Ich habe Hauke Fischer hier schon öfter verlinkt und wer die FolyFosse mit dem Interview gesehen hat, der weiß vielleicht, dass ich ihn bewundere. Ich war einmal mit ihm auf Fototour und habe in den wenigen Stunden sehr viel darüber gelernt, wie man zu Fotos kommt, indem man eine dreidimensionale „Lightmap“ im Kopf hat und deshalb genau weiß, wann etwas genau dort passiert, wo das Licht so ist, wie es sein muss. Wissen, dass etwas passieren wird, dort hinzukucken, wo es passieren wird, und den Knipskasten fertig zu haben, wenn es passiert.
Sein letzter Blogeintrag vom Juni heißt, „Das Dilemma der Tech-Lemminge“. Das Titelbild dazu bitte ansehen, die Elemente identifizieren, die einzelnen Elemente ausblenden und jeweils die veränderte Bildwirkung beurteilen. Nur als Übung.
Wie üblich unterschreibe ich fast jeden Satz in seinem Blog.
Aber an einem Punkt in seinem Text bin ich gestolpert.
„Fotografie war eigentlich mal ein Aufzeichnen von Momenten, ein Mittel Geschichten festzuhalten und zu erzählen, Dinge aufzunehmen, die dich interessieren. Ein Medium der Mitteilung solcher Sachen für spätere Generationen. Die Porträts unserer Eltern und Großeltern und deren Eltern. Deren Hochzeitsbilder. Würdevoll, Ernsthaft, Respekt.“
Dieses Bild hat etwa 160 Jahre auf dem Buckel.
Dieses Bild ist in etwa genau so alt und zeigt die gleiche Person, Katharina Hoffmann, geb 23.5.1815, gestorben 15.5.1867. Mutter von sieben Kindern.
Ob der gleiche Fotograf nebenher auch die Spatzen in seinem Garten, Eisvögel oder Adler fotografiert hat? Man weiß es nicht, niemand hat das Zeug aufgehoben, weil schlicht bedeutungslos.
Der Historische Hof in der Tucherstraße 20 in Nürnberg. Das Haus haben die Amis oder die Briten in Klump gebombt. Außer Fotos gibt es nichts mehr davon. Auch das ist „Streetfotografie“. In Nürnberg ist in den späten 30ern ein Fotograf rumgelatscht und hat ganz Nürnberg fotografiert. Jede Straße, jedes Haus. Jede Kirche innen und außen. Nach 45 waren diese Bilder ein unermesslicher Schatz. Was wäre passiert, wenn er, statt ermüdend immer wieder Häuser zu knipsen, sich auf den Hauptmarkt gesetzt hätte und den ganzen Tag „Streets“ gemacht hätte? Von feschen BDM-Mädels, die marschierende Wehrmacht bejubeln?
Solche Fotos gab es 45 en Masse – die meisten wurden kurz vor dem Einmarsch der Sieger verschürt. Teilweise wurden die Köpfe aus Fotos rausgeschnitten, damit man die Uniformen darunter verschwinden lassen konnte.
Unser Bild dessen, was Fotografie früher war, wird dadurch beeinflusst, was „auf uns gekommen ist“. Auch vor hundert Jahren gab es Tech-Fans, die sich vor allem um die technische Komponente der Fotografie kümmerten. Oder, umgekehrt, die „Knipser“.
München 1950. Ein typisches Knipsbild, wie es heutzutage mit einem Handy gemacht würde. Es erlangt nur dadurch Bedeutung, dass ein solcher Umzug heute undenkbar wäre. Historischer Kontext. Dazu muss das Foto aber 70 Jahre Wegwerfen überleben.
Einer der wenigen Tech-Freaks, von denen wir heute noch wissen, war Andreas Feininger. Weil er genauso wie Adams versucht hat, die bestehende Technik weiter zu entwickeln um Fotos zu machen, die ohne diese Entwicklung nicht möglich gewesen wären. Feininger hat Teleobjektive gebaut, Adams hat an der Ausnutzung der Chemie geschraubt. (Für beide war die „Tech“ nur ein Vehikel, ihre neuen Bildideen umzusetzen, nicht Selbstzweck.)
