericht über das Werk in Bussnang durfte ich damals gerade mal so noch deren auf dem Gelände ausgestellte erste Straßenbahn ablichten. Für Fotos aus dem Werk gab es zuvor fünf Jahre Schriftverkehr und jedwede Veröffentlichung derer muss weiterhin einzeln vorab genehmigt werden. Also Vorsicht auch bei außerhalb der Hallen abgestellten Fahrzeugen – zumindest wenn man allzu offensichtlich bewusst in eine Anlage auch von außen (mit Tele) hineinfotografiert. Die Montagestrecken der Antriebsdrehgestelle sind generell ein Tabu. Erlkönige erwischt man eher bei der Überführung nach Velim. Strecke Dresden – Prag. Der Verschrotter Bender mag es auch nicht wenn man ihm ins Gelände hinein fotografiert. Da geht es dann eher um Befindlichkeiten gegen daraus folgende Diskussionen um Arbeits- und Umweltschutz. Auch um Kundenbelange wie das Verschrotten eigentlich noch verwendbarer Fahrzeuge durch die Deutsche Bahn. Gerichtliche Auseinandersetzungen gab es hier in letzter Zeit nicht mehr, nachdem das Veröffentlichen der Aufnahmen auf DSO und in öffentlichen Facebook-Interessengruppen unerwartet als Pressearbeit gewertet wurde. Sollte man sich aber nicht darauf verlassen.

    – Kontrovers war die Entscheidung der BVG-Chefin (Berliner Verkehrsbetriebe) im Gegensatz zu Deutschen Bahn ein generelles Fotografierverbot zu erlassen. Berlin ohne die großen Gelben wäre ja wie London ohne rote Doppeldecker. Die Begründung liegt irgendwo beim Schutz der Mitarbeiter gegen ungewollte Fotos an ihrem Arbeitsplatz. Zumindest an Endhaltestellen sollte man aus meiner Sicht tatsächlich darauf verzichten und den Mitarbeitern ihre ungestörte Pause ermöglichen. Sie wissen ja nicht, ob man sie auf den Bildern unkenntlich macht.

    – Stative auf dem Bahnsteig sind bei den meisten Bahngesellschaften aus Sicherheitsgründen verboten. Selbst am Bahnsteigende wo keine Stolpergefahr besteht. Die sind halt schon oft genug ins Gleisbett gekippt. Hier ist dann eine Begleitung durch einen Mitarbeiter notwendig. Ebenso wenn vom nichtöffentlichen Betriebsgelände aus fotografiert werden soll. Diese Begleitung verursacht natürlich Kosten. Wie das in Rechnung gestellt wird hängt aber auch davon ab, wie man die Bilder später verwendet. Für Imaging wovon auch das Unternehmen profitiert zahlt man maximal ein kleines Handheld, kommerzielle Fotografie wird teuer und der Tatort-Regisseur bekommt für seinen Mord im Zug generell eine Absage.

    Beste Grüße
    Frank

  6. Hi, ich geb auch mal meinen senf dazu. War heute in Warschau und wollte ein Foto vom bahnhofsschild am bahnsteig machen. Danach wurde ich mit lautem ton von 2 militärisch anmutenden polizisten auf polnisch angesprochen. Dann sagte ich ich bin tourist und kann nur englisch und es kam nur zurück „give me ID card“ „which country you from“
    Dann haben sie lange mit funk und einem gerät meine Daten überprüft und sich tausende Notizen in einen block geschrieben inklusive meiner heimatadresse und wollten wissen wo ich in polen im hotel bin und wie lange und warum ich da bleibe. Ich sagte nochmal ich wusste das nicht es tut mir leid und ich lösche das foto. Der andere beamte sagte nur „no problem is good – just a check“ und der eine wollte plötzlich dass ich die namen meiner eltern auf einen zettel schreibe….
    Nach einem gefühlt 20 minütigen verhör was ich in polen machen würde und einer Belehrung über polnisches recht und das man kritische infrastruktur niemals fotografieren darf durfte ich dann gehen. Also für jemanden aus Deutschland ein kulturschock. Generell an jedem bahnhof und in jedem laden überall security und die verstehen kein spaß!
    Soweit mein Erfahrungsbericht 🙂

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