Über Satire

Florian Schröder wurde seinerzeit von Querdenken eingeladen, auf einer Veranstaltung zu sprechen. Hat er gemacht. Er ist hinterher vom NDR dazu interviewt worden und hat beklagt, dass viele Kunstformen – und eben auch Satire – nicht mehr verstanden werden.

Ich war seinerzeit in der Schule als Satiriker bei meinen Deutschlehrern berüchtigt – und zwar, bevor Herr Schröder überhaupt geboren wurde… 😉 Ich habe mir das erst abgewöhnt, als ich für Tageszeitungen Berichte schreiben musste – und gerade dort ist etwas passiert, das auch Herr Schröder in seinem Interview anspricht: Ich habe über einen Auftritt eines MdEP berichtet und ziemlich genau wörtlich berichtet, was der gesagt hatte. Die Redaktion nahm meinen Beitrag und setzte den in einen Kasten um ihn als „Glosse“ zu markieren. (Trotzdem gab’s Ärger, weil der MdEP das nicht witzig fand – der wusste ja, dass das alles völlig korrekt war – und mich daraufhin aus der Politikredaktion entfernen ließ.)

Aber genau das ist das Problem an Satire. Unsere „Eliten“ sind mittlerweile so daneben, dass man nicht mehr unterscheiden kann, was ist echt, was ist Satire. Was meint noch irgendwer ernst. Was ist geplante Provokation. Wenn man nur noch von Durchgeknallten umgeben ist, dann fällt jemand, der den Durchgeknallten nur spielt, nicht mehr auf. Wenn man vor vierzig Jahren gewitzelt hat, dass Österreich U-Boote bestellt um eine Flotte aufzubauen, dann wusste jeder, das ist ein blöder Kalauer. Heute müsste man erst Googlen, ob da nicht vielleicht was dran ist.

Mittlerweile ist auf allen Bereichen – auch im Bereich der Fotografie, um den Spin aufs Thema zu kriegen – alles sagbar, machbar, denkbar. Kein geistiger Dünnpfiff ist dünn genug, dass es nicht Leute gibt, die ihn glauben und nachplappern. Denn es wird ja von oben vorgemacht – je steiler die These ist, desto mehr Erfolg hat sie.

Man stelle sich vor, wie Mr.X abends zuhause sitzt und die Story von Gates und den Impf-Mikrochips erfindet. Man muss sich überlegen, welches Menschenbild muss der Mann haben, dass er ernsthaft glaubt, dass ihm jemand das Zeug abkauft – und das Schrägste ist, dass er damit auch noch recht behält.

Ich baue ja mit Helge jedes Jahr einen Aprilscherz – den wir oft sehr lange vorbereiten. Und wir müssen uns auch jedes mal überlegen – glaubt uns das wer? Wie lange glaubt uns das wer? Reicht die Glaubwürdigkeit bis zum Ende des Posts? Und wir sind natürlich stolz, wenn der Scherz erst auffliegt, wenn die Leute aufs Datum schauen.

Und dann warten wir ein paar Wochen und unser Aprilscherz wird Wirklichkeit. Es gibt jetzt Lüfter zum Hintendranschnallen für Kameras, es gibt Handyadapter für Objektive, und das „e-Model“ ist garantiert schon in der Mache, eine Kamera, die ohne Objektiv auskommt und die Bilder nach GPS-Daten per KI generiert, gibt’s schon.

Das Problem ist, dass man das Gefühl hat, dass jeden Tag 1. April ist. Und deshalb ist Satire mittlerweile auf verlorenem Posten. Die Realsatire ist zum Dauerzustand geworden.

Das Bild? Stephan Zinner 2006 im Kish. Meine seinerzeitige Konzertkritik hatte er jahrelang auf seiner Homepage. Vom damaligen Programm gibt es die CD „Zinner tanzt“….

Update: Das Kish hat mittlerweile den Betrieb eingestellt, weil die Räumlichkeiten für die Verwaltung des Sportvereins benötigt werden. Die Fotos sind noch im „alten Kish“ gemacht worden, das war ein altes Vereinsheim. Da sollten sie ausziehen, weil die Bude abgerissen wird. Die Bude steht heute noch.

7 Replies to “Über Satire”

  1. ist leider so. Inzwischen verkneife ich mir satirisches, wenn ich es jedesmal erklären muß, macht mir das keinen Spaß mehr.
    Trifft mich natürlich hart. Verlege ich mich halt auf Zynismus, da ist es mir egal ob es wer versteht.

  2. Die österreichische Satire-Seite _Die Tagespresse_ hat erst kürzlich auf ihrer Webseite gepostet dass sie nach vielen Jahren aufhören, weil der Konkurrenzdruck durch die Politik zu groß ist.
    Was die Sozialdemokraten in Österreich kürzlich hingelegt haben, kann man einfach nicht toppen. Stimmen ausgezählt und die Zahlen falsch zugeordnet. Sowas macht den Satirikern das Leben echt hart.

    1. Da Satire von der Masse nicht mehr verstanden wird, bin ich über Sarkasmus und Polemik letztendlich beim reinen Zynismus gelandet.
      Aber auch damit hat die Masse Probleme…

  3. “Poes Gesetz” (“Poe’s Law”) postuliert, dass es im Internet ohne eindeutige Kennzeichnung der Absicht des Autors unmöglich ist, eine satirische Übertreibung extremer Ansichten von ernstgemeinten extremen Ansichten zu unterscheiden.

    Was mich nervt, ist, dass heute Sachen als “Satire” bezeichnet werden, die viel eher in den Bereich der Comedy fallen. Jeder plumpe Witze-Erzähler im Fernsehen sieht sich heute als “Satiriker”, wo echte Satiriker wie Mark Twain, Kurt Tucholsky oder Ephraim Kishon sich im Grabe umdrehen würden.

  4. Satire…da fällt mir spontan doch die OM System Website ein…oder ist das Comedy…verweisen im Handbuch auf weitere Infos auf der Website…die dann gar nicht auffindbar sind…
    mal sehen ob die Seite vor dem Erscheinen der Pen FII noch brauchbar zurechtgebastelt wird…so wird das wohl nichts mit der Neukunden-Gewinnung…
    Gruss
    Landus

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