Aber die Klage, die „Hein Techs“ hätten die Fotografie kaputt gemacht, der stimme ich nicht zu. Durch die Foren hat man nur heute das Gefühl, alle Welt rede nur noch über „Specs“. Wer sich dort nicht rumtreibt, weiß nichts davon. Das ist eine Parallelwelt. Und noch dazu eine, die von einem sehr kleinen Kreis von Personen kontrolliert wird.
Diese Parallelwelt produziert so gut wie nichts von Bedeutung, Influencer versteigen sich sogar zum revolutionären Tipp, doch einfach Bilder anderer Leute nachzuknipsen, wenn einem selbst nichts einfällt. Diese Parallelwelt gab es aber auch schon vor hundert Jahren. Da hieß das Fotoclubs. Ergebnisse solcher Fotoclubs hängen mittlerweile sogar in Museen – weil es einige Mitglieder dieser Fotoclubs geschafft haben, sich nach dem Krieg als „Künstlergruppe“ umzulabeln und jemand gefunden haben, der ihnen das abkauft. Geschicktes Marketing, kann man nur sagen.
Über die Produkte dieser Gruppen kann man geteilter Meinung sein: Ist das Kunst oder kann das weg ist meiner Meinung nach keine Frage des Labels, das dranhängt, sondern eine Frage der Botschaft, die mir das Kunstwerk vermittelt.
Dieses Kunstwerk ist nichts weiter als ein alter Scheuerlappen. Titel „Lebenswerk“. Die Künstlerin, Frau Eskofier, kennt niemand, aber dieses Ding ist für mich gültig. (BTW: Ich habe versucht, es ihr abzukaufen. Unverkäuflich.) Aber da kann jemand durchaus auch anderer Meinung sein.
Der Weg zu einem Werk kann unterschiedlich sein. Ob simpel von der Nachbarin einen gebrauchten Scheuerlappen schnorren oder mit Equipment für 20k Euro Menschen knipsen – das Ergebnis ist wichtig. Das Ergebnis muss gültig sein. Für mich. Für den Betrachter. Und idealerweise auch noch für den Betrachter in hundert Jahren. Und da bin ich wieder bei Fischer.
Titelbild: Tom Guhlke
Lustig, seit ich hier bei pen-and-tell über Frauke Fischer gelesen habe, habe ich oft Artikel auf fisk gelesen. Für mich war der Autor immer eine Frau, „Frauke“ war für mich ein Frauenname. Jetzt habe ich ein Bild der Person – danke. Ob das was ändert? Ich glaube nicht.
Der Typ, der da oben abgebildet ist, ist nicht Hauke Fischer. Einfach mal das Interview beim FolyFos ankucken. Und…… Hauke. Nicht Frauke.
Ja, habs gemerkt, ich konnte den Namen aber nicht mehr ändern.
Bitte etwas aufmerksamer lesen, Frenedikt!
Gibt’s das Interview mit Hauke Fischer auch am Stück? Falls nicht, könntest Du bitte die Links posten – ich find die Suchfunktion auf Vimeo ziemlich unterirdisch…
Danke!
Find ihn übrigens auch super interessant, aber ich fotografier ja nur noch Katzen 😉
Wieder ein echter Hauke Fischer, danke für den Link! Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Zahl „ernsthafter“ Fotografen am Schwinden ist oder ob nicht vielmehr ganz viele Hein Techs mit allverfügbarer Technik dazugekommen sind. Ich kann es nicht belegen, aber ich habe die Vermutung (oder Hoffnung), dass der Anteil künstlerisch interessierter und befähigter und dazu noch fleißiger und leidensfähiger Menschen in unserer Gesellschaft mehr oder weniger konstant sein könnte. Nur dass es inzwischen sooo viel mehr Hein Techs gibt und diese die Medien beherrschen bzw. deren Bedürfnisse in den Medien aus Marketinggründen ganz oben platziert werden. Das macht es schöpferisch arbeitenden Fotografen sicher schwerer, aber ich bin optimistisch, dass es deren noch genug gibt.
Manche Fotos zeigen einen Entwicklungszyklus, den man sonst nur von Schmetterlingen kennt. Wenn es ihnen gelingt, sich zu verpuppen und irgendwo hinterm Kühlschrank, auf dem Dachboden, im Keller oder einem ausrangierten Datenträger das Larvenstadium zu überdauern, kann nach Jahren ein viel beachteter Schmetterling entstehen (oder etwas mehr Staub an der Stelle als sonst üblich).
Bei dem Titlebild werden bei mir Erinnerungen wach, für mich hat es Bedeutung. Für andere ist es vielleicht für die Tonne.
Darf ich beim Equipment mal raten?
Ich sehe es nicht genau.
E-3 mit 50-200 I?
Pen1 mit 14-54 I?
E-30 mit 11-22 und Filter?
Schönen Gruß
Werner
E-3 mit 50-200 (100 Punkte)
E-P2 mit 11-22 ( 0 Punkte)
E-5 mit 14-54 und Crossfilter (5 Punkte)
Das war auf dem Usertreffen im Chiemgau Oktober 2010. Da gab es in Deutschland drei E-5 und Nils hat uns alle drei mitgebracht zum Anfüttern. Das waren noch Zeiten, als die treuen Fans noch gestreichelt wurden.
Es ist immer wieder lustig, jemanden zu treffen, der weiß, dass er als Einziger diese Welt wirklich versteht, und sich großherzig dazu herablässt, sie allen anderen zu erklären.
Wahrscheinlich gibt es wirklich die “Kamerabesitzer”, denen es nur auf Mess- und Leistungsdaten ankommt, die ihre Bilder nur in 1:1-Pixeldarstellung anschauen, und die immer das Neueste und Beste haben müssen. Aber die sind mit ziemlicher Sicherheit in der Minderheit. Ich denke, die meisten von uns machen Fotos, die uns mal mehr oder unter
Umständen auch mal weniger gefallen, mit der Kamera, die wir haben, ohne ständig vom besseren (?) Nachfolgemodell zu träumen oder nach dem nächsten System zu suchen, auf das wir wechseln “müssen”. Hin und wieder leisten wir uns eventuell was Neues, vielleicht weil wir die Fortschritte der letzten paar Jahre mitnehmen möchten; fairerweise entwickelt sich die Digitalfotografie ja schon etwas rapider als die analoge – gegenüber meiner Minolta XD7 von 1978 zum Beispiel hatten die (analogen) Spiegelreflexkameras von 1998 kaum wesentliche qualitative Innovationen (vielleicht TTL-Blitz oder so), aber man vergleiche mal die digitale OM-1 mit einer DSLR-Kamera von 2001. Man sollte das nicht zu sehr miesmachen, denn die Kameraindustrie benötigt schließlich einen gewissen Umsatz, um über die Runden zu kommen (es wird ja viel darüber lamentiert, wie sehr die Kameraverkäufe gelitten haben, seit es Smartphones mit passablen Kamerafunktionen gibt). Und zu behaupten, dass wir (soll heißen, alle außer dem Verfasser des Artikels) uns in einem ständigen zwanghaften Daten-Vergleich mit anderen “Kamerabesitzern” befinden, darüber das fotografische Sehen komplett vernachlässigen und in schulmeisterlichem Ton daran erinnert werden müssen, dass wir selber “das geilste Kamerafeature” sind, ist meiner unmaßgeblichen Meinung nach mehr als nur ein bisschen übertrieben, wenn nicht gar überheblich. Sicherlich ist nicht jeder von uns so fotografisch hochbegabt wie Hauke Fischer, aber das macht die anderen von uns auch nicht automatisch zu inkompetenten Stümpern.
Dass das “Ergebnis” “gültig” sein sollte, ist natürlich ein hehres und erstrebenswertes Ziel. Aber dass die Fotos am Ende wichtiger sein sollten als die Technik, mit denen sie erzielt wurden, ist, mit Verlaub, eine Binsenweisheit. Auch die meisten Leute, die Schnappschüsse mit dem Smartphone machen, sehen das höchstwahrscheinlich so (ob deren “Ergebnisse” die Standards für “Gültigkeit” von Hauke Fischer oder unserem geneigten Gastgeber erfüllen würden, ist eine andere Frage, aber zum Glück eine irrelevante).
Im übrigen sollte man zur Ehrenrettung der Lemminge sagen: Kein vernünftiger Lemming stürzt sich freiwillig von einer Klippe ins Meer und schon gar nicht nur weil alle anderen Lemminge das auch so machen. Die Lemminge in dem Tierfilm, auf den diese moderne Legende zurückgeht, wurden von den Disney-Kameraleuten geschubst.
Dass es „Kamerabesitzer“ gibt, die in Foren sehr laut über Specs diskutieren, ist kein „wahrscheinlich“ sondern Fakt. Dass diese im öffentlichen Raum der Foren die laute Mehrheit sind, auch. (Hier nicht, weil die mich nicht mögen.) Bezüglich „schulmeisterlichem Ton“ stehst Du niemandem nach, nur mit dem Unterschied, dass Du Personen persönlich angreifst, was Hauke nicht macht. Fühlst Du Dich am Ende gemeint?
Ob Lemminge nun über Klippen springen oder bei ihren Wanderungen auf andere Weise in Massen zu Tode kommen ist für den Fakt, dass nur wenige am Ende ankommen, irrelevant. Und dass unterwegs einige liegenbleiben, sieht man daran, dass in den Fundgruben zwei Jahre alte Kameras mit lediglich drei- oder vierstelligen Auslösungen verkauft werden.
“nur mit dem Unterschied, dass Du Personen persönlich angreifst, was Hauke nicht macht.”
Naja, er zieht im großen Rundumschlag über die Szene her (“Hein Tech” würde ich jetzt nicht uneingeschränkt als Kompliment empfinden). Ist das so viel besser? Im übrigen denke ich, wer öffentlich polemische Texte postet, muss auch damit existieren können, dass nicht alle seiner Meinung sind.
“Fühlst Du Dich am Ende gemeint?”
O nein. Als MFT- Fotograf würde ich in einer Specs-Diskussion sowieso immer den kürzeren ziehen ;^)
Ich spiele fotografisch bestimmt nicht in derselben Liga wie Hauke Fischer oder Du, aber auch in der Kreisklasse C kann man jede Menge Spaß haben. Wenn die Profis aus der Nationalmannschaft dabei auf einen herunterschauen, was aus ihrer Sicht bestimmt auch eine gewisse Berechtigung hat, dann ist das eben so.
Ich widerspreche Dir entschieden. Wenn jemand pauschale Missstände anprangert – die es objektiv gibt – dann muss er persönliche Angriffe nicht akzeptieren. So etwas nennt man „Ad Hominem“ Argumentation und das ist meistens ein klarer Hinweis darauf, dass der, der so „argumentiert“ keine Argumente mehr hat und unter die Gürtellinie schlagen muss.
Und genau so etwas will ich hier nicht haben, es reicht, wenn in Foren so argumentiert wird. Genau in diesen, in denen sich diese „Tech-Lemminge“ rumtreiben.
Das dritte Foto ist bemerkenswert, wörtlich gemeint: Wenn die Dame wirklich vom 23.5.1815 bis zum 15.5.1867 gelebt hat, dann ist sie auf dem Bild keine 52 Jahre alt. Sie sieht so aus, wie heute jemand Anfang 90 aussieht, also 40 Jahre älter. Stimmen die zwei Daten wirklich?
Ja, damals sind Frauen schnell gealtert……